Sabine Barbisch

Von jugendlichen Rauchern. Oder: Die Norm sind die Anderen.

März 2015

Österreich belegt einen traurigen Spitzenplatz, wenn es um die Zahl der jugendlichen Raucher geht. Das hat einerseits mit dem positiven Image zu tun: Das Ziehen an einer Zigarette wird noch immer mit Attributen wie cool und erwachsen assoziiert. Zum anderen „liegt es am fehlenden Gesundheitsbewusstsein“, wie Dr. Klaus Vavrik, Kinderarzt und Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, erklärt.

Das Ergebnis einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt es schwarz auf weiß: Mit etwa einem Viertel der Jugendlichen, die zumindest einmal pro Woche zur Zigarette greifen, belegen wir den negativen ersten Platz, was die Raucherrate von 15-Jährigen betrifft. Kinderarzt Vavrik berichtet, dass es speziell in diesem Alter auch große geschlechtsspezifische Unterschiede gibt: „30 Prozent der 15-jährigen Mädchen rauchen, bei den Burschen sind es 24 Prozent.“ Dieser Unterschied gleicht sich mit zunehmendem Alter wieder aus. Das Motiv des Rauchens als Stressentlastung gilt hingegen über Alters- und Geschlechtsunterschiede hinweg. „Die Studie zeigt eine starke Parallele zwischen Schulklima und Raucherrate: Wenn Lehrer die Schüler unterstützen, das Schulklima positiv ist und sich schulische Erfolge einstellen, sind die Raucherraten niedriger als dort, wo mehr Belastung herrscht“, zitiert Vavrik aus der Untersuchung, die in allen EU-Ländern durchgeführt wurde.

Für den Psychologen Martin Onder werden diese Fakten zu Gesichtern. Er koordiniert das Tabakpräventionsprogramm „Niko-Teen“ der SUPRO Werkstatt für Suchtprophylaxe in Vorarlberg und leitet Gruppenkurse für veränderungsbereite Jugendliche. Sein potenzielles Klientel ist breit aufgestellt: 90 Prozent der Raucher beginnen schon vor ihrem 19. Geburtstag zu rauchen. Das Suchtverhalten wird neben einer erhöhten Stressbelastung auch durch die Vorbildwirkung des Umfelds, Gruppendruck oder Experimentierlust beeinflusst. Dass Letzteres – kombiniert mit einem gesunden Selbstwertgefühl – nicht unbedingt zu einer Sucht führt, bestätigen beide Experten: Vor allem Jugendliche, die sich mit dem Selbstbewusstsein schwertun oder die Suchtmittel als Mutmacher oder Tröster sehen, sind besonders gefährdet, chronische Raucher zu werden.

Raucher sind trotzdem nicht die Norm

„Für jugendliche Raucher stehen so­ziale Aspekte im Vordergrund, körperliche Beschwerden spüren sie, im Gegensatz zu erwachsenen Rauchern, kaum“, erklärt Onder die Herausforderung, Jugendliche von einem nikotinfreien Leben zu überzeugen. Im Rahmen eines Mitmach-Parcours, der die erste Stufe des Tabakpräventionsprogramms „Niko-Teen“ bildet, werden teilnehmende Schüler und Lehrlinge zwischen 14 und 18 Jahren interaktiv über die gesundheitlichen Folgen des Nikotinkonsums, über die Kosten der Sucht und die Inhaltsstoffe einer Zigarette informiert – und wie sich der Geschmackssinn durch das Rauchen verändert. „Ein Großteil der Jugendlichen ist überzeugt, dass ‚alle‘ rauchen. Das liegt auch daran, dass Raucher mit ihren qualmenden Stängeln einfach mehr auffallen als Nichtraucher. Wir rufen hier ins Bewusstsein, dass die Mehrheit (etwa 75 Prozent) ihrer Alterskollegen Nichtraucher und damit die Norm sind“, stellt der Psychologe klar. In einem zweiten Modul geht es um die Reflexion mit den Jugendlichen, aber auch um die Fortbildung von Multiplikatoren und Elternvorträge. Dabei werden Konsummuster und Motive beleuchtet, außerdem wird Hintergrundwissen vermittelt. Raucher werden motiviert, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen. Für veränderungswillige Jugendliche bietet die SUPRO dann noch eine dritte Stufe an. In den „Free Your Mind“-Gruppenkursen entwickeln die Jugendlichen einen konkreten Plan, wie sie ihren Zigarettenverbrauch langfristig reduzieren oder ganz mit dem Rauchen aufhören können. Erste Ergebnisse sind vielversprechend: Ein Drittel der Teilnehmer hat mit dem Rauchen aufgehört, ein Drittel raucht weniger, nur das letzte Drittel hat vorerst nichts am eigenen Verhalten geändert.

Vavrik, der sich als Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit für klare Rauchverbote engagiert, definiert die Ursache für hohe Raucherraten: „Wir tun grundsätzlich zu wenig für das Gesundheitsbewusstsein. In Österreich werden nur 2,5 Prozent der Gesundheitsausgaben für die Gesundheitsförderung ausgegeben, international liegt der Wert bei sechs Prozent. Hier besteht ein großer Aufholbedarf.“ Vavrik hat verschiedene Ansätze zur Lösung der Problematik parat: „Jugendliche Raucher bringen durch die Tabaksteuer rund 80 Millionen Euro ins Budget ein. Wenn man diese Steuern zweckgebunden für Präventionsarbeit ausgeben würde, hätten wir genügend Mittel für sinnvolle Maßnahmen zur Verfügung.“

Gesundheitsbewusstsein

Zielgruppenspezifische Anti-Raucher-Kampagnen hält er dagegen für wenig zielführend: „Es geht um ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein. Man kann die Verantwortung für einen gesunden Lebensstil nicht an einer Zielgruppe festmachen. Dort, wo Rauchen nicht mehr schick ist und nicht mehr als Stress­entlastung gebraucht wird, dort rauchen auch weniger Jugendliche.“ Außerdem plädiert Vavrik für eine grundsätzliche Forcierung der Gesundheitsförderung in Österreich und kommt damit auf sein Eingangsstatement zurück: „Das Gesundheitsbewusstsein in Österreich ist leider nicht sehr stark ausgeprägt.“

Kommentare

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Leider wurde es damals bei Gastronomie-Regelung verpasst ein striktes generelles Rauchverbot einzuführen. Ich glaube das wäre einfacher und gerechter gewesen und das ganze gschissti-gschassti mit den Lokal-Umbauten, Verkleinerungen, Sonderregelungen etc. hätte sich erübrigt. DAS wäre ein klares Signal für das Nichtrauchen gewesen. Leider wurde der "österreichische Kompromiss" umgesetzt, bei dem man erst allen Beteiligten entgegenkommt und dann eine kompliziertere, teurere Lösung hat die weniger (gesundheitlich) bringt und dafür mehr kostet (auch den Gastronomen). Ein paar Jahre später werden wieder die gleichen Themen ausdiskutiert.