Sabine Barbisch

Maria Anwander „Ich will Ideen entwickeln, die etwas bewegen“

Februar 2020

Gesellschaftliche und politische Probleme inspirieren sie ebenso wie Konventionen, Verbote und hierarchische Systeme – Künstlerin Maria Anwander erzählt im Gespräch mit „Thema Vorarlberg“, wie sie mit der Kunst in Berührung gekommen ist, in welchen Weltmetropolen sie bereits gelebt hat und welche Rolle Züge bei ihrer Arbeit spielen.

Vergangenen Sommer wurde Maria Anwander mit dem Förderpreis der Klocker-Stiftung ausgezeichnet. Die Jury schrieb in ihrer Begründung: „Der Förderpreis wird alle zwei Jahre an eine Künstlerin oder einen Künstler vergeben, die/der das Potenzial hat, exemplarisch für die Entwicklung der österreichischen Kunst zu werden, und deren/dessen Werk von überregionaler Bedeutung ist.“ Die ausgezeichnete Künstlerin freut sich über „diese Wertschätzung meiner Arbeit und das, was man mir offensichtlich noch zutraut.“ Dabei hat sie den Wunsch, Künstlerin zu werden, nicht zielstrebig verfolgt: „Das hat sich eher zufällig über verschiedene Interessen, die sich mehr und mehr manifestierten, ergeben. Ein Wunsch war es, generell Ideen zu entwickeln, die etwas bewegen.“ Eine erste Ausstellung hat Maria Anwander im Teenageralter gemeinsam mit Mitschülerinnen organisiert, weitere Beteiligungen an Ausstellungen ergaben sich dann während ihrer Studienzeit an der Akademie der Bildenden Künste in Wien.
Aufgewachsen ist die heute 39-Jährige in Bregenz, in einer Wohnsiedlung am Waldrand: „Die Freiheit, die ich dort beim Spielen in der Natur genießen konnte, hat sicher meinen Drang nach Unabhängigkeit geprägt.“ Nach dem Studium in der österreichischen Bundeshauptstadt lebte Anwander ab dem Jahr 2008 in verschiedenen Künstler-Residenzprogrammen – diese führten sie unter anderem nach Luxemburg, Mexiko City, Los Angeles und Bilbao: „Ich habe fast drei Jahre aus dem Koffer gelebt und mir so Mietkosten erspart.“ 
Nach den vielen internationalen Erfahrungen und verschiedenen Gruppen- und Einzelausstellungen im In- und Ausland hat sich die gebürtige Bregenzerin vor zehn Jahren in Berlin niedergelassen: „Ich lebe im Bezirk Moabit, der sich in den vergangenen zehn Jahren aufgrund von Zentrifizierung sehr verändert hat. Glücklicherweise ist der Bezirk – zumindest noch – nicht ganz verunstaltet worden. Ich schätze Initiativen, wie die ‚neue Nachbarschaft/Moabit e.V.‘, ein Verein, der sich als Plattform für künstlerischen und sozialen Austausch sieht und mit Nachbarschaft nicht die Alteingesessenen, sondern vor allem die Neuen, aus der ganzen Welt Geflüchteten und Zugezogenen meint. Oder das ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik, das Atelierwohnungen für Künstlerinnen und Stadtentwicklerinnen zur Verfügung stellt und zum internationalen Diskurs einlädt.“ Abgesehen von ihrem Heimatbezirk Moabit gefällt Anwander die Offenheit und der multikulturelle Austausch in Berlin: „Ich schätze die Stadt als Ballungszentrum vieler intelligenter Köpfe und als Kumulationsort unkonventioneller Ideen. In Vorarlberg wiederum gefällt mir die Innovationsfreude, die man zu spüren bekommt, wenn man mit Handwerkerinnen oder kleinen Betrieben zusammenarbeitet; auch wenn Dinge nicht gleich funktionieren, so wird meist viel Energie darin investiert, sie letztendlich zu ermöglichen.“ Deshalb und weil sie beruflich bedingt auch viel Zeit in Vorarlberger verbringt, hat sie hier ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft als Zweitwohnsitz. 

Kunst mit Fokus auf gesellschaftliche Probleme 

Für ihre Arbeit als Künstlerin sei der Ort ohnehin nicht entscheidend: „Ich arbeite sehr konzeptuell, und die Ideenfindung kann überall stattfinden. Mein Atelier brauche ich nur für die Realisierungsphasen. Am liebsten und effektivsten arbeite ich ohnehin im Zug.“ Als Quelle der Inspiration dienen ihr gesellschaftliche und politische Probleme, genauso wie Konventionen, Verbote und hierarchische Systeme. In ihren Arbeiten setzt sich die Kunstschaffende häufig mit Themen des Kunstbetriebs auseinander und untersucht dabei institutionalisierte Hierarchiesysteme. Dabei bereitet es Maria Anwander besondere Freude, wenn es ihr gelingt, diese Themen mit gesellschaftlichen Problemen, wie beispielsweise der Gleichstellung von Frauen und Männern, zu verbinden. 
„Trotz der kreativen Tätigkeit ist das Leben als Künstlerin leider viel alltäglicher als das oft romantisierte Bild, das viele vom Künstlerinnen-Dasein haben. Ein großer Teil des Alltags besteht auch bei mir aus Büroarbeit, der Beantwortung von E-Mailanfragen, der Erstellung von Transportlisten, Portfolios oder dem Verfassen von Ausstellungskonzepten“, berichtet Anwander. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben sind ohnehin fließend: „Ich kann einfach nicht nach Hause gehen und dann die Ideen und Projekte, an denen ich arbeite, komplett ausblenden. Auch Reisen unternehme ich meistens dann, wenn es beruflich erforderlich ist, und verknüpfe diese mit Ausstellungsbesuchen, was ja in meinem Fall dann auch schon wieder eher beruflich ist.“ 
Für die Zukunft ist Maria Anwander zuversichtlich, „dass sich wunderbare Orte und Zusammenarbeiten auftun werden.“ Wichtiger als der Ort eines Engagements ist ihr ohnehin die Form der Zusammenarbeit: „Wenn die stimmt, ist es mir egal, ob ich den österreichischen Pavillon der Venedig Biennale, einen Raum des MoMA in New York oder eben nur die brüchigen Wände eines kleinen Offspaces bespiele ...“

Lebenslauf

Maria Anwander ist 1980 in Bregenz geboren und hat von 2003 bis 2008 die Akademie der Bildenden Künste in Wien besucht. Neben Gruppenausstellungen in Moskau, Mexiko City, Vaduz und Palermo hat die Künstlerin Einzelausstellungen im Magazin 4, Bregenz (2019), im Kunstverein Friedrichshafen (2018), in der Kunst Halle Sankt Gallen (2014) oder im AC Institute in New York gestaltet. Sie wurde dafür unter anderem mit dem Förderpreis der Klocker-Stiftung (2019), dem Internationalen Kunstpreis des Landes Vorarlberg (2015) und dem Kunstpreis der Darmstädter Sezession (2013) ausgezeichnet. Außerdem hat Anwander Gastvorträge an der Academy of Fine Art Umeå in Schweden (2016) gehalten und war von 2017 bis 2019 Dozentin an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.

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