Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Feind, Todfeind, Parteifreund

März 2015

Richard Amann kämpft bei der Gemeinde- und Bürgermeisterwahl auch gegen Christian Niederstetter. Hohenems wird spannend, abseits der Nibelungenstadt sind keine großen Änderungen zu erwarten.
Und doch zeichnen sich neue Trends in Vorarlbergs Parteienlandschaft ab – etwa jener, dass sich immer mehr schwarze Bürgermeister von ihrer Parteizugehörigkeit distanzieren wollen.

Wenn am 15. März in Vorarlberg die Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen stattfinden, dann wird vor allem der Wahlgang in Hohenems für Spannung sorgen. Denn dort tritt FPÖ-Chef Dieter Egger gegen den amtierenden ÖVP-Bürgermeister Richard Amann an, durchaus mit Chancen, den Amtsinhaber zumindest in eine Stichwahl zu zwingen. Die letzten drei Wahlgänge in der Nibelungenstadt hatten die Freiheitlichen jedenfalls für sich entschieden, nach den Nationalrats- und EU-Wahlen zuletzt auch die Landtagswahl, mit 35,3 Prozent der Stimmen, knappe 0,7 Prozentpunkte vor der ÖVP. Nun lassen sich Wahlgänge auf verschiedenen Ebenen zwar nur bedingt miteinander vergleichen, aber eines zeigen die drei Wahlen dann doch: Dass es in Hohenems eine hohe Bereitschaft der Bevölkerung gibt, die Blauen zur stimmenstärksten Fraktion zu wählen. Und dass in der Nibelungenstadt alles auf einen Zweikampf zwischen Egger und Amann hinausläuft, zum Ärger der politischen Konkurrenz, das zeigte sich zuletzt deutlich bei einer Wahlkampfveranstaltung im Löwensaal. Egger gab sich offensiv, Amann defensiv. Und einen Tag nach besagter Debatte sprach ausgerechnet Alt-Bürgermeister Christian Niederstetter ungeniert eine Wahlempfehlung für den Freiheitlichen aus – da es Amann, Zitat Niederstetter, „an Handschlagqualität, Umsetzungsvermögen und Bürgernähe“ fehle und er, der ÖVP-Politiker, nicht mehr zusehen könne, wie es unter schwarzer Führung in Hohenems rückwärts gehe. Krass. Aber wie sagt der Volksmund doch so schön? Feind, Todfeind, Parteifreund. Für die Emser Politik, lange Jahre heftigst zerstritten und erst unter Amann wieder einigermaßen versöhnt, ist das allerdings nicht weiter ungewöhnlich. Selbst Wikipedia weiß: „Unterschiedliche Meinungen wurden zeitweise oft auch über die Medien vertreten, weshalb Hohenems immer wieder in negative Schlagzeilen gelangte.“

