Peter Melichar

Historiker „vorarlberg museum“

Angelika Kauffmann – Wie wurde sie zur Identitäts-Ikone Vorarlbergs?

Mai 2019

 

Wie kam es dazu, dass eine kleine Gruppe von Politikern und Gelehrten in Vorarlberg im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gerade eine Malerin des 18. Jahrhunderts zur kulturellen Leitfigur des Landes stilisierte? Eine Verbindung Angelika Kauffmanns zu Vorarlberg ist zwar durch ihren Vater gegeben, den Maler Johann Joseph Kauffmann (1702-1782), der aus Schwarzenberg stammte. Sie selbst bezeichnete sich 1759 aber als „Maria Anna Angelica Kauffmännin v. Chur“. Dort war sie 1741 geboren worden, ihre Mutter Cleophea Luz (1717-1757) war die Tochter einer Hebamme aus Chur. Sie wuchs im Veltlin (damals zu Graubünden gehörig) auf, lebte dann in Italien, ab 1766 für 15 Jahre in England, dann wieder in Italien, meist in Rom, wo sie 1807 starb. Sie war nur wenige Male in Vorarlberg, jeweils für wenige Wochen. Sie hat hier aber keine Persönlichkeiten porträtiert, auch keine Landschaften gemalt. Immerhin hat sie sich zumindest zweimal in der Bregenzerwälder Tracht selbst porträtiert (1759, 1781), einmal auch in der Graubündner Tracht (1773). Als ganz junge Künstlerin malte sie für die Schwarzenberger Kirche einige Apostelköpfe, im Alter auch noch ein Altarbild, die „Krönung Mariens“ (1802).

Schon als 23jährige hatte Angelika Kauffmann in Rom die Gelegenheit, den berühmten Kunstgelehrten Johann Joachim Winckelmann (1717-1768, ab 1763 Präfekt der päpstlichen Antikensammlung) zu malen. Das Bild galt als Meisterwerk und war ihrer weiteren Karriere höchst förderlich, sie wurde im selben Jahr 1764 Ehrenmitglied der Accademia di San Luca in Rom. Sie wusste den Ruf, der ihr vorauseilte, zu nützen, porträtierte weitere Prominente, deren Berühmtheit auch ihren Bekanntheitsgrad steigerte. Ein Porträt David Garricks, des bekanntesten Schauspielers seiner Zeit, eröffnete ihr den englischen Kunstmarkt. Als sie 1766 nach London ging, erhielt sie bald Aufträge aus dem Königshaus. Bereits ein Jahr später wurde sie in Johann Rudolf Füsslis „Allgemeinem Künstlerlexikon“ erwähnt, 1768 wurde sie Gründungsmitglied der Royal Academy of Arts und war an deren ersten Ausstellung beteiligt. 

Mit 26 heiratete sie heimlich den schwedischen Grafen Frederick Horn in London. Als Monate später der echte Graf Horn in der Metropole des britischen Empires erschien, wurde Kauffmanns Ehemann als Hochstapler entlarvt, die Ehe 1768 annulliert. Über 12 Jahre später heiratete sie wieder, diesmal einen viel älteren Freund ihres Vaters, den venezianischen Maler Antonio Zucchi (1726-1795). Über diese Verbindung wurde viel gerätselt, gewiss ist nur, dass Angelika Kauffmann seinen Tod betrauerte. Über ihre Liebschaften und Verhältnisse wurde immer wieder spekuliert, Genaues wird man nie wissen.

