Wer den Kuchen verteilt
Gleich zwei Vorarlberger spielen als Minister eine zentrale Rolle beim Feilschen um den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden: Magnus Brunner und Johannes Rauch. Vor allem im Gesundheitswesen geht es um viel.
Es war Ende 2019, zu Beginn der Regierung von ÖVP und Grünen, da richtete der grüne Landesrat Johannes Rauch seinem Koalitionspartner ÖVP im Land aus, er möge sich angesichts der Bestellung des Vorarlbergers Magnus Brunner zum Staatssekretär im grünen Umweltministerium nicht viel Hoffnung auf Einfluss machen. Landeshauptmann Markus Wallner hatte erklärt, dass mit Brunner „eine starke Stimme Vorarlbergs in der Bundesregierung“ vertreten sein werde. Brunner sei „sicher kein verlängerter Arm des Landeshauptmannes“, ärgerte sich Rauch damals. Verantwortlich sei primär die grüne Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler.
Drei Jahre und eine Pandemie später sitzen sich Rauch und Brunner nun direkt in der Bundesregierung gegenüber: Als Gesundheits- und Sozialminister sowie als Finanzminister. Erstmals gibt es gleich zwei Vorarlberger in der Bundesregierung als Minister. Und sie haben eine Materie zu verhandeln, die wie keine andere die Bundesländer betrifft: den Finanzausgleich. Zu verteilen ist offiziell die Summe von rund 93 Milliarden Euro. Inoffiziell geht es auch um Gelder der Krankenversicherungen für den Gesundheitsbereich. Sowohl Länder als auch Gemeinden haben bereits im Vorfeld ein größeres Stück des Steuerkuchens vom Bund eingefordert. Statt wie bisher rund 20 Prozent, will man künftig zumindest 25 Prozent.
Eigentlich wäre eine neue Aufteilung schon vor zwei Jahren zu verhandeln gewesen. Aufgrund der Corona-Pandemie einigte man sich aber auf eine Verschiebung. Erstmals seit sechs Jahren werden also die Verteilung der Steuern und damit die Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu verhandelt. Und neben Brunner und Rauch spielen zumindest drei weitere Vorarlberger eine wichtige Rolle: Markus Wallner ist Teil des vierköpfigen Verhandlungsteams der Länder zu dem die Landeshauptmänner aus Salzburger und dem Burgenland sowie der Gesundheitsstadtrat von Wien gehören. Indirekt auch involviert: Wirtschaftskammer-Generalssekretär Karl-Heinz Kopf – einst Mentor von Brunner im Wirtschaftsbund – und die grüne Finanzsprecherin im Nationalrat, Nina Tomaselli.
Wer damit glaubt, dass die Verteilung zugunsten der Länder oder gar Vorarlbergs bereits eine ausgemachte Sache ist, wird sich aber täuschen. Denn der Finanzausgleich bietet zumindest nach Ansicht von Rauch die Chance zu tiefgreifenden Reformen im Gesundheitswesen, die in den vergangenen Jahrzehnten vor allem von den Ländern immer wieder verhindert worden sind. Und vor allem: es ist die einzige Chance, dass ein Grüner hier zentral Einfluss nehmen und damit seine Ideen einbringen kann. Brunner hielt sich wiederum bisher eher zurück und zeigte sich zwar aufgeschlossen für die Forderungen der Länder, mahnte im Gegenzug aber mehr Verantwortung von Ländern und Gemeinden ein.
Die Ausgangslage im Gesundheitswesen ist denkbar komplex – denn eigentlich wird nicht nur über Mittel des Bundes, sondern auch über jene der Krankenkassen verhandelt. Das Kuriose dabei: diese sitzen offiziell gar nicht am Verhandlungstisch. Hintergrund ist die Finanzierungsstruktur des Gesundheitswesens: die Länder sind für die Krankenhäuser zuständig, die Krankenkassen für den niedergelassenen Bereich. Für die Spitäler zahlen die Kassen einen an ihre Einnahmen gebundenen, gedeckelten Pauschalbetrag. 52,1 Milliarden Euro wurden 2021 in Österreich für die Gesundheitsversorgung ausgegeben, etwa 21,6 Milliarden davon von den Krankenkassen, 2 Milliarden vom Gesundheitsministerium, 18 Milliarden von den Ländern und Gemeinden und 10,5 Milliarden waren Privatausgaben der Menschen. Rund 5,9 Milliarden ihrer Einnahmen überweisen die Kassen zur Spitalsfinanzierung an die Länder. Geregelt wird das über den Finanzausgleich im Form einer Vereinbarung zum §15a der Bundesverfassung. Und genau hier hätten die Länder gerne mehr vom Kuchen. Dem Finanzminister könnte das nur Recht sein – ist es ja nicht sein Geld, sondern jenes der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern selbstverwalteten Krankenkassen.
Rauch will diesen gordischen Knoten zerschlagen und gibt den Strukturen und „zersplitterten Zuständigkeiten“ die Schuld an „Ineffizienzen“ im Gesundheitssystem und den bestehenden Problemen wie Arbeitskräftemangel in Pflege und Medizin. Die Sozialversicherungen müssten im niedergelassenen Bereich attraktiver werden und zwar über die Ausgestaltung der Tarife, über die Vereinheitlichung der Leistungskataloge oder über die Qualitätssicherung. Die Länder wiederum müssten in den Spitälern Daten vernetzen, Strukturen vereinheitlichen und durch einen gemeinsamen Einkauf etwa im Arzneimittelbereich sparen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass eine Digitalisierung und Vernetzung der Gesundheitsdaten einiges erleichtert hätte – und damit Rauch und seinen grünen Ministervorgängern Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein. Rauch berichtet etwa von telefonischen Abfragen der tagesaktuellen Bettenbelegung in den Spitälern der Bundesländer. Aus nachgelagerten Behörden hört man, dass die aus den Bundesländern gelieferten Daten – etwa über die Aufenthaltsdauer von Patient:innen auf Intensivstationen – zum Teil mehrere Monate alt und auch nicht vergleichbar waren. Auch jetzt bremsen die Länder und wollen statt Reformen mehr Geld für die teuren Krankenhäuser.
Sie könnten dabei durchaus zwischen die Räder von Rauch und Brunner kommen. Denn die beiden haben auf Bundesebene noch andere Baustellen zu bearbeiten und es wäre nicht das erste Mal, wenn dabei unterschiedliche Materien abgetauscht werden. Im Fall von Sozialminister Rauch und Finanzminister Brunner sind die Themen die Inflation aber auch die Forderung von Brunner, Anreize zu schaffen, um das Arbeiten über das gesetzliche Pensionsalter hinaus reizvoller zu machen. Der Finanzminister hat zuletzt vorgeschlagen, Arbeitnehmern nach dem Erreichen des Pensionsantrittsalters die Pensionsversicherungsbeiträge zu erlassen. Das könnte zu Verdrängungseffekten kommen, fürchtet Rauch. Pensionisten könnten nicht-pensionierten Beschäftigten vorgezogen werden, um Lohnnebenkosten zu sparen. Die beiden Vorarlberger haben also in den kommenden Wochen viel Gesprächsbedarf und einiges an Konfliktpotenzial.
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