Der Verzicht auf die politische Heimat

Hohenems aber ist nur ein Beleg dafür, wie stark die Vorarlberger Parteienlandschaft im Wandel begriffen ist, gerade in Bezug auf die Volkspartei. Denn bei der Gemeindewahl werden nur noch 36 schwarze Bürgermeister unter dem Logo der ÖVP antreten. Der Rest kandidiert unter eigenem Namen, ohne Hinweis auf die politische Herkunft, als müssten sie sich von ihrer Landespartei distanzieren – trotz der Tatsache, dass 85 der 96 Vorarlberger Bürgermeister entweder ÖVP-Mitglied sind oder sich zumindest als der Volkspartei nahe stehend deklarieren. Warum distanzieren sich Politiker im Wahlkampf zunehmend von ihrer Partei? Bringt die Distanz Stimmen? „Erstens zählt in der Politik zunehmend die Person, nicht die Partei“, erklärt Politologe Peter Hajek. Zweitens? Mit dem Verzicht auf das Parteilogo wolle ein Kandidat den Wählern über die Parteigrenzen hinweg Überparteilichkeit suggerieren: „Es sollen auch Wähler angesprochen werden, die zwar den Bürgermeister-Kandidaten als Person, nicht aber dessen Partei wählen würden.“ Weil der Verweis auf die Partei schadet? „Nun, möglicherweise ist die Parteinennung kein positiver Aspekt, die Kommunalpolitiker erwarten sich  schlichtweg keinen Rückenwind – oder sie wollen mit den Themen ihrer Heimatpartei nicht in Verbindung gebracht werden.“ Auffällig ist nur, dass die Kandidaten aller anderen Fraktionen auf ihren Wahlplakaten die Logos ihrer jeweiligen Parteien anführen – die Distanz zur Mutterpartei ist demnach ein ausschließliches Phänomen der Volkspartei. Doch die Vorarlberger Volkspartei folgt dabei nur dem Trend einer sich insgesamt wandelnden Politiklandschaft, in der sich einstige Großparteien zu Mittelparteien entwickeln, in denen – unabhängig von der jeweiligen Ebene – starke Spitzenkandidaten dominieren, während die Parteien insgesamt immer unwichtiger werden. Oder anders gesagt, etwas salopp formuliert: Der an der Spitze ist alles, die Partei ist nichts. Der Bürgermeister ist nur an seiner Stadt und seiner Rolle interessiert, die politische Herkunft, die Mutterpartei, wird ignoriert. Was in den Kommunen gilt, gilt auch im Land: Auch Landeshauptmann Markus Wallner war bei der Landtagswahl auffällig bemüht, für sich selbst, nicht für die Partei zu werben, trotz seiner Funktion als Landesparteiobmann. Wobei es zwischen diesen Ebenen dann doch einen Unterschied gibt: Die Bundespartei gibt in der Tat keinen Rückenwind. Die Landespartei gab diesen bislang schon. Es ändern sich halt die Zeiten. Der Verlust der absoluten Mehrheit bei den Landtagswahlen reduzierte in diesem Verständnis offenbar die Bereitschaft schwarzer Kommunalpolitiker, sich zur Landespartei zu bekennen.

Überraschungen? Aber nicht doch

Trotz alledem dürfte der 15. März, objektiv betrachtet, in Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Bludenz und in den großen Gemeinden des Landes keine allzu großen Überraschungen bringen – eben weil in den Städten und großen Kommunen die zuvor angesprochenen starken Spitzenkandidaten amtieren. Andrea Kaufmann wird in Dornbirn gewinnen, Mandi Katzenmayer ist in Bludenz unbestritten, Wilfried Berchtold wird in Feldkirch im Amt bleiben und der Bregenzer Markus Linhart schlimmstenfalls in eine Stichwahl müssen, gegen dann allerdings wohl aussichtslose Konkurrenz. Auch in den größeren Gemeinden, in Lustenau beispielsweise, wird nach dem 15. März wohl alles beim Alten bleiben. Die SPÖ dagegen, und das ist für den Zustand der Sozialdemokratie symptomatisch, gab als einziges deklariertes Ziel dieser Wahl aus, ihren landesweit einzigen Bürgermeister, in Bürs, halten zu wollen. Ambitionen sehen anders aus. Ob die Grünen den Aufwind der Landtagswahlen nützen können, wird nicht zuletzt auf das Personal vor Ort ankommen, die NEOS wiederum werden in keiner Gemeinde reüssieren, beim besten Willen nicht. Die Politik wird indes, auch das ist ein Trend, immer mehr zu einer Angelegenheit einiger, weniger Berufsgruppen. Unternehmer, Architekten oder Ärzte, Forscher oder Kunstschaffende – um nur einige Beispiele zu nennen – finden sich kaum noch auf den Listen, unabhängig, um welche Partei es sich handelt. Und schließlich wird auch die Wahlbeteiligung landesweit weiter sinken. Doch wer hinterher über die Politik und deren Protagonisten jammert, sollte sich Thomas Jeffersons Zitat vor Augen führen: „Schlechte Kandidaten werden gewählt von guten Bürgern, die nicht zur Wahl gehen.“

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