Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Das Peter-Prinzip und seine zwei Seiten

Oktober 2024

Fast jeder kennt es, das berühmte Peter-Prinzip, wonach jeder Angestellte solange befördert wird, bis er eine Stufe erreicht, auf der er inkompetent ist. Leicht lassen sich Beispiele für solche Personen finden, die besser nicht in höhere Posten befördert worden wären. Sind solche Beförderungen aus Sicht von Unternehmen aber notwendigerweise immer ein Fehler? Was auf den ersten Blick wie eine triviale Frage aussieht, ist es auf den zweiten Blick nicht.

Im Jahr 1969 führten Laurence Peter und Raymond Hull in ihrem Buch „The Peter Principle“ den Begriff des Peter-Prinzips ein. In dem Buch beschrieben sie in satirischer Art und Weise die teils abstrusen Gründe für Beförderungen in Unternehmen und im öffentlichen Sektor. Seither ist dieses Prinzip in der Öffentlichkeit bekannt als Beschreibung einer Situation, in der jemand beruflich aufgestiegen ist, der in seiner neuen Position vollkommen inkompetent und überfordert ist.
Vermutlich hat jeder von uns beim Lesen dieser Zeilen ein paar Beispiele vor Augen. Vielleicht einen früheren Fußballprofi, der meinte, ein guter Trainer zu sein. Lothar Matthäus wäre so ein Beispiel für einen Weltklassespieler, der als Trainer kaum jemals Erfolg hatte. Oder man denkt an Umweltlobbyisten oder -aktivisten, die dann Umweltminister oder Parlamentsabgeordnete werden. Auch dazu ließen sich sicher Namen finden. All diese Beispiele passen zum Peter-Prinzip, wonach Menschen beruflich aufsteigen, die dafür nicht geeignet sind. Daraus schließen viele, dass nur unfähige Leute nach „oben“ kommen und dass Beförderungen oder berufliche Aufstiege nichts mit Qualität und Leistung, sondern vielmehr mit Beziehungen und Ellbogentechnik zu tun haben. Ganz so einfach ist es aber nicht, wie ein genauerer Blick auf das Peter-Prinzip verrät.
Viele Beförderungen werden auf Basis der aktuellen Leistung von Mitarbeitern in deren jeweiliger Position vorgenommen. Beförderungsentscheidungen haben aber zwei wichtige Funktionen für ein Unternehmen, von denen eine bei der üblichen Betrachtung des Peter-Prinzips übersehen wird. Die erste Funktion ist, die besten Leute in höhere Positionen zu bekommen. Im Idealfall ist beispielsweise ein erfolgreicher Außendienstmitarbeiter auch ein sehr fähiger Manager aller Außendienstmitarbeiter. Das Peter-Prinzip legt nahe, dass das oft nicht der Fall ist, weil es beim Management auf andere Fähigkeiten ankommt als beim Dienst als Außendienstverkäufer. Die zweite Funktion ist aber eine andere: Beförderungen auf der Basis der aktuellen Leistung schaffen einen nicht zu unterschätzenden Anreiz für die Mitarbeiter in ihren jeweiligen Positionen. Mit anderen Worten, sie strengen sich mehr an, wenn die aktuelle Leistung einen positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Beförderung hat. Man muss sich nur einmal das Gegenteil vorstellen, um sofort zu verstehen, warum diese zweite Funktion von Beförderungen für ein Unternehmen so wichtig ist. Wenn Beförderungen überhaupt nicht von der aktuellen Arbeitsleistung abhängen, dann gibt es keinen Anreiz hart zu arbeiten. Dazu kommt noch, dass in einem solchen Fall sich hart arbeitende Mitarbeiter übergangen fühlen würden, was deren Motivation mit Sicherheit reduzieren würde.
Wenn also die aktuelle Leistung eine Bedeutung für Beförderungen spielt, dann profitieren Firmen aufgrund des zweiten Aspekts davon, weil damit alle Mitarbeiter hohe Anreize haben, sich für eine mögliche künftige Beförderung anzustrengen. Klar ist aber auch, dass dieser zweite Aspekt dann das Peter-Prinzip auslösen kann, dass nämlich Personen befördert werden, die für die neue Position nicht optimal sind. Das ist fast zwangsläufig der Fall, wenn die Leistung auf der aktuellen Hierarchiestufe wenig Aussagekraft für die Leistung auf der nächsthöheren Hierarchiestufe hat. Um im vorigen Beispiel zu bleiben: Ein guter Außendienstverkäufer ist nicht notwendigerweise ein guter Manager aller Außendienstverkäufer. Als Manager muss man andere gut koordinieren und motivieren und bei Konflikten Kompromisse und Lösungen finden können. Es mag sehr gute Verkäufer geben, die das auch können, aber das muss nicht so sein. Das bedeutet, dass es für Unternehmen ein Drahtseilakt ist, bei Beförderungen die richtigen Leute für Management-Aufgaben auszuwählen, gleichzeitig aber die Leistungsanreize aufrecht zu erhalten.
Eine Studie von Alan Benson, Danielle Li und Kelly Shue hat für über 130 amerikanische Unternehmen, die in „Sales“ tätig sind, das Peter-Prinzip genauer unter die Lupe genommen. In einem großen Datensatz haben sie die Verkaufszahlen von über 38.000 Verkäufern mit deren Beförderungswahrscheinlichkeit und deren Leistung als Manager (im Falle einer Beförderung) verknüpft. Dabei zeigt sich eindeutig, dass im Verkaufsbereich bessere Verkaufszahlen eher zu einer Beförderung führen. Leistung zahlt sich also für Beförderungen aus, was für die Firmen einen positiven Einfluss auf die Verkaufszahlen hat. Die Daten zeigen, dass jemand mit doppelt so hohen Verkaufszahlen eine ungefähr 30 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für eine Beförderung hat. Jedoch sind die besten Verkäufer eher selten die besten Verkaufsleiter.
Ein guter Verkaufsleiter erhöht die Verkaufsleistung seiner Mitarbeiter im Vergleich zu deren durchschnittlicher Leistung, bevor der neue Leiter bestellt wurde. Es zeigt sich, dass sehr gute Verkäufer in ihrer Funktion als Leiter im Schnitt eine negative Auswirkung auf den Verkaufserfolg ihrer Mitarbeiter haben. Im Gegensatz dazu sind jene Leiter erfolgreicher, die in ihrer früheren Tätigkeit als Verkäufer häufiger in Teams arbeiten mussten. Die sogenannten „einsamen Wölfe“, die ausschließlich alleine arbeiteten, sind die schlechtesten Verkaufsleiter in der Studie von Benson, Li und Shue. Sie können also als Paradebeispiel für das Peter-Prinzip gelten. Dennoch ist das Prinzip aufgrund der verschiedenen Funktionen von Beförderungen nicht als grundsätzlich negativ anzusehen, wie das häufig in der Öffentlichkeit der Fall ist.

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