Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Dieser grüne Moral–populismus!“

September 2021

Journalistin und Bestsellerautorin Nena Schink (29) im Interview über die unkritische Berichterstattung vieler Medien und die offenkundige Harmoniesucht ihrer Generation. Die Deutsche sagt über die Grünen: „Ich verstehe schlichtweg nicht, wie man eine Partei zelebrieren kann, die konträr zur Freiheit steht.“

Frau Schink, salopp gefragt, aber: Ecken Sie gerne an? 
Sehr gerne! Viele Journalisten wollen gemocht werden, ich gehöre nicht dazu. Meine Kommentare polarisieren. Ich werde für meine Meinung angegriffen, das ist in Ordnung für mich. Die Gesellschaft braucht mehr produktiven Streit.

Sie schreiben in Ihrem Buch, es fehle Ihnen an Neinsagern, vor allem in Ihrer Generation …
Man sollte es als Privileg empfinden, anderer Meinung zu sein. Aber eine eigene Meinung zu haben, gilt heute in der jungen Generation als das Schlimmste, was einem passieren kann. Die größte Angst unserer Generation ist das An­ecken. Ich nenne das Harmoniesucht.

Und wie erklären Sie sich diese Harmoniesucht?
Meine Generation hat wohl zu wenig mitgemacht. Ich glaube manchmal, dass wir nie unsere Meinungsfreiheit schätzen lernen mussten und deswegen mit ihr umgehen, als wäre sie ein unwichtiges Accessoire. Dagegen müssen wir ankämpfen.

Sie üben auch harsche Kritik an den Medien, werfen dem Journalismus vor, zu oft zu unkritisch zu sein.
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – aber nicht nur dort – gibt es viel zu wenig kritische Berichterstattung. Das hat auch damit zu tun, dass die Meinungsbreite im Journalismus nicht genug abgedeckt ist.

Wie ist das zu verstehen?
Die meisten Journalisten sind links. Laut einer Studie würden 92,2 Prozent der Volontäre des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks Grüne, SPD oder die Linke wählen. Als ich mit 21 Jahren anfing, im Journalismus zu arbeiten, hat mir ein älterer Kollege gesagt: „Nena, du bist sehr ehrgeizig, aber halte mit deinen konservativen Ansichten hinter dem Berg. Denn Journalismus ist links.“ Das hat mich erschreckt. Es gibt viele laute linke Stimmen. Aber es gibt kaum laute konservative Stimmen. Die journalistische Landschaft muss aber zwingend einen hohen Grad an Meinungspluralismus aufweisen. Die Bevölkerung muss sich im Journalismus doch abgebildet finden und abgeholt sehen. 
Sie ärgert aktuell vor allem der mediale Umgang mit der grünen Spitzenkandidatin, oder?
Gerade der Wahlkampf von Anna- Lena Baerbock hat gezeigt, dass Journalisten vergessen haben, Kritiker zu sein. Stattdessen wurden sie zu Claqueuren. „Spiegel“, „Stern“ und andere haben sie gefeiert, dass man dachte, da ist die neue Königin von Deutschland. Meine Kritik bezieht sich nicht auf die politische Ausrichtung der einzelnen Journalisten. Meine Kritik bezieht sich darauf, dass diese Berichterstattung nichts mehr mit dem journalistischen Kernauftrag zu tun hat. Es hat die notwendige Neutralität gefehlt. Im Journalismus sollte ganz klar gelten: Haltung ja, PR nein. 

Sie schreiben, dass der Journalismus nicht zum Applaudieren da ist.
Eigentlich müssten wir Journalisten die Underdogs sein. Wir dürfen uns nicht mit den Oberen gemein machen, egal, aus welcher Partei sie stammen. Wir Journalisten kommen zum Kritisieren und nicht zum Applaudieren. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren, aber Journalismus ist in großen Teilen zum PR mutiert. Und wenn Journalismus zum reinen PR-Spektakel wird, dann haben wir ein ganz großes Problem, auch mit unserer Demokratie. Journalismus muss kritisch sein und kritisch bleiben.

Diese kritische Berichterstattung hat man in der Pandemie vermisst …
Anstatt kritisch zu berichten, haben viele Journalisten auf dem sozialen Netzwerk Instagram gepostet: #wirbleibenzuhause. Wie Lemminge sind sie der Politik gefolgt, anstatt ihren Job zu machen. Es ist unfassbar, was da passiert ist! Wir werden uns insbesondere bei unseren Kindern einmal dafür entschuldigen müssen, warum der Journalismus versagt hat, warum die Politik versagt hat und warum wir nicht für unsere Grundrechte auf die Straße gegangen sind. Die Grünen wollten übrigens die härtesten Corona-Maßnahmen, haben gleichzeitig aber auch mit erhobenem Zeigefinger gesagt: „Passt auf die Grundrechte auf!“ Das ist die einzige Partei, die es schafft, gegen sich selbst zu demonstrieren.

