Martin Rümmele

* 1970 in Hohenems, ist mehrfach ausgezeichneter Gesundheitsbereich- und Wirtschaftsjournalist und Verleger. Er lebt und arbeitet in Wien und Kärnten und ist Autor mehrere kritischer Gesundheitsbücher unter anderem „Zukunft Gesundheit“, „Medizin vom Fließband“ und „Wir denken Gesundheit neu“. 

Der Vergleich, der unsicher macht

Februar 2023

Der Gesundheitsbereich wird ein zentrales Element der Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sein. Es geht um Milliardenbeträge, die neu verteilt werden. Die Datenlage ist mehr als dürftig. Jetzt zeigt ein neuer Bericht deutliche Unterschiede im Gesundheitswesen zwischen den Ländern.

Der Name ist mehr als sperrig und nur für Insider ein Begriff: „Monitoring nach Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG Zielsteuerung-Gesundheit und Zielsteuerungsvertrag“. Wer diesen Monitoringbericht finden will, sucht nicht etwa im Gesundheitsministerium, sondern in den Berichten an den Nationalrat. So komplex das Ganze klingt, soviel Sprengstoff birgt es. Denn der Monitoringbericht schlüsselt penibel auf, welche Unterschiede es im heimischen Gesundheitswesen zwischen den Bundesländern gibt. Und die sind zum Teil gewaltig.
Basis ist die undurchsichtige Finanzierungsstruktur im Gesundheitswesen. Wer etwa glaubt, dass das System über das Gesundheitsministerium gesteuert wird, der irrt. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat eigentlich fast gar nichts mitzureden. Von den knapp 52,1 Milliarden Euro im Jahr 2021, die in Österreich für die Gesundheitsversorgung ausgegeben wurden, entfielen etwa 21,6 Milliarden auf die Krankenversicherungen, 10,5 Milliarden zahlten die Menschen aus der eigenen Tasche über Selbstbehalte oder Eigenleistungen, knapp zwei Milliarden das Gesundheitsministerium und der Rest, etwa 18 Milliarden entfiel auf Länder und Gemeinden.
Diese Gelder fließen allerdings nicht in einen gemeinsamen Topf, sondern werden über komplexe Finanzierungsströme verteilt. Zentral ist, dass Länder und Gemeinden die Spitäler und die Kassen den niedergelassenen Bereich finanzieren. Die Kassen überweisen gleichzeitig einen Teil ihrer Einnahmen – konkret 5,9 Milliarden – in einen Topf zur Spitalsfinanzierung an die Länder.
Die Folge sind „Verschiebebahnhöfe“ von Patienten. Die Länder haben ein Interesse, dass Menschen nicht in den Spitälern, sondern im niedergelassenen Bereich behandelt werden. Dann kostet es sie nichts. Ein Beispiel sind etwa Operationsfreigaben, wo Patienten vom Spital zum niedergelassenen Internisten oder Radiologen geschickt werden. Die Kassen wiederum haben ein Interesse, dass möglichst viele Leistungen in den Spitälern erbracht werden.
Um das Problem zu durchbrechen, wurde im letzten Finanzausgleich eine Zielsteuerungskommission eingerichtet. Länder und Gemeinden definieren gemeinsame Versorgungsziele und dotieren einen gemeinsamen (kleinen) Topf aus dem die Erreichung dieser Ziele finanziert werden soll. Um die Erreichung der Ziele zu kontrollieren, gibt es den jährlichen Monitoringbericht. Erstmals wird damit im Gesundheitswesen das getan, was in Unternehmen üblich ist: Man definiert Ziele und prüft später, ob sie erreicht worden sind.
Ein Beispiel dafür sind die neuen Primärversorgungseinheiten (PVE), die die Versorgung dadurch verbessern sollen, dass mehrere Hausärzte in einem Zentrum oder Netzwerk gemeinsam zusammenarbeiten und so längere Öffnungszeiten und mehr Leistungen anbieten. Bis 2023 sollte es 75 derartiger Einheiten geben, 200 Millionen Euro wurden für die Gründungen reserviert. In Vorarlberg waren drei geplant. Bundesweit gab es Ende 2021 aber erst 29 solcher PVE – in Vorarlberg gar keines. Aktuell sind es 54 PVE – in Vorarlberg Null. Damit liegt man auf dem Niveau von Tirol. Auch dort wurde das Ziel von sechs PVE mit aktuell Null verfehlt.
In den Stellungnahmen der Bundesländer zum Bericht rechtfertigt sich das Land Vorarlberg in Sachen PVE damit, dass man zumindest zwei PVE plane – eines im Bereich Rheintal-Bregenzerwald, eines im Bereich Vorarlberg-Süd. Bis Sommer 2022 wollen Land und ÖGK noch offenen Finanzierungsfrage für nichtärztliche Leistungen klären. Das war zumindest der Plan am 30.5.2022. Seither hält man weiterhin bei Null. Die ÖGK weist darauf hin, dass dies nicht schuld von Land oder Kasse ist, sondern vor allem die Ärztekammer bremse. „Die ÖGK hat keine Möglichkeit, eine Kassen-Planstelle ohne Zustimmung der Ärztekammer auszuschreiben. Auch bei den Primärversorgungszentren kann ohne Zustimmung der Ärztekammer nicht ausgeschrieben werden. Dieses Vetorecht wird durch die Ärztekammer regelmäßig genutzt“, kritisiert ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss. Auf österreichischer Ebene werde zudem der Ausbau der Primärversorgungseinheiten verzögert.
Unterschiede gibt es aber auch in der Versorgung der Menschen. So zeigt sich etwa, dass das Burgenland mit 90,3 die meisten niedergelassenen Ärzte pro 100.000 Einwohner hat, während Oberösterreich mit 70,4 deutlich darunter liegt. Vorarl­berg liegt im Mittelfeld. Im Spitalsbereich liegt umgekehrt das Burgenland mit 183,1 Ärzten pro 100.000 Einwohner am letzten Platz, während Wien an der Spitze liegt. Das Beispiel zeigt auch, wie manche Bundesländer versuchen, Leistungen vom Spitalsbereich in den niedergelassenen Bereich zu verschieben. Am wenigsten sind die Menschen in Wien im Spital, am meisten in Oberösterreich. Deutliche Unterschiede gibt es auch bei Präventionsthemen wie kariesfreien Kindern oder dem Anteil der Raucherinnen und Raucher. Und all das spiegelt sich letztlich auch in der Lebenserwartung.
Das Problem dabei: einerseits werden viele Parameter nicht zwischen den Bundesländern verglichen und teilweise auch nicht erhoben und andererseits wird auch nicht hinterfragt, warum die Unterschiede etwa im Rauchverhalten oder in der Lebenserwartung da sind. Für die Planung von Gesundheitsleistungen, wäre aber genau das elementar, sind sich Gesundheitsexperten einig.

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