J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Wer Singvögel füttert …

Dezember 2015

Wie kalt und schneereich der Winter auch sein mag – ein Futterhäuschen mit einer zwitschernden Vogelschar gehört für viele ebenso zur kalten Jahreszeit wie Glühwein und Weihnachtskekse.

Die gefiederten Nachfahren der Saurier haben den Menschen seit jeher fasziniert: Erst in jüngster Vergangenheit ist es uns gelungen, uns auch in der Luft fortzubewegen. Doch wir sind abhängig von Tragflächen und Treibstoff. Wie viel unabhängiger, wie viel freier ist ein Vogel, der rasch und wendig im Luftraum keine Grenzen kennt! Wir beneiden ihn. Wir beneiden ihn auch um sein buntes Gefieder, das so viel prachtvoller ist als unsere merkwürdigen Haare. Wie gern schmückt sich der Mensch mit fremden Federn. Und dann ist da noch der Gesang der Vögel. Wir empfinden ihn als angenehm, interpretieren Inhalte hinein, die gar nicht vorhanden sind, und würden dann zu gerne wissen, was sich die Tiere – über die Partnersuche hinaus – gegenseitig erzählen.

Singvögel wecken unseren Beschützerinstinkt. Sie sind klein, wirken flauschig-kuschelig und verletzlich. Gerne würden wir einem aufgeplusterten „Federball“ helfen. Leicht wird vergessen, dass gerade die Luft zwischen den Federn einen guten Schutz vor der Kälte bietet. Und ist so ein Vogel im Winter nicht hungrig? Insekten sind keine da, Samen, Körner und Beeren unter dem Schnee verborgen. Brauchen die Tiere Ersatzfutter? Wer diese Frage verneint, zieht sich rasch den Unwillen der Vogelliebhaber zu.

Und doch sind die Vögel im Winter keineswegs auf die Hilfe des Menschen angewiesen. Natürlich hat der Mensch viele Lebensräume zerstört, und er entzieht mit der Vernichtung von vermeintlichem Unkraut nicht wenigen Tieren die Nahrung. Doch die Vögel, die bei uns überwintern, sind sehr gut an die kalte Jahreszeit angepasst. Sie finden – speziell in einem milden, schneearmen Winter – auch ohne menschliches Zutun genügend zu fressen, um die Zeit bis zur neuen Wärme des Frühlings zu überdauern. Wer dennoch füttert, merkt bald: Nur wenige, immer dieselben Vogelarten stellen sich am Futterhäuschen ein. Das Spektrum der Vögel, die sich so fördern lassen, ist beschränkt. Nur ausgewählten Arten mit stabilen Populationen wird ein leicht verdientes Zubrot geboten. Auch auf die Häufigkeit der einzelnen Vogelarten hat die Winterfütterung keinen wesentlichen Einfluss. Diejenigen Arten, die Unterstützung bräuchten, kommen hingegen kaum zur Futterstelle.

Es schadet den Vögeln nicht, wenn sie mit Maß und Ziel richtig gefüttert werden, ohne dass damit die selbstständige Suche nach geeigneter Nahrung ersetzt wird. Die Fütterung ist besonders dann angebracht, wenn eine ganz oder nahezu geschlossene Schneedecke, Vereisungen oder ein dauerhaft gefrorener Boden die Nahrungssuche erschweren. Dies trägt zwar nicht zum Schutz bedrohter Vogelarten bei, doch das bunte Treiben am Futterhaus erfreut den Naturliebhaber. Vielleicht beruhigt es auch das schlechte Gewissen durch den Versuch, den Tieren an der Futterstelle zurückzugeben, was ihnen am totgemähten Rasen, am gestutzten Strauch entzogen wurde. Und nicht zuletzt wollen Kinder wissen, wer sich denn da aller vor dem Fenster versammelt hat.

Am Futterplatz treffen sich Vögel in großer Zahl. Kranke Tiere sind die Ausnahme, können aber den anderen gefiederten Gästen leicht zum Verhängnis werden. Krankheitserreger wie Salmonellen oder Trichomonaden werden durch Kot übertragen, und den hinterlassen die Tiere auch am Futterplatz reichlich. Verschmutztes Futter bildet den idealen Nährboden für die Verbreitung der Krankheiten. Eine Infektion mit Salmonellen verläuft für die Vögel meist, mit Trichomonaden fast immer tödlich. Und nicht zuletzt sind manche Salmonellen-Stämme auch auf Katze und Mensch übertragbar.

Wer Singvögel füttert, füttert auch Katzen, Mäuse und Greifvögel. Mag die Hauskatze auch noch so mit Dosennahrung vollgefressen sein – ihren Jagdtrieb legt sie deswegen nicht ab. Als „Raubtier“ ist sie stets darauf vorbereitet, einen Leckerbissen zu erlegen. Leiseste Geräusche machen sie auf die potenzielle Beute aufmerksam, schnelle Bewegungen kleiner Tiere lösen spontane Tötungsabsichten aus. Findet sie nahe dem Futterhäuschen auch noch gute Versteckmöglichkeiten, wird dieses rasch zum Katzenrestaurant. Vögel wie Amsel, Buchfink und Rotkehlchen, die sich gerne am Boden aufhalten, sind am meisten gefährdet. Sich angesichts des im Überfluss dargebotenen Futters in Sicherheit wiegend, hüpfen sie der unbeweglich lauernden Katze fast vor die Pfoten. Aber auch Spatzen und Meisen gehören zum Beutespektrum.

In kalten, schneereichen Wintern treibt es gelegentlich auch einen Sperber zum Futterplatz. Ihm sind Körner und Meisenknödel egal, und doch hofft er, dort Nahrung zu finden. Mit gemischten Gefühlen betrachtet es der Vogelfreund, wenn ein Sperber seine geliebten Singvögel schlägt. Doch meist sind es geschwächte oder kranke Tiere, die ihm zum Opfer fallen. So grausam dies auch aussieht, so trägt es doch dazu bei, das Vogelvolk gesund zu erhalten. Mäuse wiederum profitieren auf andere Art. Es lässt sich kaum vermeiden, dass Vogelfutter auf den Boden fällt. Wird es nicht entfernt, dient es den possierlichen Nagern als Festmahl. Sobald sich die Vogelschar verzogen hat, besucht die Maus den gedeckten Tisch – zumindest solange die Katze nicht auf sie aufmerksam wird.

Tipps für die Winterfütterung finden sich im Internet zuhauf. Einen Leitfaden, sich in dem Wirrwarr zurechtzufinden, bietet das Merkblatt der inatura:
www.inatura.at/fileadmin/user_upload/Fotos_Inatura/wissen/Merkblaetter_neu/Voegel_imWinter_11_2013_V1.pdf

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