Herbert Motter

Kreativität als Gesellschaftsnahrung

November 2023
Orte wie die werke.fabrik. in Hard animieren dazu, spontan kreativ zu sein. Dies ist ein positiver Widerspruch zur oft gängigen Selbstwahrnehmung in der Gesellschaft, nichts Schönes hervorzubringen.

Für die Unternehmerin Gabriele Falb ist die Möglichkeit, das Kreative täglich spontan ausüben zu können, „Gesellschaftsnahrung“. Aus diesem Anspruch heraus hat sie in Hard die werke.fabrik. geschaffen, einen Ort, an dem nicht gewertet oder beurteilt wird, sondern man einfach vorbeischauen und eine Idee umsetzen kann. „Diese Inspiration zur Kreativität fehlt für mein Empfinden in der Gesellschaft immer mehr.“
Menschen spontan zur Kreativität zu animieren, ist Ziel und Leidenschaft von Gabriele Falb. Nach vielen Jahren in der Privatwirtschaft und in unterschiedlichsten Führungspositionen war die Kreativwerkstatt in Hard mit integriertem Verkaufsgeschäft – unter anderem für hochwertige Kreativ-Utensilien – die Rückkehr zu einer Vision aus ihrer Kindheit. „Ich habe mich als Kind in der Kreativität immer völlig frei und ganz fest bei mir gefühlt. Vor gut eineinhalb Jahren habe ich mir mit der werke.fabrik. einen Traum erfüllt, weil ich wusste, dass das, was ich umsetzen will, Menschen egal welchen Alters brauchen“, erinnert sich die Salzburgerin.
Bei Gabriele Falb wird erlebbar, wie Kinder und Erwachsene – ohne irgendwelche kreativen Absichten – sich plötzlich in dieser Atmosphäre inspiriert fühlen. „Oftmals besuchen sie dann einen Ton-, Druck- oder Mal-Workshop, ohne zu wissen, was sie machen sollen. Aber dann entsteht etwas einfach aus sich heraus“, sagt Falb und betont weiter: „Immer wieder gibt es dann ein Aha-Erlebnis, ,ich bin ja kreativ, ich kann das‘. Bei Erwachsenen ist dies meist noch ausgeprägter, weil sie von früher oft noch so konditioniert sind, nichts sogenanntes ,Schönes‘ hervorzubringen.“
Die Beschäftigung mit Ton, Farben, Formen und unterschiedlichen Materialien regt die Fantasie an und fordert die Kreativität, entspannt, fördert die Feinmotorik, macht Spaß und stärkt Selbstwertgefühl wie Frustrationstoleranz. Kreatives Verhalten heißt, sich einem Thema oder einem Problem selbstbewusst und aus eigenem Antrieb zu stellen, es neugierig als Herausforderung anzunehmen, sich zielgerichtet Informationen und Kenntnisse zu beschaffen, mutig neue Wege und Lösungsmöglichkeiten zu beschreiten und selbstkritisch durchzuhalten, bis ein persönliches Ziel erreicht ist.
Das Kreative stecke in jedem Menschen, werde aber häufig unterdrückt, dadurch wird Freiraum eingebüßt. „Das Spielerische geht dann verloren. Spielen ist aber Kreativität und im Spielen ist die Lernmotivation und die Haltung mehr lernen zu wollen, überhaupt erst gegeben. Generell benötigen Kinder die gleichen Voraussetzungen wie Erwachsene, um sich kreativ zu entfalten: möglichst viele Freiheiten und Freude“, sagt die Unternehmerin.
Falb fällt dabei aber immer wieder etwas auf: „Je unsicherer die wirtschaftlichen Zeiten werden, desto fokussierter sind die Eltern, die Erwachsenen, dass die Kinder etwas ,Schönes, Herzeigbares, Brauchbares‘ hervorbringen.“ Manche Elternteile geben vor, „schau, das macht man so“, „konzentrier dich“, oder „nimm die Glasur, die passt so gut in unsere Wohnung“. Sie greifen damit in das Tun der Kinder ein. Das sei absurd, da dies die Freiheit der Kreativität völlig einschränke. „Freiheit“, betont die ausgebildete Pädagogin, „beginnt immer mit der Freiheit, dass ich so sein darf, wie ich bin und nicht verformt werde in eine Richtung, die dem Anderen dienlich ist.“
Sehr viele Eltern würden sich bemühen, ihren Kindern diesen Freiraum zu geben, „aber der größere Teil – behaupte ich aus meiner Erfahrung zumindest – hat Ängste und reagiert mit übertriebener Behütung, Förderung und Beeinflussung ihrer Kinder in die Richtung, in der man eben einmal später mehr Geld verdienen könnte, um ,abgesichert‘ zu sein. Das spüre ich in Vorarlberg sehr stark.“ 
Auch die Digitalisierung hat Einfluss. „Sie hat absolut ihre Berechtigung, weil sie uns ja in Vielem unterstützt, dadurch geht jedoch Sprache verloren und die Interaktion zwischen Menschen leidet. Wenn Muster vorgegeben werden und unterstützende Tools leicht greifbar sind, bemühe ich mich eventuell nicht mehr so, kreativ zu sein und überlasse die Lösung meiner Idee oft dem digitalen Angebot.“
Ihre Botschaft ist, Neues, Unbekanntes auszuprobieren, sich zu trauen und die Komfortzone zu überschreiten. Ein ganz wichtiger Punkt sei es, die Neugierde zu pflegen, um neue Ideen zu kreieren, und wieder auf das Ursprüngliche zurückzukehren, was im Menschen stecke: in Langsamkeit und Neugierde mit allen Sinnen das Leben und die unmittelbare Umgebung wahrzunehmen.
Sie ist überzeugt, dass „wir durch eine kreative Beschäftigung weniger ins Burn-out schlittern und krisenresilienter“ wären, dass es einem dadurch im Gesamten besser gehen würde: „Die Empathie steigt, weil man durch das kreative Tun selbst gefestigter ist. Ich glaube, die ganzen negativen Meldungen, die uns momentan bombardieren und auch ängstigen, würden mit mehr kreativem Tun verkraftbarer. Das Verständnis in der Gesellschaft für den anderen würde steigen, weil man in der Kreativität einfach langsamer und einfühlsamer werden muss. Grenzen können sich auflösen.“
Gabriele Falb möchte inspirieren. Ihr Ziel ist es, dass diese Flexibilität, die sie anbietet, nämlich spontan kreativ zu sein, angenommen wird und die Menschen erfüllt. „Das setzt einen gewissen Freigeist voraus, und die Selbsterkenntnis, dass uns Entschleunigung eben resilienter und empathischer macht“, erklärt sie. Schließlich sei die Kreativität der Schlüssel zum Glücklich sein.

 

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