An den Grünen scheint Sie überhaupt einiges zu stören …
Das größte Glück und der größte Wohlstand, das sagte schon John F. Kennedy, entsteht durch Freiheit. Aber die Grünen sind die Partei der Verbote und Gängelungen. Sie sind die Partei der Bevormundung, der Verbotsfantasien und der moralischen Überheblichkeit. Ich verstehe schlichtweg nicht, wie man eine Partei zelebrieren kann, die konträr zur Freiheit steht. Manchmal kommt es mir vor, als wäre grün zu wählen das neue Beichten. 

Wie bitte?
Früher ging man in die Kirche, um sich von allen Sünden freisprechen zu lassen, heute fährt man im SUV vor dem Wahllokal vor und wählt die Grünen. Wenn man sich auf diese Seite schlägt, scheint einem die moralische Absolution gewiss. Was die Grünen wollen, das hat ja etwas von den zehn Geboten: Du sollst – beispielsweise – kein Fleisch essen, keinen Verbrenner fahren, nicht mit Öl und Gas heizen, nicht in den Urlaub fliegen, kein Eigenheim bauen, als Vermieter nichts verdienen, mehr Steuern zahlen, gendergerecht sprechen. Der Glaube ersetzt die Fakten, das ist Religion. Aber ich will diese Bevormundung nicht. Die Denkweise, der Zeitgeist und das Konsumverhalten von Bevölkerungen sollten sich aus den Menschen heraus formen und nicht von oben diktiert werden. Es ist dieser grüne Moral-Populismus, der mich so sehr stört! 

Ein Deutscher würde an dieser Stelle fragen: Kann Baerbock Kanzlerin?
NEIN! NEIN! Wir reden von einer Frau, die in Teilen ihr Buch abgeschrieben hat und sich nicht dafür entschuldigt, wir reden von einer Frau, die ihren Lebenslauf in Teilen beschönigt hat, aber mit dem moralischen Zeigefinger auf alle anderen zeigt. Und wir reden von einer Frau, die weder über Regierungs- noch über Wirtschaftsexpertise verfügt. Sie wäre die erste, die ohne jede Erfahrung in das höchste Amt Deutschlands käme. Das ist wie ein schlechter Witz! Ihre Kandidatur ist absurd! Sie wird im Übrigen auch aus noch einem bestimmten Grund medial so positiv dargestellt …

Und der wäre?
Weil sie als Frau den aktuellen Zeitgeist abbildet. Ich dagegen hätte manchmal lieber noch den alten weißen Mann. Für mich sind das in vielen Fällen alte weise Männer. Und wenn wir schon dabei sind: Ich will auch nicht gendern. Die Supermarktkassiererin interessiert sich für höhere Löhne, die Krankenschwester für bessere Bedingungen, aber doch nicht dafür, ob gegendert wird. Gendern ist in meinen Augen der absolute Wahnsinn.

Und was haben die Grünen Ihrer Ansicht nach in wirtschaftlicher Hinsicht zu bieten?
Planwirtschaft. Einen immer stärker werdenden Staat, der konträr zur sozialen Marktwirtschaft steht. Wir reden hier vom roten Wolf im grünen Schafspelz. Diese Partei ist wie eine Melone: Außen grün, innen rot. Ich aber will Wettbewerb, der Markt muss entscheiden. Ich glaube an die Selbstbestimmtheit der Menschen. Jeder soll frei entscheiden dürfen, was er tut und welche Produkte er kauft. Es soll auch jeder über die Freiheit verfügen, seine Waren so anzubieten, wie er es für richtig hält.

Sie formulieren da allerdings den Satz: Bevormundung ist einfach. Freiheit ist schwer.
Umfragen zeigen, dass die Menschen in Deutschland in der Corona-Zeit glücklicher geworden sind. Und das zeigt doch nur, wie bequem es ist, wenn andere über einen bestimmen und einem vorschreiben, wie man zu leben hat. Corona, dieser Brandbeschleuniger, hat die tiefe Staatsgläubigkeit der Menschen offenbart; hat sie in ihrem Glauben bestärkt, dass der Bürger eine Aufsicht, einen Vormund braucht. Immanuel Kant hatte 1784 geschrieben: „Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, so brauche ich mich ja selbst nicht zu bemühen.“ Doch das ist der genaue Gegensatz zur Freiheit. Freiheit ist Verantwortung. Freiheit ist unbequem. Demokratien sind Nein-Sager-Gesellschaften, Diktaturen sind Ja-Sager-Gesellschaften. 

Ihr Buch heißt „Ich bin nicht grün!“. Haben Sie denn für die Natur und den Klimaschutz nichts übrig?
Doch! Absolut! Ich bin der festen Überzeugung, wer sich jetzt nicht mit dem Zukunftsthema Klimapolitik beschäftigt, hat den Knall noch nicht gehört! Aber: Man muss weder grün sein noch grün wählen, um sich eine effektive Klimapolitik zu wünschen und die voraussichtlichen Probleme des Klimawandels zu fürchten. Ich will in dieser Debatte weniger Ideologie und mehr Pragmatismus. Und ich bin diese Schwarzmalerei so leid. 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Weiterlesen! 

Nena Schink
„Ich bin nicht grün.
Ein Plädoyer für die Freiheit“
Finanzbuchverlag, München 2021 

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