Prompt Writing – der Auftrag an die Maschine
Experten und Expertinnen der Sprache experimentieren mit sprachbasierter KI und kommen auf verblüffende Ergebnisse.
Die KI, das ist ein „Prometheus 2.0“, die digitale Variante des griechischen Helden, der den Menschen einst das Feuer brachte“, behauptet die Journalistin Eva Konzett in ihrem im „Falter“ erschienen Artikel „Licht und Leid“ und stellt in Aussicht, dass „Künstliche Intelligenz schon bald den menschlichen Geist überflügeln“ könnte: Ist angesichts der „digitalen Apokalypse … diese Angst also berechtigt?“
Aktivitäten der Künstlichen Intelligenz, für die bislang komplexe Programmiersysteme notwendig waren, können nun schon mithilfe kurzer Texteingaben ausgelöst werden. Seitdem sich durch diesen niederschwelligen Zugang eine solch überschießende Nachfrage ergeben hat, dominiert die berechtigte Furcht vor der Macht der KI und der Durchsetzungskraft seiner Algorithmen. In Anbetracht dieser Entwicklung empfiehlt der kluge Alexander Kluge, dass „wir uns gleich jetzt dranmachen können, als Patrioten der klassischen Öffentlichkeit Gegenalgorithmen zu bilden, die die Lücken ausfüllen“.
Ursprünglich wurde das gigantische Datenarchiv, auf das die KI zugreift, von Programmierern geprägt, die die westlichen Werte ihrer Gesellschaften in das aufregende neue System einpflegten. Die Folge davon ist nun, dass die Künstlichen Intelligenzen Klischees reproduzieren und dadurch bestehende Stereotype verstärken. Um Vielfalt, um komplexere Menschenbilder und ihre unterschiedlichen Interessen in dieses Universum einzuschreiben, wird daher ein offener und niederschwelliger Zugang für möglichst viele Menschen gefordert. Der deutsche Ethikrat formuliert in der „FAZ“ die einfache ethische Faustregel: „Künstliche Intelligenz soll die Handlungsmöglichkeiten von Menschen erweitern und sie nicht verringern.“
Die große Herausforderung in Bezug auf dieses mächtige digitale Instrument ist die Diskussion und die Regelung von Themen wie Urheberrechten, Kontrolle von Eingabe und Konsum der Daten, ihre Qualität und deren ethische Standards. Aber auch die Ausbeutung von Menschen beim Einpflegen der Inhalte ist, in Anbetracht der unvorstellbaren Wertschöpfung von Firmen wie OpenAI, inakzeptabel. Journalistin Eva Konzett berichtete beispielsweise von Mophat Okinyi aus Kenia, der drei Dollar pro Stunde dafür erhielt, dass er täglich 700 Textpassagen las und Gewaltverherrlichung und sexuellen Missbrauch aus diesen Passagen herausfilterte.
Der bekannte Philosoph Konrad Paul Liessmann zitiert in diesem Zusammenhang immer wieder den einflussreichsten Medientheoretiker des 20. Jahrhunderts, Günther Anders, „von dem die beunruhigende These stammt, dass die immanente Logik aller Technik lautet: ohne uns“.
Tatsächlich aber hat die EU gerade eine KI-Verordnung einstimmig gebilligt, die darauf abzielt, „Innovationen zu fördern, gleichzeitig das Vertrauen in KI zu stärken und sicherzustellen, dass diese Technologie in einer Weise genutzt wird, die die Grundrechte und die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der EU respektiert“.
Trotzdem befürchten viele Menschen, dass die KI unkontrollierbar wird. Die Autorin Doris Knecht betitelt ihre bekannte Kolumne im „Falter“ mit „Ich will keine Maschine sein“ und bekennt: „Kein Krümel KI soll in meine Texte bröseln und nie soll der Verdacht aufkommen, ich hätte mir beim Schreiben davon helfen lassen.“
Wie man diesem „Prometheus 2.0“, diesem gigantischen digitalen Potenzial tatsächlich als Gesellschaft aber eben auch als Individuum begegnet, das ist sicherlich ein Schlüsselthema unserer Zeit. Die Expertinnen dafür sind die Künstlerinnen, deren Werkzeug die Sprache ist.
Für das aktuelle Literaturmagazin V#40 hat literatur:vorarlberg, die Interessensvertretung der Vorarlberger Autoren und Autorinnen, daher gemeinsam mit der Kulturinitiative Theater am Saumarkt, Schreibende um Beiträge zum Thema gebeten.
Die vorliegende Publikation umfasst nun 26 Texte von österreichischen und deutschen Autoren und Autorinnen, die unterhaltsame, witzige, intelligente, anspruchsvolle Literatur über Künstliche Intelligenz verfasst haben und dabei eine unglaubliche Fülle an unterschiedlichsten Aspekten in der Begegnung mit KI aufzeigen können: Manipulation, Kommerzialisierung, Klischees und Vorurteile, Entzauberung, Widerstand, Unfähigkeit zur Ironie, „Selbstreflexion“, neue „Gottheit“, Verweigerung, Emotionen, Absurditäten und Selbstbewusstsein sind die Quintessenz für eine wichtige Diskurserweiterung.
Eine bildkünstlerische Ebene ergänzen den literarischen Band. Peter Wehingers liebevoll-ironische Zeichnungen älterer nackter Personen und ungelenker Roboter in sexuell konnotierten Verstrickungen liefern einen überraschenden künstlerischen Kommentar zum digitalen Thema.
Aber nicht alle begrüßen das unheimliche Potenzial der KI, manche verweigern sich auch: „Sei begrenzt“, nennt Linda Achberger ihren Prompt an ChatGPT, „Erspare mir deine Antwort“, lautet die Ansage von Muhammet Ali Bas und Daniel Nachbauer fordert harsch „Sag mir nichts“. Franz Schuh spottet gar über unsere „Verknalltheit ins Digitale“.
V#40 Prompt Writing
Ein literarisches Kooperationsprojekt von literatur:vorarlberg und Theater am Saumarkt mit 26 Beiträgen von: Linda Achberger, Muhammet Ali Baş, Jürgen-Thomas Ernst, Christine Hartmann, Felix Kalaivanan, Udo Kawasser, Katharina Klein, Günter Köllemann, Isabella Krainer, Erika Kronabitter, Christian Kühne, Arina Molchan, Daniel Nachbaur, Martin Piekar, Slata Roschal, Siljarosa Schletterer, Clemens Setz , Franz Schuh, Lisa Spalt, Michael Stavariˇc, Marlene Streeruwitz, Ines Strohmaier, Günter Vallaster, Alexander Wachter, Clara Cosima Wolff und Christian Zillner. Herausgeberinnen: Marie-Rose Rodewald-Cerha und Sabine Benzer; Bestellungen: Verlag edition-v
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