Thomas Planinger

Thomas Planinger (29), geboren und aufgewachsen in Dornbirn, ist seit seinem 15. Lebensjahr Wikipedia-Autor, mittlerweile Administrator der Wikipedia und Vorstandsmitglied von Wikimedia Österreich.

Wie Vorarlberg in der größten Enzyklopädie der Menschheitsgeschichte vertreten ist

Dezember 2019

Wenn Montagabends in einer bekannten Quizshow im österreichischen Rundfunk der Moderator die Frage stellt, wer der erste Mensch war, der den Nanga Parbat bestiegen hat, kommen in aller Regel Quizkandidaten ins Schwitzen und Fernsehzuschauer zum Grübeln. Natürlich – in der heutigen Zeit reicht eine einfache Eingabe in einer beliebigen Online-Suchmaschine, um die richtige Antwort zu erfahren (und das sogenannte „Second Screen“-Phänomen kommt dabei deutlich zum Tragen). Noch vor einigen Jahren war diese Informationsgewinnung allerdings deutlich komplexer: Enzyklopädien wie der Brockhaus mussten zu Rate gezogen werden, stets unter Berücksichtigung des Erscheinungsdatums des entsprechenden Bandes und im Bewusstsein darüber, dass die dort aufgeführten Informationen zwischenzeitlich möglicherweise bereits veraltet sein könnten.
Die Informationsgesellschaft der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts kennt aber keine größere Häresie als den Umgang mit veralteten Daten und Informationen. Aus diesem Grund war der Weg zu einer universellen, beliebig großen und vor allem für jedermann frei zugänglichen Enzyklopädie, die theoretisch niemals veralten kann, da sie ständig erweitert und aktualisiert wird, ein logischer Schritt zu Beginn des 21. Jahrhunderts. 2001 war der Beginn des Zeitalters der Wikipedia – der heute größten Enzyklopädie der Menschheitsgeschichte. Doch auch die Wikipedia mit ihren weltweit mehr als 49,3 Millionen Artikeln in über 300 Sprachen kann mit der zunehmenden Geschwindigkeit, mit der sich heutzutage Sachverhalte ändern und Wissen neu geschaffen wird, nur mühevoll Schritt halten.

Aktuell 4627 Vorarlberg-Artikel

Die deutschsprachige Wikipedia ist (abgesehen von einigen eher exotischen Ausreißern, die automatisch generierte Artikel zulassen) die zweitgrößte Sprachausgabe der Wikipedia nach ihrer englischsprachigen Schwester. Auf Deutsch existieren so derzeit mehr als 2,3 Millionen Artikel zu den unterschiedlichst­en Themengebieten. Artikel mit Bezug zu Vorarlberg gibt es aktuell 4627 an der Zahl – von A wie „Abtei Maria­stern-Gwiggen“ bis Z wie „Zwergenklau im Vorarlberger Wahlkampf“ (Ja, dieser Artikel existiert wirklich.) Daneben kann die Wikipedia aktuell auf einen Bestand von mehr als 32.000 freien Fotos, Videos und Grafiken zum Themenkreis Vorarlberg zurückgreifen – angefangen etwa bei Fotografien nahezu aller denkmalgeschützter Gebäude in Vorarlberg über Portraitfotos der Landtagsabgeordneten, über diverse Grafiken und Karten bis hin zu wunderschönen Panoramaaufnahmen. Zu jeder Vorarlberger Gemeinde existiert eine eigene Kategorie mit oft hunderten von Bildern im zentralen Bild- und Medienarchiv der Wikipedia, Wikimedia Commons. Insgesamt verfügt Wikimedia Commons über einen Bestand von mehr als 56 Millionen Bild- und Mediendateien, die von jedermann frei genutzt werden können (oft unter der einzigen Bedingung, dass der Bildurheber genannt wird). Täglich kommen tausende neue Bilder dazu, die von freiwilligen Fotografen, Grafikern und Videographen weltweit erstellt und der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Populäre Themen

Nur teilweise zu überraschen weiß die Auflistung, die zeigt, welche Artikel über Vorarlberg besonders häufig aufgerufen werden: Traditionellerweise führen die Artikel über den Rhein und den Bodensee mit durchschnittlich mehr als 1800 beziehungsweise 1600 Aufrufen pro Tag die Rangliste der meistgelesenen Artikel mit Vor­arlbergbezug an. Auf den darauffolgenden Plätzen finden sich in erster Linie ebenfalls geografische Artikel, etwa jener zum Bundesland selbst, zur Landeshauptstadt Bregenz sowie zur Tourismusdestination Kleinwalsertal. Meistgelesener Artikel ohne geografischen Bezug im September 2019 war aus naheliegenden Gründen der Artikel zur Landtagswahl in Vorarlberg 2019, die am häufigsten aufgerufene Biographie zu einem Vorarlberger war jene des Fußball-Trainers Adi Hütter. Natürlich unterliegen diese Zugriffszahlen regelmäßig starken Schwankungen, abhängig von der medialen Aufmerksamkeit, die ein Thema gerade erfährt – in diesem Sinne lassen sich die Wikipedia-Zugriffszahlen aber auch als Gradmesser für die Popularität eines Themas zu jedem beliebigen (auch historischen) Zeitpunkt verwenden.
Die bunte Vielfalt an Artikeln stellt die Wikipedia-Autorinnen und -Autoren, die sich selbst als „Wikipedianer“ bezeichnen, regelmäßig vor Probleme. Das bereits angesprochene Aktualitäts-Problem ist momentan wohl eines der virulentesten davon, wobei dieses in einer der zentralen Problematiken der Wikipedia des Jahres 2019 resultiert: Einer stetig steigenden Zahl an Artikeln und Artikelbearbeitungen steht eine leicht, aber kontinuierlich sinkende Zahl an regelmäßig aktiven Autorinnen und Autoren gegenüber. In ganz Österreich dürfte es etwa nicht mehr als 50 Wikipedianer geben, die regelmäßig, also mehrmals wöchentlich, geschweige denn täglich, Bearbeitungen in der Wikipedia vornehmen. Für Vorarlberg beträgt ihre Anzahl nicht mehr als zehn. In anderen Bundesländern gibt es oft überhaupt nur einen oder zwei Wikipedianer, die sich um die Themen des gesamten Bundeslands kümmern. Aus diesem Grund ist die Wikipedia mehr denn je auf die Gewinnung neuer Autoren angewiesen. Das Bearbeiten von Wikipedia-Artikeln ist überhaupt nicht schwer – nahezu jeder Artikel kann mit einem einfachen Klicken auf „Bearbeiten“ oben rechts sofort im Bearbeitungsmodus in Angriff genommen werden. Dazu braucht man noch nicht einmal ein Benutzerkonto. Fehler, Ungenauigkeiten oder veraltete Informationen in Wikipedia-Artikeln können also jederzeit von jedermann korrigiert werden – und gerade darauf, dass das auch Nicht-Wikipedianer tun, wird die Wikipedia in höchstem Maße in Zukunft angewiesen sein.

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