David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Klimapolitikforderungen: Naiv, ineffektiv und übertrieben?

Mai 2023

Seit Jahren wollen viele Bürger Klimaschutz. Er würde die globale Wohlfahrt erhöhen. Daher steht Klimaschutz als Ziel völlig außer Frage. Es geht nur darum, ob und wie er erreicht werden kann. Mit zahlreichen der derzeitigen Klimapolitikforderungen lässt sich fast nichts erreichen. Sie sind oft „klimanaiv“.

Kleben für belanglosen Klimaschutz
Besonders illustrativ für Klimanaivität sind die sogenannten „Klimakleber“. Sie wollen die „Klimahölle“ vermeiden, rechnen mit enormen Klimaschäden und behaupten mitunter, dass die Erderwärmung das Ende der Menschheit bedeuten könne. 
Wer wirklich glaubt, der Klimawandel gefährde den Fortbestand der Menschheit, müsste Forderungen erheben, die das Potenzial haben, die Erwärmung effektiv zu stoppen. Was sind die kommunizierten Hauptforderungen vieler „Klimakleber“ und mancher ihrer Gesinnungsgenossen? In Österreich fordern sie ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und eine Erklärung der Regierung, keine neuen Öl- und Gasprojekte voranzutreiben. Wer nach über 25 Jahren Weltklima-Großkonferenzen und unzähligen wissenschaftlichen Arbeiten noch glaubt, die Erfüllung einer oder beider dieser Forderungen in Österreich hätte einen gewichtigen Einfluss auf das globale Klima und bewahre die Menschheit damit vor dem Zusammenbruch, dem fehlt die Ernsthaftigkeit oder das Wissen über die Struktur des zugrundeliegenden Problems, oder beides. 

Große Herausforderungen
Klimaschutz ist ein globales Gemeingut. Damit unterliegt er der typischen Tragik der Gemeingüter. Die Tragik der Gemeingüter entsteht, weil die Vorteile von Emissionsreduktionen weltweit verteilt sind, während die Kosten für Klimaschutz von denen getragen werden, die die Emissionen tatsächlich reduzieren. Obwohl es wünschenswert ist, die Emissionen global zu reduzieren, ist es für jede einzelne Person rational, wenn sie, ihre Gemeinde oder ihr Land sich nicht am Klimaschutz beteiligen, da die eigenen Kosten im Allgemeinen höher sind als die Vorteile von Emissionsreduktionen. 
Alles Lamentieren und Moralisieren bringt nichts. Die CO2-Emissionen Österreichs manchen nun mal weniger als 0,2 Prozent der weltweiten Emissionen aus, jene der EU weniger als zehn Prozent (jeweils gemäß Daten des Global Carbon Projects). Ohne weitreichende Emissionsreduktionen im Rest der Welt, bringt Klimaschutz in Österreich und selbst in der EU nur wenig. Aus diesen Fakten zu schließen, dass man nichts tun solle, wäre aber falsch. Globaler Klimaschutz würde die Wohlfahrt erhöhen! Doch braucht es dafür Ansätze, dass Länder wie beispielsweise der Iran (circa zwei Prozent der Emissionen), China (circa 30 Prozent), Russland (circa fünf Prozent), die USA (circa 14 Prozent) und viele andere ihre Emissionen ebenfalls systematisch reduzieren. Darüber hinaus müsste für afrikanische Länder (derzeit insgesamt circa 3,5 Prozent der Emissionen bei schnell wachsender Bevölkerung) und andere noch arme Teile der Welt gewährleistet werden, dass sie ihre Entwicklung zu einem gewissen Wohlstand weitgehend ohne zusätzliche Emissionen erreichen können. 
Kollektives Handeln könnte Einzelinteressen überwinden und zu globalem Klimaschutz führen. Das ist das Ziel der vielen globalen Weltklima-Großkonferenzen der vergangenen Jahrzehnte. Die teilnehmenden Regierungen verpflichten sich vertraglich dazu, Klimaschutz in ihren Ländern zu betreiben. Doch ob Regierungen sich an Klimaverträge halten, könnte man bei manchen von ihnen – beispielsweise beim Iran, China oder Russland – mit Blick auf andere Verträge und Konventionen wie im Bereich der Menschenrechte durchaus in Frage stellen. Selbst in demokratischen Ländern haben die Bürger neben Klimaschutz weitere Ziele mit Bezug auf ihr Einkommen, ihre Erwerbstätigkeit, Stabilität der Staatsfinanzen, soziales Zusammenleben, persönliche Freiheiten oder Landschaftsschutz. Viele der geplanten Klimamaßnahmen haben oft erhebliche Nebenwirkungen auf andere Ziele. Kann hier kein Ausgleich gefunden werden, ist nicht ausgeschlossen, dass selbst demokratische Länder ihre Klimaschutzversprechen entweder einfach nicht einhalten oder aus den Verträgen austreten, wie einst die USA aus dem Pariser Klimaabkommen. 

Klimaschäden sind relevant
Die Erde hat sich gemessen am Referenzniveau – der Temperatur zwischen 1850 bis 1900 – um etwa 1,1 Grad erwärmt. Die Erwärmung in Österreich entspricht rund zwei Grad. Nahezu niemand würde behaupten, dass die Lebensqualität hierzulande bedeutend höher wäre, wenn die Temperatur seit 1850 konstant geblieben wäre. Die möglichen Effekte vergangener Temperaturerhöhungen erscheinen im Vergleich zu allen anderen Veränderungen der vergangenen 170 Jahre klein.
Blickt man auf die einschlägige wissenschaftliche Literatur, wirken die geschätzten absoluten Klimaschäden für die Zukunft riesig, erst recht, wenn man sie über Jahrzehnte aufsummiert, wie jüngst eine Auftragsstudie des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Doch im Vergleich mit der Wirtschaftsleistung entsprechen die Schäden selbst im stärksten Erwärmungsszenario ohne jegliche Anpassung rund 0,5 Prozent im Jahr 2030 und etwa 1,5 Prozent im Jahr 2050. Mit den in der Studie diskutierten Anpassungsmaßnahmen fallen die Schäden um über 60 Prozent und bei schwachem Klimawandel ergeben sich für Deutschland sogar positive Auswirkungen gemäß Schätzung für das Ministerium. Ähnlich berechnet eine Studie für die Schweizer Eidgenossenschaft für das Jahr 2060 Klimaschäden von rund 2,8 Milliarden Franken oder 0,43 Prozent des Schweizer Gesamtkonsums. 
Trotz dieser vergleichsweise kleinen Schäden gilt es, den Klimawandel ernst zu nehmen. Erstens wären jährliche Kosten für Klimaschäden von 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung mehr, als viele westliche Länder für ihre eigene Landesverteidigung ausgeben – dabei ist mittlerweile selbst manchem ehemals pazifistisch-orientierten Klimaschützer die Bedeutung eines schlagkräftigen Heeres klar. Und zweitens ließen sich die Kosten mit effizientem, globalem Klimaschutz reduzieren. Genau deshalb sind „klima­naive“ Forderungen nicht nur ärgerlich, sondern schädlich. Sie bringen dem Weltklima praktisch nichts und tragen zum gesellschaftlichen Unfrieden bei. 

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