Sabine Barbisch

Ein gut getarnter Dachgarten

Dezember 2019

Im hinteren Bregenzerwald, im Auer Ortsteil Rehmen, wurde nach Bauarbeiten am Gasthaus Löwen das Dach des unterirdischen Fasslagers begrünt. Auf 350 Quadratmetern wird ein naturnahes Eldorado für Kräuter, Blumen, Bäume und Tiere entstehen. Ideengeber und für die Umsetzung hauptverantwortlich ist Conrad Amber, Experte für Bäume und Begrünungen.

Conrad Amber ist seit seiner Kindheit von Bäumen fasziniert. Der ehemalige Unternehmer ist mittlerweile Autor, Berater, Fotograf, Vortragender und Naturdenker und sieht Bäume und Pflanzen als „lebende und wertvolle Schmuckstücke unserer einzigartigen Landschaft“. Dazu hat er Bücher verfasst und berät Kommunen und Unternehmen in Fragen eines neuen Umgangs mit der Natur. Rückblick von Conrad Amber: „Am Anfang war die Recherche für das Buch ‚Bäume auf die Dächer, Wälder in die Stadt‘ und die Entwicklung der Haltung, an die ich bis heute glaube: Natur und Wirtschaft sind kein Widerspruch, auch wenn das in Diskussionen zum Thema Klimaschutz oft suggeriert wird.“ Als positives Beispiel nennt er das Waldsterben in den 1980er Jahren: „In wenigen Jahren wurde auf das Thema europaweit reagiert. Man kannte die Ursachen, hat Vorschriften gemacht, und es war ein Kraftakt von Wissenschaft und Wirtschaft, das Thema in den Griff zu bekommen, aber es ist gelungen, die Herausforderungen als Chance zu sehen. So sind neue Branchen und Arbeitsplätze entstanden. Es mag sein, dass manche der Umweltverhaltensregeln vielleicht nerven, aber sie werden respektiert, weil die Menschen wissen, dass es zum Wohle aller ist. Das brauchen wir heute wieder!“

„Nun ist der Funke übergesprungen“ 

Der Baum- und Naturexperte hat sich auf die Begrünung von Städten und Kommunen im Allgemeinen und von Dächern und Fassaden im Speziellen spezialisiert: „Einerseits sind das Maßnahmen gegen den Klimawandel, andererseits sind Flachdächer ungenutztes Potenzial, denn Grund und Boden werden immer knapper und teurer: „Ich plädiere für die Umsetzung von vernünftigen und realistischen Lösungen, denn insgesamt ist kein Grün teurer als Grün. Das gilt für die Wirtschaft, aber auch im Privaten: Die Errichtung eines Dachgartens kostet zu Beginn zwar 30 bis 50 Prozent mehr als ein Kiesflachdach. Nach zehn Jahren amortisiert sich diese Summe aber, weil die Aufwendungen fürs Kühlen und Heizen geringer ausfallen, denn Pflanzen auf dem Dach und an der Fassade haben einen hohen Isolationsgrad.“
Zwei Jahre lang hat Amber mit Inbrunst versucht, diese Themen bekannter zu machen – unter anderem mit vielen Vorträgen und einer starken Präsenz in den Sozialen Medien. „Ich habe das Wissen und den Vergleich zum Thema Waldsterben von damals, und ich dachte, das Buch ist die Lösung, und es bewegt sich was. Ende 2019 halte ich meinen rund 130. Vortrag, dabei gab es immer wieder positive Rückmeldungen, aber es fehlte die gemeinsame Aufbruchsstimmung. Doch nach zwei heißen Sommern und einer Greta Thunberg nahm das Thema eine größere Dimension an. Der Funke ist nun endlich übergesprungen, ein Umdenken findet statt. Ich merke das zum Beispiel daran, dass ich für Beratungen zum Thema Bäume, Begrünungen oder naturnahe Zonen immer öfters angefragt werde.“
Die Stadt Hohenems hat sich in diesem Zusammenhang für ihre Einwohner etwas Spezielles einfallen lassen: Conrad Amber ist als sogenannter „Grün-Berater“ für die Stadt engagiert, die Bewohner bekommen einen Gutschein für eine Beratung durch den Naturexperten Amber, der informiert, wo am, auf und rund um das eigene Haus Begrünungen sinnvoll und möglich sind. „Hier geht es darum, die Leute zu motivieren, sich mit der Natur im eigenen Umfeld auseinanderzusetzen.“ 

Löwengarten – ein gut getarnter Dachgarten

Eine schöne Vision hat auch ein Zürcher Projektentwickler: Dieser will seinen Kunden neben einer modernen Wohnung in einer exklusiven Gegend am Luzerner See mit einem Naturgarten ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal bieten: „Ich bin dort als Naturgartenplaner im Einsatz. Es wird unter anderem eine Blühwiese, einen Bach und einen Birkenwald geben – eine wahre Dorfidylle am Waldrand in einer sehr exklusiven Gegend. Toll, wenn erkannt wird, dass eine moderne Wohnung mit Blick auf einen Naturwaldgarten ein Vorteil im Immobiliengeschäft ist.“ 
Ein weiteres einzigartiges Projekt von Conrad Amber liegt im Auer Ortsteil Rehmen beim Gasthaus Löwen samt der Bergbrennerei. Im Rahmen einer Erweiterung hat man sich für die Gestaltung der unterirdischen Fasslagerdecke etwas Besonderes einfallen lassen: Der Löwengarten ist als Dachgarten konzipiert, naturnah mit heimischem Material und Pflanzen. Durch die Bepflanzung mit heimischen Kräutern gibt es einen direkten Bezug zu den Produkten der „Bergbrennerei Löwen“ und alles ist eingebettet in das pittoreske Ambiente von Au Rehmen. Amber hat vom ersten Aufbau mit Substraten und Retentionsschichten auf der Betondecke, über die Auswahl der Pflanzen und der heimischen Steine bis zur Bepflanzung vieles selbst gemacht. „Der Garten liegt direkt auf dem Keller, trotzdem ist es eine naturnahe Landschaft. Dazu haben wir zum Beispiel eigens Hügel angelegt. Ein solches Projekt braucht Phantasie, Wissen und verursacht natürlich auch mehr Aufwand. Schlussendlich – wenn die Kräuter, Pflanzen, Blumen und Bäume gedeihen – wird sich aber jeder im Naturgarten des Löwen wohlfühlen – und nicht mehr daran denken, dass dieser auf einem Lagerraum liegt“, sagt der Autor und Begrünungsexperte. 
Mit Projekten wie diesem will der Naturdenker Begehrlichkeiten wecken, er hofft, dass ein „Akt der Nachahmung“ entsteht. In Vorarlberg sieht Conrad Amber viele Vorteile für einzigartige Projekte und Lösungen wie den Löwengarten: „Wir haben die guten Handwerker, und wir haben das Wissen – das gilt es zu vereinen. Was wir wieder lernen müssen, ist, dass Natur lebendig ist, dass Laub auf den Boden gehört und Kies nicht auf Dächer! Wir müssen uns von traditionellen Mustern lösen, denn speziell in Vorarlberg denken wir immer noch zu sehr im Kontext Ordnung und Sauberkeit. Lassen wir doch Unordnung zu! Denn vermeintliche Ordnungsmacher wie Rasenmäher, Laubbläser und Co vernichten die Natur.“

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