Simon Groß

Vorarlberger Gemeindeverband

Über eine lärmende nicht „bekömmliche“ Delikatesse

September 2020

Rund 90 Dezibel bringt der Seefrosch mit seinem unverkennbaren Paarungsruf zusammen. Er vermehrt sich so stark, dass er andere Arten verdrängt und damit das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringt. Für seine anscheinend so köstlichen Schenkel kann der Frosch selbst allerdings nichts.

Das überaus zarte Wadenfleisch der Frösche schmeckt beinahe wie das von jungen Hühnern. Es ist zwar etwas fetter und weichlicher, doch ist dies mehr angenehm als widrig“, heißt es im Kochbuch „Verschwundene und seltene Gäste der Speisekarte“. Tatsächlich ist einiges aus der österreichischen Kulinarik verschwunden, sagt der Vorarl­berger Koch Mike Pansi, unter anderem Präsident des Verbands der Köche Österreichs: „Gerade Innereien und unedle Teile waren eine Zeit lang sehr verpönt oder ‚zu old school‘ in der Kulinarik. Dazu zählen nicht nur der Frosch, sondern auch Weinbergschnecken. Interessanterweise erlebt das Ganze aktuell aber eine Art Renaissance“, erklärt Pansi. Immerhin über eine Milliarde Tiere landen jährlich weltweit auf Tellern.

Auch in Vorarlberg gelandet

Zum ersten Mal wurde der Seefrosch in Vorarlberg 1982 durch Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums nachgewiesen. Vermutlich setzte die Expansion des Seefroschs aber schon in den frühen 1970er-Jahren ein. Eine der Theorien zur explosionsartigen Ausbreitung lautet: Import. „Offensichtlich sind in der Umgebung ein paar lebende Frösche ausgebüchst“, sagt Biologe Markus Grabher. „Ich kenne aber auch konkrete Fälle, in denen die Leute irgendeine Art irgendwoher mitgebracht und im Gartenteich dann auch ausgesetzt haben. Gut möglich, dass da Seefrösche dabei waren.“ Insofern könnte auch diese zweite Theorie mitverantwortlich dafür sein, dass es sich der quakende Plagegeist hier gemütlich gemacht hat.

Viel Butter, Knoblauch und Petersilie

„Tatsächlich bekommt man Frosch heute als Importware, da Lebendfang verboten ist und die meisten Frösche auf Listen stehen“, sagt Pansi, der am Wiener Naschmarkt bereits Frösche für den Kochtopf entdeckt hat. Allerdings sei dieses kulinarische Erlebnis mit Vorsicht zu genießen, denn oft kommen die Tiere aus asiatischen Zuchtfarmen mit fragwürdigen Bedingungen. „Nur weil man etwas Essen kann und es vielleicht auch gut schmeckt, muss es dann auf die Speisekarte? Klar, die Zubereitung ist ja schon etwas Besonderes, weil es auch viele Varianten gibt. Die Klassische: Die abgezogenen Hinterläufe der Frösche – und in der Regel nur die – werden gewürzt, in Mehl gewendet und in Butter gebraten, dann kommt nochmals viel Butter, Knoblauch und Petersilie dazu. Oder: Reichlich Öl, frischer Koriander, Knoblauch, Sesam, etwas Säure. Frosch kannst du auch in einer Sahnesauce servieren, es gibt sogar eine gefüllte Variante mit Petersiliencreme“, berichtet der Kulinariker. Man merkt, als Koch und Gastronom ist Pansi zwar voll und ganz für den Genuss, das Vergnügen und kulinarische Highlights. „Ich habe aber gleichzeitig – begleitet vom wachsenden Bewusstsein der Gesellschaft um das Tierwohl – auch eine sehr große Verantwortung. Wenn Arten beispielsweise vor dem Aussterben stehen oder wenn die Zügellosigkeit überhandnimmt, dann werden Grenzen überschritten, was nicht sein soll. Man kann vieles essen, muss aber nicht alles um jeden Preis verschlingen.“
Apropos Verschlingen: Genau das macht der Seefrosch und ist dabei nicht gerade wählerisch, was sein Aussterbe-Risiko ziemlich gering hält. Der Seefrosch kommt inzwischen am Bodensee, im Rheintal und im Walgau vor, „umso näher am Fürstentum Liechtenstein, desto mehr Seefrösche lassen sich finden“, sagt Grabher: „Er ist groß. Er frisst alles, was er schlucken kann, auch andere Froscharten. Da kann man sich eine Reihe von Fotos ansehen, wie der Seefrosch andere Frösche oder sogar Fische verschlingt. Wenn er etwas nicht schlucken kann, dann ragen eben tageweise auch mal ein paar andere Hinterläufe oder eine Flosse aus dem Maul“, berichtet Markus Grabher vom selbst Gesehenen. Aber auch durch seine Fortpflanzung verdrängt der Seefrosch andere Arten. „Sprich: Der Seefrosch kann sich mit anderen Wasserfröschen paaren und bringt deren kompliziertes Vererbungssystem, die sogenannte Hybridogenese, durcheinander. Dadurch setzen sich schließlich nur die Gene des Seefrosches durch, erklärt der Leiter des renommierten „Umweltbüro Grabher“ diese genetische Verdrängung.

Nichts zu lachen

Den Seefrosch erkennt man vor allem an seinem charakteristischen Ruf, nicht unbedingt an seiner imposanten Erscheinung: „Er kann zwar bis zu 14 Centimeter groß werden, aber der Paarungsruf ist einfach eindeutig, da gibt es keinen Zweifel. Den lateinischen Zusatz zur Artbezeichnung „ridibundus“ kommt nicht von ungefähr: Er ist ja als ‚lachender Frosch‘ bekannt. Und dieses ‚Keck-Keck‘, das sich wie Lachen anhört, ist auch genau jener Ruf, der bis zu 90 Dezibel laut sein kann. Da hört man dann von den Leuten völlig zu Recht, dass sie keine Nacht mehr schlafen können.“ – und demnach selbst nichts mehr zu lachen haben.

Mike P. Pansi

40, vom Kochlehrling zum Dipl. Küchenmeister und Unternehmer. Der Kulinariker, der gerne mit einer Prise Verrücktheit würzt, eröffnete das erste „Chefs Table“-Restaurant in Vorarlberg, betreibt ein Foodtruck-Catering und ist zudem Präsident des Verbands der Köche Österreichs, Präsident des europäischen Fachverbands Koch G5 und seit Kurzem Fachgruppenobmann Gastronomie in der Sparte Tourismus.

Markus Grabher

60, Biologe und Leiter des renommierten Umweltbüros Grabher UMG, das an zahlreichen und vielfältigen Projekten vor allem im Bereich der Ökologie, Arten- und Naturschutz, Vegetationskunde und Renaturierung und Zoologie arbeitet. Grabher hat noch nie Frosch gegessen, „auch nicht in Frankreich!“ – und das bleibt auch so.

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