Ulrike Delacher

Die gebürtige Tirolerin studierte Germanistik und Integrierte Kommunikation. Sie leitet die Unternehmenskommunikation bei der Vlbg. Krankenhaus-Betriebsgesellschaft.

(Foto: © Matthias Weissengruber)

Dem Kreuzschmerz den Rücken kehren

April 2015

Wärmepflaster, Schmerztabletten, Tipps von Bekannten: Was hilft wirklich bei Rückenleiden? Primar Christian Bach, Leiter der Orthopädie am LKH Feldkirch, über Behandlungsmethoden und den richtigen Umgang mit der Volkskrankheit Rückenleiden.

Mindestens einmal im Leben sind rund 70 Prozent aller Österreicher mit dem Thema Rückenleiden konfrontiert. Rückenschmerzen und Gelenksprobleme haben mittlerweile eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung erreicht. „In Österreich gehören sie mit zu den häufigsten Ursachen für eine Frühpensionierung“, erklärt Primar Christian Bach, Leiter der Abteilung für Orthopädie am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch. Die Statistik zeigt die Dimension: 891 Vorarlberger wurden 2014 wegen Rückenleiden stationär in der Orthopädie am LKH Feldkirch aufgenommen, 233 mussten an der Wirbelsäule operiert werden.

Unterschiedliche Probleme

Die Ausprägung von Wirbelsäulen­erkrankungen reicht dabei vom einfachen, unspezifischen Rücken- oder Beinschmerz – dem „Hexenschuss“ – über Bandscheibenvorfälle bis hin zu komplexen Krankheitsbildern wie Infektionen, Tumoren oder Wirbelsäulenbrüchen. Das „Kreuz mit dem Kreuz“ ist auch nicht abhängig vom Alter, denn: Betroffen sind Kinder mit Wirbelgleiten – ein Wirbel ist instabil und gleitet nach vorne – oder Wirbelsäulenverkrümmungen (sogenannten Skoliosen) gleichermaßen wie der erwachsene Mensch.

Behandlungsmethoden

So vielfältig wie die Erkrankungen sind, ist auch das Behandlungsspektrum: Manchmal reicht eine medikamentöse Therapie mit Tabletten, oder der Arzt nimmt eine lokale Betäubung mittels Injektion vor, meist einhergehend mit einer individuellen Physiotherapie. Wenn die konservativen Behandlungsmethoden nicht helfen, die Erkrankung komplexer ist oder länger andauert, kann eine Operation nötig werden. Grundsätzlich ist beim Rückenschmerz der Hausarzt beziehungsweise der niedergelassene Facharzt für Orthopädie der erste Ansprechpartner. Dieser entscheidet – abhängig vom Krankheitsbild und insbesondere bei einem Notfall – über die Methode der primären Behandlung. Manche der betroffenen Patienten müssen allerdings in einem auf Wirbelsäulenerkrankungen spezialisierten orthopädischen Zentrum vorstellig werden.

Ab wann zum Arzt?

Unspezifische Rückenschmerzen sind zwar meistens sehr belastend, die gute Nachricht aber lautet: In 90 Prozent der Fälle verschwinden sie innerhalb von wenigen Tagen wieder. Halten die Schmerzen allerdings mehrere Tage an, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Von chronischen Rückenschmerzen spricht der Orthopäde dann, wenn der Schmerz länger als sechs Monate andauert. Die Ursachen für Rückenschmerzen können sehr unterschiedlich sein. So gibt es erbliche Dispositionen, aber auch der Lebensstil spielt eine Rolle – meist in Form von Übergewicht und Bewegungsmangel. Während man bei unspezifischen Rückenschmerzen bildgebend die Ursache nicht immer nachweisen kann, ist die Diagnose bei der Gruppe der spezifischen Rückenschmerzen mit krankheitsbedingten Veränderungen konkreter. Für fast alle Ursachen gibt es auch sehr gute Behandlungsmöglichkeiten.

Alarmsignal: Lähmung bedeutet Notfall

Erster Schritt in der Abklärung von Rückenschmerzen ist eine genaue körperliche Untersuchung. Dabei achtet der Arzt auf Besonderheiten, sogenannte „red flags“: „Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschmerzen und unwillkürlicher Harnabgang stellen ein Alarmsignal dar. Hier wird die weitere Diagnostik dringend nötig“, erklärt Universitätsdozent Bach. Es folgen Blutuntersuchungen und Untersuchungen mittels Röntgen, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT), um die Ursache der Beschwerden rasch sicherzustellen. „Verspürt der Betroffene allerdings bereits Lähmungen von Armen oder Beinen oder treten Infektionen im Bereich der Wirbelsäule auf, handelt es sich um eine Notfallsituation. Das bedeutet, dass hier innerhalb weniger Stunden eine akute chirurgische Behandlung notwendig werden kann.“

Kinder als Patienten

Ein besonderes Fachgebiet des Experten, in dem er europaweite Anerkennung bekommt, ist übrigens die Behandlung von Deformitäten bei Kindern. Erkrankungen des Bewegungsapparats im Kleinkind- und Jugendalter können nur in wenigen ausgesuchten orthopädischen Zentren behandelt werden. Die Abteilung für Orthopädie am
LKH Feldkirch gehört zu jenen wenigen Zentren, die das gesamte Spektrum an Wirbelsäulenerkrankungen, auch bei Kindern, behandeln können. Auch alle minimalinvasiven und schonenden Behandlungen von Rückenerkrankungen kommen zur Anwendung. Als Zentrum für den Bewegungsapparat diagnostiziert und behandelt die Orthopädische Abteilung daneben aber auch alle anderen Gelenksprobleme im Knie, an der Hüfte oder der Schulter nach den neuesten Methoden, insbesondere den Kunstgelenksersatz. Denn sehr oft kommen vermeintliche Rückenbeschwerden eigentlich vom Gelenksverschleiß, während vermeintliche Hüft- oder Kniegelenksprobleme ihre Ursache im Rückenbereich haben. Prinzipiell gilt die Devise, den Patienten ganzheitlich und nicht nur ein Organ isoliert zu betrachten.

Den Lebensstil ändern

Sind die akuten Beschwerden abgeklungen, gilt es für viele Betroffene, eigenverantwortlich zu handeln und den bisherigen Lebensstil zu ändern: „Ein gesunder Lebensstil hilft nicht nur, Kreuzschmerzen vorzubeugen, sondern auch, sie zu lindern und Beschwerden zu reduzieren. Gesunder Lebensstil bedeutet nicht, dass Sie Extremsport machen oder Ihre Ernährung komplett umstellen müssen.“ Vielmehr seien es oft die kleinen Dinge, die Großes bewirken. Bachs Tipps: „So oft wie möglich das Fahrrad statt dem Auto benutzen, die Treppe dem Fahrstuhl vorziehen oder regelmäßige Abendspaziergänge können schon sehr viel bewirken.“

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