Dietmar Buhmann

Leiter des Instituts für Umwelt und Lebensmittelsicherheit beim Land Vorarlberg

Glyphosat – Ein Unkrautbekämpfungsmittel auf dem Prüfstand

Juli 2016

Im Frühjahr 2015 wurde Glyphosat von der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft. Diese Meldung platzte mitten in das laufende Neuzulassungsverfahren für Glyphosat auf EU-Ebene. Die Diskussionen um die Gefährlichkeit des Herbizids und um die neuerliche Zulassung laufen seither äußerst kontroversiell. Nun wurde die Zulassung des Mittels um weitere 18 Monate verlängert,
um zusätzliche Abklärungen zu ermöglichen.

Glyphosat ist das mit Abstand am häufigsten eingesetzte Pflanzengift und wird seit Mitte der 1970er-Jahre verbreitet und in stark steigendem Maße zur Unkrautbekämpfung in der Landwirtschaft, im öffentlichen Raum und im Privatbereich eingesetzt. Die produzierten Mengen liegen heute weltweit bei geschätzten 700.000 Tonnen pro Jahr, in Österreich beträgt der Handelsumsatz für Glyphosat nach einer Erhebung des Bundesamts für Ernährungssicherheit für das Jahr 2014 rund 340 Tonnen.

Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate, wird von behandelten Pflanzen über die Blattoberflächen aufgenommen und schädigt durch Enzymblockaden ein breites Pflanzenspektrum. Der Intensiv-Ackerbau wurde durch den Einsatz Glyphosat-haltiger Pflanzenschutzmittel weltweit enorm rationalisiert, die mechanische Bodenbehandlung zur Unkrautbekämpfung gehört heute der Vergangenheit an. Insofern kommt dem Wirkstoff Glyphosat aus agrarökonomischer Sicht eine hohe Bedeutung zu, was die aktuellen heftigen Diskussionen um die Wiederzulassung mit zu erklären vermag.

Das Unkrautvernichtungsmittel gelangt in der Regel vor oder kurz nach der Aussaat zur Anwendung. In großen Anbauländern bestimmen verbreitet Kulturpflanzen den Markt, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie gegenüber Glyphosat resistent sind. So kann das Herbizid auch während der Wachstumsphase zur Anwendung gelangen, ohne die Nutzpflanze zu schädigen. Neben der Unkrautbekämpfung kommt Glyphosat auch bei der direkten Behandlung von Futter- oder Nahrungsmitteln kurz vor der Ernte zum Einsatz. Dadurch wird eine gleichmäßige Trocknung der Ernte erzielt und die Gefahr des Schimmelbefalls während der Lagerung verringert. Vor allem durch diese als Sikkation bezeichnete Behandlungsmethode gelangt Glyphosat unweigerlich auf direktem Weg in die Nahrungskette. Lediglich in der biologischen Landwirtschaft besteht ein Anwendungsverbot für Glyphosat.

Glyphosat-Rückstände und Abbauprodukte des Herbizids wie das AMPA sind in der Umwelt aber auch in Futter- und Lebensmitteln verbreitet nachweisbar. Obwohl in Vorarlberg der Ackerbau nur eine relativ untergeordnete Rolle spielt, sind auch hierzulande Mikroverunreinigungen durch Glyphosat festzustellen. So konnten bei Untersuchungen des Umweltinstituts an Kleingewässern im Vorarlberger Rheintal Spuren von Glyphosat gemessen werden, auch im Bodenseewasser sind geringe Konzentrationen des Abbauprodukts AMPA nachweisbar. Hier gilt es zu bedenken, dass auch außerhalb der Landwirtschaft – etwa bei der Hausgartenpflege oder bei der Unkrautbekämpfung im öffentlichen Raum – erhebliche Mengen des Herbizids in die Umwelt gelangen. In Österreich sind rund vierzig verschiedene Produkte zur Unkrautbekämpfung auf Glyphosat-Basis im Handel frei erhältlich.

Im Rahmen der bundesweiten Lebensmittelüberwachung werden schwerpunktmäßig Untersuchungen auf Glyphosat-Rückstände durchgeführt, positive Nachweise sind hierbei keine Seltenheit. Nach Mitteilung der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES wurden im Zeitraum 2010 bis 2014 insgesamt 852 amtliche Lebensmittelproben auf Glyphosat-Belastung untersucht, bei sieben Prozent der Proben waren Rückstände des Unkrautvernichtungsmittels nachweisbar.
Zur Frage der Umweltverträglichkeit und der Toxizität von Glyphosat wurden weltweit unzählige Studien durchgeführt. Bisher galt Glyphosat als eine Substanz mit relativ geringer Umweltrelevanz, auch kamen behördliche Institutionen wie die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit EFSA zum Schluss, dass die zugelassenen Anwendungen von Glyphosat keine Gesundheitsrisiken bergen. Entsprechend wurden in der EU Lebensmittel-Grenzwerte zum Teil relativ moderat und in unterschiedlicher Höhe festgesetzt. Beträgt der Glyphosat-Grenzwert etwa für Nüsse oder Äpfel 0,1 mg/kg, liegt der Wert für Weizen mit 10 mg/kg um den Faktor hundert höher, für Gerste beträgt der Wert gar 20 mg/kg. Für Gewässer oder Böden existieren in Bezug auf Glyphosat bis heute keine gesetzlichen Richt- oder Grenzwerte.

Schon in der Vergangenheit wurden von wissenschaftlicher Seite und von NGOs wiederholt massive Bedenken hinsichtlich möglicher Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen durch Glyphosat geäußert. Die neuesten Erkenntnisse der Agentur für Krebsforschung der WHO bestätigen die Bedenken eindrücklich.

Die aktuelle Zulassung von Glyphosat in der EU erfolgte 2002 mit Ablaufdatum 31. Dezember 2015 und sollte nach Plan zu diesem Termin um weitere 15 Jahre verlängert werden. Im Rahmen der routinemäßigen Überprüfung für eine Wiederzulassung attestierte das deutsche Bundesamt für Risikoforschung als in diesem Verfahren federführende Behörde im Vorjahr noch eine weitgehende Unbedenklichkeit einer weiteren Glyphosat-Anwendung. Aufgrund der aktuellen Diskussionen war die Ablauffrist von der EU-Kommission zunächst bis Ende Juni 2016 verlängert und damit die Entscheidung über eine Weiterzulassung vertagt worden.

Kein Konsens

Unter den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission besteht schon seit Monaten kein Konsens über die Einstufung des Gefahrenpotenzials oder über Bedingungen zur sicheren Verwendung von Glyphosat. Nun soll die Europäische Chemikalienagentur ECHA eine zusätzliche Prüfung vornehmen. Auf Vorschlag der EU-Kommission wurde nun die zunächst bis Ende Juni 2016 geltende Zulassung für Glyphosat um weitere 18 Monate bis zum Vorliegen des ECHA-Gutachtens verlängert.

Da Glyphosat in enormen Mengen zum Einsatz gelangt und Rückstände dieses Pflanzengifts in der Umwelt und in der Nahrungskette weit verbreitet sind, ist eine Wiederzulassung jedenfalls nur dann zu verantworten, wenn sämtliche Bedenken restlos ausgeräumt werden. Sollte dies nicht gelingen, ist im Sinne der Umwelt- und Gesundheitsvorsorge ein klares Verbot für eine weitere Anwendung von Glyphosat zu fordern.

 

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