
„Dann haben wir den Kreislauf erweitert“
Sigrid Rauscher, Geschäftsleiterin der Papierfabrik der Rondo Ganahl AG in Frastanz, spricht im Interview über die Geschichte des traditionsreichen Unternehmens, über das Prinzip der Papierherstellung und über Kreislaufwirtschaft. Mit Blick auf das geplante Kraftwerk sagt Rauscher: „Wer für die Energie-autonomie Vorarlbergs ist, muss auch für dieses Projekt sein.“
Frau Rauscher, vorweg gefragt: Was stellt die Rondo Ganahl AG her? Und wer sind die Kunden?
Wir sind spezialisiert auf die Herstellung von hochwertigem Wellpappe-Rohpapier, auf die Produktion individueller Verpackungen aus Wellpappe und maßgeschneiderter Innenverpackungen aus Faserguss sowie auf die Altpapiersammlung und -verwertung. Unser Kundenportfolio ist sehr breit; es reicht von Wellpappewerken in ganz Europa und international tätigen Konzernen bis hin zu kleinen regionalen Handwerksbetrieben, Kommunen und Gemeinden.
Kann man Kunden namentlich nennen?
Ich sag’s lieber so: Ohne Verpackung kann man im Prinzip nichts transportieren. Die Weltwirtschaft würde ohne Verpackungsindustrie nicht funktionieren. Grundsätzlich zählen also produzierende Betriebe aus allen Branchen zu unseren Kunden, vom Lebensmittel- und Getränkehandel über Obst und Gemüse bis hin zur Pharma- und Baunebengewerbeindustrie.
Das Unternehmen blickt auf eine lange Geschichte zurück …
Die Wurzeln von Rondo reichen bis ins Jahr 1797 zurück. Die Papierfabrik am Stammsitz in Frastanz wurde 1911 gegründet, man produzierte Konen für die Textilindustrie, also jene Rollen, auf denen man Garne und Stoffe aufwickelte. Unter dem Namen Vorarlberger Papierfabrik blieb Rondo Ganahl zunächst ein kleiner Betrieb. Die Weichenstellungen für das Erreichen der heutigen Größe erfolgten in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere mit dem Einstieg in die Wellpappe-Produktion 1954. Mit Blick auf die USA hatte man das Potenzial dieses damals noch recht wenig verbreiteten Geschäftszweigs erkannt. Weitere Expansionsschritte folgten, heute beschäftigt die Gruppe an acht Standorten in vier europäischen Ländern über 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Gruppenumsatz im vergangenen Geschäftsjahr belief sich auf 563 Millionen Euro.
Das Unternehmen hat sich über die Jahrzehnte also sukzessive entwickelt?
Ja. Und es hat sich deshalb sukzessive entwickelt, weil unsere Verpackungen aus Papier und Wellpappe stets Maßanzügen gleichen. Wenn es der Kunde wünscht, wird jedes unserer Produkte zu seiner eigenen Lösung. Natürlich gibt es auch Standardkartons, aber diese ‚Maßanzüge‘ sind unser Kerngeschäft, diese exakt auf den Kunden und dessen Bedürfnisse abgestimmten, individuellen Verpackungen. Zudem sind sie zu 100 Prozent recyclingfähig. Damit entsprechen wir allen Nachhaltigkeitskonzepten.
Es heißt, dass sich das Prinzip der Papierherstellung seit damals nicht geändert habe. Tatsächlich?
Das ist richtig. Die Papierherstellung erfolgt bei uns nach wie vor auf Basis von 100 Prozent Altpapier. Das Prinzip ist folgendes: Das Altpapier wird mit Wasser verdünnt und zu einem pumpfähigen Papierbrei aufgelöst. In weiterer Folge werden über spezielle Sortieraggregate papierfremde Bestandteile wie beispielsweise Kunststoffe, Styropor und andere entfernt. Der gereinigte Papierbrei wird auf spezielle Kunststoffsiebe aufgebracht, auf denen durch Entwässerung die eigentliche Blattbildung erfolgt. Danach wird die noch nasse Papierbahn durch Pressen geleitet, getrocknet und anschließend aufgerollt. Das ist das Prinzip der Papierproduktion, das seit den Anfängen im Wesentlichen unverändert geblieben ist. Natürlich sind die heutigen Maschinen moderner, schneller und effizienter. Die Papierherstellung bleibt trotzdem eine sehr energieintensive Industrie; auch wenn wir laufend in den modernsten Stand der Technik investieren, um den Einsatz fossiler Energieträger konsequent zu reduzieren, Ressourcen zu schonen und Umweltbelastungen zu minimieren.
Im Nachhaltigkeitsbericht Ihres Unternehmens steht, man habe 2022 damit begonnen, eine entsprechende nachhaltige Strategie zu entwickeln. Was sieht diese Strategie vor?
Mit unserer Kreislaufwirtschaft sind wir von Natur aus nachhaltig. Dennoch richten wir unsere Geschäftsstrategien an den globalen Klimazielen aus und sind seit Februar 2024 offiziell Teil der internationalen Initiative für wissenschaftsbasierte Klimaziele*. Darin verpflichten wir uns zu Transparenz und Verantwortung und arbeiten an der Erreichung von wissenschaftlich fundierten Emissionsreduktionszielen. Diese Strategie trägt dazu bei, Nachhaltigkeit noch tiefer in unseren Betriebsabläufen zu integrieren: von der Rohstoffbeschaffung über die Produktfertigung bis hin zur Distribution. Das Prinzip vereinfacht: Wir fahren eine CO2-Reduktionsstrategie. Die Integration von Nachhaltigkeit in unsere Unternehmensprozesse ist heute unerlässlich, leider bringt sie auch viel an Bürokratie mit sich …
Die Rondo-Ganahl AG sagt von sich selbst, die Kreislaufwirtschaft sei ein zentraler Aspekt ihrer strategischen Ausrichtung. Soll heißen?
