Hans Concin

Präventivmediziner/Frauenarzt

Fakten und Hausverstand

Mai 2020

Die Bundesregierung muss ihr langfristiges Ziel zur Bewältigung der Corona-Krise definieren.

Die Bevölkerung hat ein Recht zu wissen, wie schaut das Ziel und wie die dazu nötige Strategie aus. Immer nur zu sagen, man passe die Maßnahmen an, ist kein langfristiges Ziel, schiebt die Probleme nur hinaus und hält die Bevölkerung uninformiert. Dabei könnte man mit ein paar wenigen Fakten und Hausverstand die Varianten durchspielen und diskutieren: Zu den Fakten, wie sie sich Mitte April 2020 darstellen.

Was ist das Ziel? 

Das einzige, was aus heutiger Sicht sicher hilft, ist eine Herdenimmunität, entweder durch eine durchgemachte Infektion oder durch eine Impfung. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist es nicht sicher, ob es eine Impfung geben wird. Sicherheit und Wirksamkeit sind völlig offen. Die optimistischen Verlautbarungen der Pharma- und Biotech-Industrie dienen nur dazu, Forschungsgelder von den Regierungen zu erpressen. Es wird fast rabiat ums Geld gestritten. Es ist auch möglich, dass wir nie eine Impfung zur Verfügung haben werden. Die Impfung gegen Ebola (40 Prozent Sterblichkeit) hat im beschleunigten Verfahren sechs Jahre bis zur Zulassen gedauert.

Herdenimmunität

Wie und wann erreichen wir eine Herdenimmunität? Grundsätzlich werden wir nicht ohne Opfer durch diese Pandemie kommen. Diese Opfer müssen aber so gering wie nur irgend möglich gehalten werden. Wir wissen heute, dass Kinder und gesunde Erwachsene unter 50 Jahren an Covid 19 mit einer modernen Medizin sehr selten beatmungspflichtig werden, unsere Intensiveinrichtungen nur marginal belasten und grundsätzlich nicht daran versterben.
In Vorarlberg leben derzeit circa 260.000 Personen unter 50 Jahren. Der Anteil der chronisch Kranken ist mir nicht bekannt, er dürfte jedoch in diesem Alterskollektiv nicht über 5 Prozent liegen, damit kämen wir auf circa 245.000 Personen mit niedrigem Risiko. Mit diesen 245.000 Personen hätten wir schon die angestrebten 60 Prozent für eine Herdenimmunität. Jeder Immune ist ein potentieller Überträger weniger.
Mich stört, dass viel zu wenig differenziert wird zwischen einer Niedrig-Risikogruppe und einer Hoch-Risikogruppe, die wir heute relativ gut definieren können. In der öffentlichen Diskussion werden Alt und Jung, gesund und chronisch krank in einen Topf geworfen. Auch bei der Reproduktionszahl wird nicht unterschieden. Wie viele Virusträger andere Menschen anstecken, macht einen riesigen Unterschied, ob es sich um junge gesunde oder alte kranke Personen handelt. Dazu ein Beispiel:
Der US-Flugzeugträger Theodore Roosevelt ist zu einem natürlichen Experiment für die Übertragung von Covid 19 geworden. Die Marine hat fast die gesamte Besatzung getestet, nachdem ein Mitglied der Mannschaft an der Krankheit gestorben war. Viele, die positiv getestet wurden, hatten keine Symptome, genau wie auf dem Kreuzfahrtschiff Diamond Princess. Auf dem Kreuzfahrtschiff, das mit älteren Menschen besetzt war, betrug der asymptomatische Anteil 18 Prozent. Auf dem Flugzeugträger – nicht überraschend, auf dem hauptsächlich junge, gesunde Menschen leben – waren es 60 Prozent. Wir müssen differenzieren und daraus ergibt sich eine Doppelstrategie.

Doppelstrategie

Personen mit einem erhöhten Risiko müssen, noch mehr als bisher, konsequent, nachhaltig und möglichst sicher geschützt werden. Das ist schwierig, aber bewältigbar und die Voraussetzung für eine Lockerung der Restriktionen.

Psychosoziale und sozioökonomische Konsequenzen

Als Arzt muss ich darauf hinweisen, dass die psychosozialen und sozioökonomischen Konsequenzen des Shutdowns für die Bevölkerung teilweise verheerend sind und uns in Zukunft noch teuer zu stehen kommen. 
Wenn wir das Ganze kritisch betrachten, muss man sagen, dass die derzeitigen Maßnahmen uns langfristig leider nicht helfen werden und die Probleme nur hinausschieben – nach derzeitigem Wissen unerträglich lange 18 Monate, so wir eine Impfung bekommen.

Information, offene Diskussion und Demokratie

Es ist höchste Zeit, der Bevölkerung die Dinge klar vor Augen zu führen und eine breite öffentliche Diskussion zuzulassen. Im Parlament, öffentlich unter Experten und mit Beteiligung der Bevölkerung müssen alle frei diskutieren dürfen. Wir müssen den Mut haben zu sagen, dass es kein Patentrezept gibt.

Panikmache

Immer wieder wird in Bild und Worten auf das abschreckende Beispiel Norditalien hingewiesen. Experten wissen, dass die Situation in Italien absolut unvergleichbar mit Österreich ist, denn: wir waren mit allen Maßnahmen wesentlich früher dran, wir haben mehr getestet, die Spitalskapazitäten und Reserven sind in Österreich wesentlich höher und wurden massiv erweitert, die Altersstruktur (älteste Bevölkerung Europas) ist eine völlig andere, und in Italien leben traditionell und auf Grund von Jugendarbeitslosigkeit vermehrt Familien mit ihren Großeltern in einem Haushalt zusammen. Dazu kommt, dass in Norditalien circa 10.000 Chinesen, teilweise illegal als Billigarbeiter unter engsten Verhältnissen leben. Allein in Mailand leben 4000 Chinesen mit physischen Kontakten zu ihrer Heimat.

Vorbeugung 

Alle getroffenen Maßnahmen sind wirksam und sinnvoll. Die Frage ist, in welchem Umfang sie beibehalten werden müssen.

Therapien 

Für Covid-19 gibt es derzeit kein wirksames Medikament. Von den international führenden Medizinjournalen gibt es übereinstimmend nur kritische Kommentare. Einzig die Behandlung mit Antikörpern aus dem Plasma von Genesenen wird optimistisch beurteilt. Kritisch diskutiert wird auch die künstliche Beatmung, die nach den derzeitigen Standards der Intensivmedizin möglicherweise per se auch schadet.
Die Bundesregierung muss ihr langfristiges Ziel zur Bewältigung der Corona-Krise definieren, auch mit Blick über den regionalen Tellerrand.

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