Die Künstlerin korrespondierte mit zahlreichen Schriftstellern, deren Werke sie illustrierte. Sie lernte auch Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) kennen, der ihr „ein unglaubliches und als Weib wirklich ungeheures Talent“ bescheinigte (Italienische Reise, 18. 8. 1787). Kaiser Joseph II. besuchte sie 1784 persönlich in ihrem Atelier, Papst Pius VI. beauftragte sie mit einem Werk („Kindheit der Jungfrau Maria“).
Sie gehörte zu den wenigen Künstler/innen, die durch die Kunst wohlhabend wurden. Sie schuf ihre Porträts und Historiengemälde fast immer im Auftrag reicher Adeliger. Obwohl die Preise ihrer Bilder enorm waren, hatte sie mehr Aufträge als sie bewältigen konnte. Die Erlöse legte sie nicht nur an ihrem Wohnort Rom an, sondern auch in England und im Bregenzerwald. Sie besaß eine eigene Kunstsammlung an Kupferstichen und einigen hervorragenden Gemälden, darunter Leonardo da Vincis „Hieronymus in der Wildnis“. Sie hatte übrigens selbst ein Bild „Leonardo da Vinci sterbend in den Armen von Franz I.“ gemalt. Zusammen mit zwei weiteren Historiengemälden erwarb dieses Werk 1782 der russische Kronprinz Paul, der spätere Zar Paul I. (1754-1801).

Als Angelika Kauffmann 1807 starb, war sie vermögend und hatte eine Berühmtheit erlangt, die sie und ihr Werk für die Nachwelt begehrenswert machte. In ihrem Testament hatte sie sich als „Maria Angelica Kaufmann von Schwarzenberg im Bregenzerwald Konstanzer Kirchensprengel“ bezeichnet. Sie bedachte großzügig ihre Verwandtschaft, die nun auch in den Besitz vieler Werke kam. Und sie bestimmte, dass der Erlös aus dem Verkauf ihrer Kunstsammlung in eine Stiftung fließen sollte, deren Zinsen den Armen von Schwarzenberg zukommen sollten. Nach ihrem Tod wurde die Künstlerin von den verschiedensten Ländern vereinnahmt. Sie erhielt Einträge im „Bairischen Künstlerlexikon“ (1810), im „Nekrolog denkwürdiger Schweizer aus dem 18. Jahrhundert“ (1812), im „Tirolischen Künstler-Lexikon“ (1830) und natürlich im „Biographischen Lexikon des Kaiserthums Österreich“ (1864).

In Vorarlberg selbst bemühte sich der Landesmuseumsverein schon bald nach seiner Gründung 1857 um das Werk der Angelika Kauffmann. Wenn sich die Gelegenheit bot, erwarb man Werke, Dokumente und Briefe aus dem Besitz der Verwandtschaft. Denn schließlich war sie die einzige aus Vorarlberg, die zur High Society ihrer Zeit gehörte, von Königen, Kaisern und dem Papst Aufträge erhielt, die einzige, die mit Goethe und anderen berühmten Gelehrten und Intellektuellen persönlich verkehrte. Sie wurde von Zeitgenossen als Schweizerin und als Deutsche bezeichnet und notierte selbst einmal: „Mein Vaterland ist jede bewohnte Welt.“ Den Bregenzer Wald hat sie zweifellos auch als ihre Heimat betrachtet, und – vielleicht, gerade weil sie so selten dort war – geliebt. Angelika Kauffmann wurde in Vorarlberg daher zum vorbildhaften Beispiel, dass man es aus eigener Kraft ganz nach oben schaffen kann, auch wenn man aus einem kleinen Dorf hinter den buchstäblichen sieben Bergen stammte. Und selbst als Frau.

Austellung

vorarlberg museum
Angelika Kauffmann. Unbekannte Schätze aus Vorarlberger Privatsammlungen
Kuratorin
Bettina Baumgärtel
Vernissage
Fr, 14. Juni, 17.00 Uhr
Dauer 15. Juni bis
6. Oktober 2019

Angelika Kauffmann Museum Schwarzenberg
Vernissage
Sa, 15. Juni, 17.00 Uhr
Dauer 16. Juni bis
3. November 2019

Vortrag im vorarlberg museum
10. September 2019,
19.00 Uhr
Peter Melichar, Die Angelika Kauffmann-­Sammlung des vorarlberg museums

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