Altpapier ist für uns Wertpapier. Kreislaufwirtschaft steht bei uns im Fokus, Wiederverwertung ist ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Handelns. Wobei Wellpappe-Verpackungen ja per se ein absolutes Kreislaufprodukt sind. Aus Altpapier wird hochwertiges Wellpappe-Rohpapier, daraus werden Verpackungen, die nach Gebrauch von uns im Kreislauf recycelt und nach demselben Muster wieder verarbeitet werden. Das geht bis zu 25mal, bis die Papierfasern zu kurz werden. Dann fallen sie in den Reststoff. Und genau diese Reststoffe – die in Industrie und Gewerbe im Land unweigerlich als Nebenprodukte anfallen – möchten wir gerne in unserem eigenen Kraftwerk verwerten.
Auch die im Altpapier enthaltenen Fremdstoffe – wir haben zuvor darüber gesprochen – haben einen hohen Brennwert und können zukünftig im eigenen Kraftwerk thermisch verwertet werden. Dann haben wir unseren Kreislauf nochmals um eine entscheidende Stufe erweitert. Wir werden eigene Reststoffe effektiv wiederverwerten und uns von fossilen Brennstoffen lösen und unabhängig machen.
Rondo ist der größte Erdgasverbraucher Vorarlbergs. Löst sich das Unternehmen von fossilen Brennstoffen, wäre dies wohl auch mit Blick auf die Energieautonomie des Landes von entscheidender Bedeutung …
Ja. Wir sind mit Abstand der größte Erdgasverbraucher Vorarlbergs. Unser Verbrauch entspricht dem der Stadt Bregenz mit mehr als 10.000 Haushalten. Geht unser Kraftwerk in Betrieb, sinkt Vorarlbergs gesamter Erdgasverbrauch unmittelbar um bis zu sieben Prozent. Schlagartig! Das ist ein immens großer Schritt in Richtung Energieautonomie. Unser Kraftwerk liefert Strom und Dampf für die Produktionsprozesse am Standort und könnte zudem benachbarte Betriebe sowie bis zu 500 Haushalte in der Umgebung mit Wärme versorgen. Damit setzen wir ein starkes Zeichen für regionale und nachhaltige Energiegewinnung. Wir schonen das Klima und leben Kreislaufwirtschaft.
Was ist da Stand der Dinge?
Wir haben uns im Sommer 2024 dazu entschieden, im Bewilligungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb des Kraftwerks freiwillig den Weg einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu gehen. Damit schaffen wir Klarheit und Rechtssicherheit für alle. Derzeit werden die erforderlichen Unterlagen und Gutachten finalisiert, um noch im heurigen Herbst die Einreichung bei der Behörde vorzunehmen. Für die reine Bauzeit rechnen wir mit etwa zwei Jahren, sodass wir im besten Fall ab 2029 vom Erdgas unabhängig wären. Was wir jedoch nicht abschätzen können, ist die Dauer des behördlichen Bewilligungsverfahrens.
Es wird also weiter Zeit vergehen. Sie sagten im Vorgespräch zu diesem Interview, dass sich im Wirtschaftsleben allerdings alles immer noch mehr beschleunige …
Das ist richtig. Wir befinden uns in einem äußerst dynamischen Marktumfeld. Man bestellt heute, was man morgen braucht. In der Pandemie hatten wir als produzierendes Unternehmen gelernt, sehr, sehr schnell zu reagieren; in dieser Zeit hatte man ja nicht gewusst, was der nächste Tag wieder an neuen Regelungen bringen wird. Diese Dynamik ist geblieben. Es ist alles viel schnelllebiger geworden. Flexibilität und Schnelligkeit sind wichtige Erfolgsfaktoren.
Ihr Unternehmen hat auch die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise intensiv gespürt.
Das hat die gesamte Industrie gespürt. Ich spreche da noch nicht einmal von den immens hohen Energiepreisen. Für uns ging es schlichtweg um die Frage, ob wir überhaupt noch ausreichend Energie bekommen, um weiter produzieren zu können. Damals sagten alle, man müsse sich dringend aus dieser Abhängigkeit lösen. Heute ist dieses Argument bei vielen scheinbar wieder ins Hintertreffen geraten. Wir wollen das nicht nochmals erleben. Mit unserem Kraftwerk haben wir ein schlüssiges und ökologisch sinnvolles Konzept, um uns aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Also, warum sollen wir das nicht machen? Mit uns geht mit einem Schlag der größte Erdgasverbraucher Vorarlbergs vom Netz. Wer für die Energieautonomie Vorarlbergs ist, muss also auch für dieses alternativlose Leuchtturm-Projekt sein. Was ist denn die Alternative? Ich wünsche mir, dass die Industrie im Land viel stärker gefördert wird, indem derartige behördliche Bewilligungsverfahren zügig abgewickelt werden, geht es doch auch um eine beträchtliche Anzahl von Arbeitsplätzen. Denn der Wohlstand in Vorarlberg kommt überwiegend aus der Industrie. Ohne sie wären wir gewiss nicht das, was wir heute sind.
Vielen Dank für das Gespräch!
Erklärung
Gemeint ist die Science Based Targets Initiative, eine gemeinsame Initiative von CDP (Carbon Disclosure Project), United Nations Global Compact, World Resources Institute und WWF.
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