Nora Weiß

Redakteurin Thema Vorarlberg

Foto: Weissengruber

Über Influencer oder: „Kleine, schnelle Ausschnitte der Welt“

September 2021

Influencer und Influencerinnen sind die Vorbilder unserer Zeit. Sie dienen als Inspiration in Sachen Mode, Lifestyle und Fitness und nehmen Einfluss auf unsere Entscheidungen. Dieser Einfluss kann Positives bewirken, birgt aber durchaus auch Gefahren.

Social-Media-Plattformen wie Instagram sind Teil unseres Alltags geworden. Sie sind Zeitvertreib, Inspiration und für immer mehr Menschen auch eine Einkommensquelle. Influencer leben davon, ihren Lebensstil zu vermarkten. Es ist unumstritten, dass sie mit ihren Postings und Videos Einfluss auf die Menschen haben, die ihnen folgen. Man gerät daher schnell in Versuchung Influencer als gefährlich einzustufen, gerade wenn es um junge Menschen und deren Persönlichkeitsentwicklung geht. 
Vielfach haben wir das Gefühl, dass sich eine falsche Ästhetik in deren Köpfen festsetzt, sie von der retuschierten, inszenierten Darstellungen vieler Social-Media-Nutzer beeinflusst werden. Tobias Dienlin, Tenure-Track Professor für Interaktive Kommunikation an der Universität Wien, kann beruhigen: „Es ist leicht den Schwarzen Peter Social Media zuzuschieben und zu sagen, dass ist jetzt der Untergang der Gesellschaft, aber das lässt sich empirisch so nicht zeigen. Ja, es zeigen sich durchaus Effekte – es gibt positive, es gibt negative Effekte, aber nicht in einer Größenordnung, bei der wir sagen, da müssen wir richtig aufpassen.“ 
Laut dem Medienpsychologen zeigt die Forschung, dass der Einfluss von Influencer und Influencerinnen auf unser Leben deutlich geringer ist als wir das vermuten. Dennoch lässt sich eine Art „positivity bias“ erkennen: Auf Social-Media-Plattformen wird in weiten Teilen keineswegs die Realität abgebildet, sondern deren Schokoladenseite. Und das kann durchaus zu Neid führen, wenn Follower ihr Leben mit dem der Stars vergleichen. Dass sich Menschen für die „Reichen und Schönen“ interessieren ist kein neues Phänomen, durch die täglichen Posts ihrer Vorbilder erscheinen diese nur greifbarer. Diese tiefen Einblicke in das schöne Leben anderer sind für Menschen mit gefestigtem Selbstbewusstsein wenig problematisch, wie die Forschungsarbeit von Dienlin zeigt. Für jene Menschen, die einen eher geringeren Bildungsgrad aufweisen und einen eher niedrigen Lohn haben, können diese aber durchaus zum Problem werden und Neid auslösen. Dessen ist sich auch die Montafoner Influencerin Linda Meixner bewusst; sie plädiert für einen bewussteren Umgang mit Social-Media-Plattformen: „Wir müssen uns einfach viel mehr bewusst machen, was diese App ist – eine Inspirationsquelle, aber nicht die Realität. Man sieht zum Beispiel von meinem Leben immer nur kleine, schnelle Ausschnitte und es ist immer nur digital.“ Medienkompetenz scheint das Wort der Stunde zu sein, diese gilt es in der gesamten Gesellschaft zu stärken, wichtig ist diese aber sowohl für junge als auch für ältere Menschen. Sie sind am stärksten von medialer Beeinflussung betroffen. „Jugendliche sind noch dabei, ihre Persönlichkeit herauszubilden und sind daher empfänglicher für Meinungsbotschaften und -änderungen. Ältere Menschen haben wiederum häufig Schwierigkeiten, auf Social-Media-Plattformen zu erkennen, ob es sich um verlässliche Quellen handelt, die verifizierte Informationen verbreiten“, erklärt Dienlin, „Querdenkern und rechte Rändern nutzen das oftmals aus. Bei diesen Extremfällen, die sich an den Rändern abspielen, ist es wichtig, als Demokratie wehrhaft zu sein und da wirklich explizit dagegen vorzugehen.“
Viele Influencer beschreiben die Anfänge ihrer Karriere als zufällig. So auch die Influencerin Susanna Wurz, die inzwischen mehr als 250.000 Follower hat und zwischen Wien und Feldkirch pendelt. „Ich habe angefangen schöne Fotos vom Essen und allem drumherum zu posten. Irgendwann wurde die Community dann größer. Erst Jahre danach habe ich angefangen, damit Geld zu verdienen.“ Auch bei Linda Meixner ging es sehr schnell: „Ich denke es war ein Mix aus konstanter Arbeit und ein wenig Glück.“ Einer Meinung sind die beiden Influencerinnen, wenn es um ihren Umgang mit Produktwerbung geht, beide legen Wert darauf, nur für Marken zu werben, die sie auch persönlich verwenden. Auch in Sachen Werbung warnt Tobias Dienlin vor einer kategorischen Ablehnung. Denn das würde „die Menschen zu Robotern herabzuwürdigen“, insofern diesen die Entscheidungsfreiheit im Kauf abgesprochen würde und unterstellt würde, dass nur weil ein Influencer für etwas wirbt, dieser das dann sofort erwirbt. Werbetestimonials gibt es seit jeher, waren es bisweilen Berühmtheiten, die die großen Plakatwände zierten oder im Fernsehen auftraten, sind es bei Social Media eben Influencer:innen, die ihrer Community gewisse Produkte näherbringen.

Bewusster Umgang ist bestmögliche Prävention
Social-Media-Plattformen sind der verlängerte Arm der normalen Welt, was zur logischen Konsequenz hat, dass sich auf diesen sowohl positive als auch negative Einflüsse finden. „Grundsätzlich ist es aber so, dass Social-Media-Probleme nicht kausal kreieren, sondern eher aufzeigen“, erklärt Dienlin. Dazu trägt auch die enorme Reichweite und weltweite Vernetzung bei. Wer nun Influencer per se verteufelt, greift zu kurz, Social Media hat durchaus auch Bewegungen wie Black lives matter oder die Erstarkung der Body Positivity hervorgebracht. Social Media ist Teil unserer Medienlandschaft und gekommen, um zu bleiben. Daher macht Tobias Dienlin abschließend bewusst: „Es gibt einen Pressekodex, in dem genau festgelegt ist, was berichtet werden sollte, wenn wir jetzt eine andere Medienlandschaft haben, wo einzelne, nicht ausgebildete Journalisten als Influencer auftreten, müssen auch diese sich daran halten. Wenn sie das nicht tun, müssen wir als Gesellschaft dagegen lenken und korrigieren.“

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