
Gift für Jagd und Selbstverteidigung
Sie wollen eine langwierige Erbschaftsangelegenheit beschleunigen? Verwenden Sie Pflanzen! Ein schmackhaftes Bärlauchrisotto, gewürzt mit Herbstzeitlose, wirkt todsicher. Was Sie dann noch brauchen, sind stählerne Nerven und ein überzeugendes Argument, warum Sie nicht einmal zum Abschmecken selbst gekostet haben. Sollten Sie aber auf Vorarlbergs Gifttiere setzen, so erreichen Sie damit höchstens, dass sich das Opfer totlacht. Dabei gibt es gar nicht so wenige giftige Tiere im Ländle. Doch wirklich gefährlich oder gar tödlich ist für einen gesunden Menschen ohne Allergien keines davon. Eine „Hitparade“ der gefährlichsten Tiere zu erstellen, wäre wenig sinnvoll. Die Gifte wirken unterschiedlich, und sie sind speziell auf die potenziellen Opfer abgestimmt. Auch der Grund, warum Tiere Gift produzieren, unterscheidet sich zwischen den einzelnen Arten. Die einen benutzen es, um ihre Nahrung zu betäuben oder zu töten, andere schützen sich damit schlicht davor, selbst gefressen zu werden.
Ein überraschendes Ergebnis
Der Volksmund spricht: „Sieben Hornissenstiche töten ein Pferd, drei Stiche einen Menschen.“ Der Volksmund spricht Unsinn. Im Experiment hatte sich eine Labormaus nach 24 Stunden von sechs Hornissenstichen erholt, und ein noch nicht erwachsenes Rattenmännchen überstand gar 60 Stiche ohne bleibende Schäden. Der Vergleich der Giftwirkung auf Mäuse liefert ein überraschendes Ergebnis: Das Gift der Honigbiene ist 3,8 bis 15 Mal wirksamer als das der Hornisse! Wird der Stachelapparat einer Biene nicht unverzüglich entfernt, so gelangt bei beiden Insektenarten beinahe dieselbe Menge toxischer Substanzen in die Wunde. Ein Hornissenstich ist somit weniger gefährlich als der einer Biene! Das Gift hunderter Hornissen wäre erforderlich, um einen gesunden, 70 kg schweren Menschen ohne Allergien in Lebensgefahr zu bringen. Warum der Stich einer Hornisse dennoch als schmerzhafter empfunden wird, ist leicht erklärt: Ihr Stachel ist dicker und länger als der von Bienen und anderen Wespen, und er kann tiefer in die Haut eindringen. Und vor allem: Neben den eigentlichen Giftstoffen enthält der injizierte Cocktail auch einige Schmerz erzeugende Substanzen.
Nur die weiblichen Hornissen stechen. Ihr Stachel entstand aus dem Legebohrer, mit dem nahe verwandte Insektenarten ihre Eier unter Rinde oder in andere Tiere legen. Zum Einsatz kommt der Stachel im Kampf gegen arteigene Rivalinnen oder bei der Jagd auf große, schwer zu überwältigende Beutetiere. Und natürlich wird damit das Nest verteidigt. Doch man muss das Volk stark provozieren, um gestochen zu werden. Anders als bei anderen Wespenarten bleibt es dabei meist bei einigen wenigen (selten bis zu 30) Stichen. Kaum einmal wird ein vermeintlicher Angreifer weiter als 15 bis 20 Meter verfolgt.
Das wohl giftigste Tier in Vorarlberg ist die Kreuzotter. Die Schlange benötigt ihr Gift bei der Jagd auf Mäuse, Frösche und andere Tiere. Als Lauerjäger ist sie nicht auf bestimmte Beutetiere spezialisiert. Die Kreuzotter attackiert ihre Nahrung mit einem Biss und injiziert dabei ihr Gift. Das Viperngift schwächt das Opfer, bis es schließlich stirbt. Meist mit dem Kopf voran wird dann die Nahrung vollständig verschluckt. Was für Kleinsäuger fatal ist, hat für einen gesunden Menschen zwar schmerzhafte, aber kaum tödliche Folgen. Auch wird eine Kreuzotter nie von sich aus einen Menschen angreifen. Sie ist ein sehr scheues Tier und flieht meist schon, bevor der Mensch sie wahrnimmt. Nur wenn sie sich bedroht fühlt und keine Möglichkeit zur Flucht sieht, kann sie zubeißen. Selbst dann geht sie sie mit ihrem Gift sparsam um: Da sie es zum Nahrungserwerb benötigt, verschwendet sie es niemals vollständig zur Abwehr eines (vermeintlichen) Feindes. In mehr als der Hälfte der Fälle wird beim ersten Zubeißen überhaupt nichts injiziert. Wird aber Gift abgegeben, so gelangen rund 10 Milligramm in die Wunde – doch die minimale tödliche Dosis für einen 75 kg schweren Menschen liegt bei 75 Milligramm! Etwa eine halbe Stunde nach dem Biss rötet sich die betroffene Stelle und schwillt an. Mögliche weitere Symptome reichen von Übelkeit und Erbrechen über Schwindelgefühl, Herzklopfen und Krämpfe bis zu Atemnot. Selten kommt es zum Kreislaufkollaps. Generell gilt: Ruhe bewahren und ärztliche Hilfe rufen. Vor Selbstbehandlung sei gewarnt. Die Kreuzotter bewohnt die südliche Landeshälfte Vorarlbergs. Sie ist die einzige Reptilienart, die den Talraum meidet. Die überwiegende Mehrzahl der Fundorte liegt über 1250 Metern.
Vorarlbergs giftige Spinnen
Auch Spinnen jagen mit Gift. Mit ihren großen Kieferklauen ergreifen sie ihre Beute. Die Spitze der Cheliceren mündet in einen Giftzahn. Über ihn fließt das Gift in die von der Klaue geschlagene Wunde. Es tötet oder betäubt kleinere Beutetiere fast augenblicklich. Das Gift ist hochwirksam, doch die injizierte Menge ist verschwindend gering. Und kaum eine Spinne kann mit ihren Cheliceren die menschliche Haut durchdringen. Schafft sie es – wie Mildes Dornfingerspinne – doch, ist der Biss in erster Linie schmerzhaft. Wirklich bedrohlich wird er nur bei einer allergischen Überreaktion.Wenn auch manche Tiere in Vorarlbergs Wiesen, Feldern und Wäldern wirksame Gifte besitzen – so richtig gefährlich ist für einen gesunden Menschen keines davon. Keines der Tiere attackiert von sich aus einen Menschen, doch wehren sie sich, wenn sie sich bedroht fühlen. Solche Konfrontationen lassen sich leicht vermeiden. Gänzlich falsch wäre es, giftige Tiere pauschal zu verfolgen – niemand käme auf die Idee, aus Angst, überfahren zu werden, grundsätzlich alle Autos verschrotten zu wollen. Und die Wahrscheinlichkeit eines Verkehrsunfalls ist weitaus höher als die eines Kreuzotterbisses.
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