J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Schön und stinkend – Die „Bauernorchidee“ sorgt für gemischte Gefühle

Oktober 2015

Man kann die Pflanze riechen, bevor man sie sieht. Das Drüsige Springkraut stinkt. Als „stark süßlich“ wird der intensive Geruch beschrieben, auch als „süßlich-modrig“ oder als „ein eigenartiges Aroma nach Kokosnuss“. Bei empfindlichen Personen kann er Kopfschmerzen auslösen. Wie auch immer: Ich empfinde den Geruch schlicht als eklig.

Man kann sich diesem „Dufterlebnis“ nicht entziehen, denn es ist unmöglich geworden, beim Spaziergang am Waldrand oder Bach nicht auf diese Pflanze zu stoßen. Impatiens glandulifera (so der wissenschaftliche Name) ist eine der erfolgreichsten invasiven Pflanzen, die sich in den letzten Jahrzehnten in Europa ausgebreitet haben.

Dabei ist es eine durchaus attraktive Pflanze. Die drei bis vier Zentimeter langen Blüten sind purpurrot, rosa oder weiß gefärbt. Sie hängen locker am dünnen Blütenstiel. Ihre Form ist außergewöhnlich und hat der Pflanze den Beinamen „Bauernorchidee“ eingebracht. Die Attraktivität war auch der Grund, warum die ursprünglich im Himalaya beheimatete Pflanze bereits 1839 in England angepflanzt wurde. Von dort gelangten Samen rasch in die Gärten Europas. Dies wäre alles kein Problem, wäre das „Indische Springkraut“ als Zierpflanze in den Gärten geblieben. Doch schon 1854 wurden die ersten verwilderten Exem­plare aus England beschrieben, und 1881 konnte man sie auf der Pfaueninsel bei Berlin in Massen bewundern. Um dieselbe Zeit breitete sie sich in Frankreich und an der Nordseeküste aus. Erste Sichtungen in der Schweiz stammen aus dem Jahr 1904. Rheinabwärts in Baden-Württemberg wurde sie in den 1920er Jahren stellenweise häufig beobachtet. Heute ist sie nahezu auf dem gesamten europäischen Kontinent zu finden. Nicht unwesentlich zur Verbreitung beigetragen haben manche Imker: Das Drüsige Springkraut ist als Nektarspender nicht nur bei Bienen beliebt.

In ihrer ursprünglichen Heimat in Nordpakistan, Kaschmir und Indien wächst die Pflanze bis weit über 3000 Meter in feuchten Nadelwäldern und auf Lichtungen, in Straßengräben und an Ackerrändern. Dort ist sie an Bachläufen selten, und an Flüssen ist das Drüsige Springkraut im Himalaya noch nicht beobachtet worden. In Europa liebt es feuchte bis nasse, nährstoffreiche Böden an eher schattigen Standorten mit hoher Luftfeuchtigkeit. Damit wird die Pflanze typischerweise an Uferböschungen und Grabenrändern, in lichten bis halbschattigen Auwäldern sowie an Waldrändern und -lichtungen angetroffen. Auch auf Deponien kommt sie vor. Ihre Ausbreitung in noch nicht besiedelte Räume hält weiterhin an, und in den Alpen hat sie ihre Höhengrenze bei Weitem noch nicht erreicht.

Das Drüsige Springkraut ist eine einjährige Pflanze. Ihre Verbreitung erfolgt über Samen, von denen jede Pflanze zwischen 2000 und 4000 Stück produzieren kann. In Reinbeständen sind 32.000 Samen pro Quadratmeter keine Seltenheit. Bis zu sieben Meter weit werden sie bereits bei leichter Berührung, manchmal sogar bei Erschütterung aus der reifen Kapsel ausgeschleudert. Sie keimen im kommenden Frühjahr, bleiben aber über mehrere Jahre hinweg keimfähig. Fließendes Wasser sorgt für die Fernausbreitung über weite Distanzen, sei es am Grund mit dem Sediment, sei es schwimmend bei getrockneten Samen. Abseits der Bäche wird die Pflanze mit kontaminiertem Erdreich verbreitet. Die Samen keimen relativ spät im Jahr. Etwa 13 Wochen vergehen zwischen Keimung und Blüte. Die Blütezeit hält rund zwölf Wochen an.

Wo das Drüsige Springkraut auftritt, finden wir es in Massen. Dennoch gehen die Meinungen über seine Gefährlichkeit auseinander. Die Pflanze wächst schnell, und ihre auffälligen Bestände entwickeln sich erst im Hochsommer. Damit können andere Pflanzen bis zum Frühsommer relativ ungestört wachsen und zum Teil auch zur Blüte kommen, bevor sie überwuchert werden. Danach aber lässt die Beschattung keinen anderen Bewuchs mehr zu. Viele Tiere mögen das Springkraut. Es produziert reichlich Nektar und ist für Blütenbesucher hoch attraktiv. Bienen und Hummeln zählen zu seinen häufigsten Gästen. Doch durch die Konkurrenz werden andere Pflanzenarten weniger bestäubt. Auf der nächsten Stufe der Nahrungskette beherbergt Impatiens glandulifera mehr Arten an Blattlausfressern als das einheimische Große Springkraut (Impatiens noli-tangere).

Im Vergleich zu anderen Neophyten erscheint die Art eher harmlos. Die einjährige Pflanze bildet keine festen Wurzelgeflechte. Festigkeit und Form des hohlen Stammes hängen vom Saftdruck der Pflanzenzellen ab: An heißen Tagen sind die Verdunstungsverluste bei direkter Sonneneinstrahlung mitunter so hoch, dass sie nicht mehr durch Wasseraufnahme aus dem Boden ausgeglichen werden können. Erst der Abend vermindert den Hitzestress. Kälte verträgt sie nicht. Spätfröste im Frühjahr können die Keimlinge töten. Im Herbst stirbt die Pflanze beim ersten längeren Frost.

Während Gärtner und Imker das Drüsige Springkraut gelegentlich weiterhin als Zierpflanze und Bienenweide propagieren, ist es in der Schweiz in der „Freisetzungsverordnung“ unter „Verbotene invasive gebietsfremde Organismen“ gelistet. Vorarlberg ruft zur Bekämpfung auf. Details dazu finden sich auf dem Merkblatt:
www.inatura.at/fileadmin/user_upload/Fotos_Inatura/wissen/Merkblaetter_2014/Merkblatt_Druesiges_Springkraut.pdf

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