Vorarlberg und seine Landtagswahlen
1945 bis 2019: Von absoluten Mehrheiten, Alleinregierungen, freiwilligen Partnerschaften, Alibi-Gesprächen, scharfen Wahlkampf-Tönen und herben Verlusten.
Die Landtagswahl in Vorarlberg am 25. November 1945 war die erste freie Landtagswahl in Vorarlberg nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der Nationalsozialistischen Diktatur sowie die erste Wahl unter der neu erlangten Souveränität des Landes. Nach der Befreiung durch die französischen Alliierten wurde noch im Mai 1945 Ulrich Ilg als Präsident des Vorarlberger Landesausschusses eingesetzt und einige Wochen später zum provisorischen Landeshauptmann ernannt. Bei der Wahl konnte er seinen Anspruch auf das Amt verteidigen; die ÖVP erzielte einen überwältigenden Wahlsieg mit 70,2 Prozent der Stimmen.
Seit 1945 ist die Volkspartei die klar dominierende Partei im Vorarlberger Landtag. Sie holte bei elf Wahlen in Folge die absolute Mehrheit; dies war bis 2014 mit Ausnahme einer Legislaturperiode (1999-2004) der Fall. Im 36-sitzigen Landtag (ab 1959, zuvor 26 Sitze) hatte die ÖVP stets mindestens 20 Mandate inne.
Diese Dominanz machte Koalitionen mit anderen Parteien unnötig; dennoch entschied sich die Vorarlberger Volkspartei immer wieder für eine solche. Durch die Einbindung anderer Parteien konnte eine breitere politische Basis geschaffen werden. In Vorarlberg herrscht traditionell eine Konsenskultur. Koalitionen spiegelten diesen Ansatz wider. Zudem ermöglichte die Beteiligung anderer Parteien an der Regierung, Verantwortung zu teilen und potenzielle Kritik zu reduzieren. Und letztlich war die ÖVP durch Koalitionserfahrungen besser vorbereitet für Zeiten ohne absolute Mehrheit.
In der ersten Landesregierung nach dem Zweiten Weltkrieg, die am 11. Dezember 1945 angelobt wurde, waren zwei SPÖ-Mitglieder vertreten. Ab 1974 wurde die SPÖ als Koalitionspartner der ÖVP von der FPÖ abgelöst. Somit war die SPÖ insgesamt etwa 29 Jahre (von 1945 bis 1974) als Juniorpartner an der Vorarlberger Landesregierung beteiligt. Danach schied sie aus der Regierung aus und war seitdem nicht mehr in der Landesregierung vertreten.
Landeshauptmann Herbert Sausgruber legte bei seiner ersten Landtagswahl als ÖVP-Spitzenkandidat 1999 einen Fehlstart hin und verlor die absolute Mehrheit – erstmals überhaupt nach 1945. FPÖ-Chef Hubert Gorbach schaffte das historisch beste Ergebnis für die Vorarlberger Freiheitlichen (27,41 Prozent) und wurde Landesstatthalter.
Nach den Parteiturbulenzen rund um „Knittelfeld“ und der nachfolgenden Abspaltung des BZÖ stürzte Gorbach-Nachfolger Dieter Egger bei der Wahl 2004 mit den Freiheitlichen ab (12,94 Prozent). Die Grünen kamen erstmals über zehn Prozent, die SPÖ witterte mit fast 17 Prozent eine Chance. Aber vergebens. Sausgruber bot Egger trotz absoluter ÖVP-Mehrheit wieder einen Sitz in der Landesregierung an. Nach Eggers „Exiljuden“-Sager endete diese Zusammenarbeit jedoch bereits im Wahlkampf 2009.
Mit 50,79 Prozent der Stimmen erreichte die ÖVP im Anschluss erneut die absolute Mehrheit verlor aber im Vergleich zur vorherigen Wahl 4,13 Prozentpunkte. Von Landeshauptmann Herbert Sausgruber pro forma geführte Koalitionsgespräche mit Vertretern der Grünen und der SPÖ blieben ohne Abschluss. Daher regierte die ÖVP ab 2009 bis 2014 erstmals allein, da sie weiterhin über die absolute Mandatsmehrheit verfügte.
Mitten in der Legislaturperiode übergab Sausgruber 2011 an Markus Wallner. Bei seiner ersten Wahl musste der neue Landeshauptmann Wallner 2014 dann das schlechteste ÖVP-Ergebnis seit 1945 verkraften. Mit 41,8 Prozent reicht es zum zweiten Mal nach 1999 zu keiner „ÖVP-Absoluten“ im Landtag. Dies veranlasste die Volkspartei erstmals in der Geschichte Vorarlbergs, eine Koalition mit den Grünen einzugehen.
Bei der jüngsten Wahl 2019 konnte die ÖVP wieder leicht zulegen (43,5 Prozent), wie auch die Grünen (18,9 Prozent, +1,8 Prozent). Mit minus 9,5 Prozent verloren die Freiheitlichen massiv und landeten bei 13,9 Prozent. Die Grünen landeten erstmals auf Platz zwei. Landeshauptmann Markus Wallner führte zunächst Gespräche mit allen Parteien. Koalitionsverhandlungen wurden dann aber nur mit den Grünen aufgenommen. Bereits nach etwas mehr als zwei Wochen legten die Verhandler ein erneutes Koalitionsabkommen vor, das von beiden Parteien mit großer Mehrheit angenommen wurde. Damit wurde die schwarz-grüne Koalition fortgesetzt. Wie es weitergeht? Am 13. Oktober wird der Landtag gewählt, Meinungsumfragen prognostizieren ein enges Rennen zwischen ÖVP und FPÖ.
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