J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Von Eisen und Einzellern in Dornbirn

Juni 2017

Vorarlberg ist alles andere als reich an Erzlagerstätten. Zwar lieh das Silber immerhin einer ganzen Talschaft seinen Namen, doch nach wirtschaftlichen Überlegungen des 21. Jahrhunderts sind jene Erzgänge allenfalls für Mineralogen interessant. Vergessen sind Mikro-Lagerstätten wie das Blei-Zink-Vorkommen auf der Gstüt-Alpe bei Lech. Und auch vom ehemaligen Eisenbergbau Haslach bei Dornbirn sind kaum mehr Spuren erkennbar.

Betrachtet man heute das Gestein, aus dem zwischen 1937 und 1610 in Dornbirn Eisen gewonnen wurde, so ist Kopfschütteln eine nur allzu verständliche Reaktion. Als während der bayrischen Herrschaft (1805 bis 1814) der Bergbau im Haslach wiederaufgenommen wurde, musste das Erz gemeinsam mit Rohstoffen aus Süddeutschland verhüttet werden. Zu gering ist der Eisengehalt, zu hoch der Kalkanteil, um selbst zur damaligen Zeit eine wirtschaftliche Verwertung zu gewährleisten. Skurril mutet es an, dass Dornbirner Industrielle noch in der Zwischenkriegszeit laut über eine Reaktivierung des Bergbaus nachdachten.

Interessanter ist die Erzlagerstätte aus geologischer Sicht. Die Gesteine am Karren und Breitenberg dokumentieren rund 80 Millionen Jahre Ablagerungsgeschehen am ehemaligen Südrand Europas. Der wiederholte Wechsel von flachen Kalkplattformen, Riffen und Lagunen mit tieferen Meeresbereichen spiegelt sich in einer durchgehenden Schichtfolge von hartem, kompaktem Kalk und weicherem, tonhaltigem Mergel. Doch vor rund 65 Millionen Jahren endete dieses Geschehen. Die jüngeren Gesteine, die über diesem Schichtstapel abgelagert worden waren, sind weicher und wurden von Wasser und Gletschereis bevorzugt abgetragen. Nur an wenigen, ausgesuchten Stellen sind sie in größerer Mächtigkeit erhalten.

Im Haslach sind diese „Jungschichten“ an einer Verwerfungszone eingeklemmt. Hier fanden während der Auffaltung und Heraushebung der Alpen Bewegungen statt, die den Rheintalrand zwischen dem Steinbruch und dem Hohenemser Schlossberg gegenüber dem „Hinterland“ am Breitenberg emporhoben. Während solche Bewegungsbahnen an anderen Orten klar definierten Flächen folgten, bildete sich hier eine breite Zone, in welche die Jungschichten eingeschleppt und in dreifacher Wiederholung übereinandergestapelt wurden. Schon allein dieses Geschehen setzte der Erzlagerstätte enge Grenzen. Und es erschwert die Rekonstruktion des Ablagerungsraums: Nur an wenigen Stellen können ungestörte Schichtprofile studiert werden, die einen Einblick in die Dynamik des Meeres und deren Änderungen gewähren.

Eines der markanteren Gesteine der Jungschichten ist ein harter, kompakter, dunkelgrün gefärbter Sandstein. Seine gar nicht so seltenen Versteinerungen lassen an einen flachen Meeresbereich denken. Und doch müssen wir bei Rückschlüssen auf die Wassertiefe vorsichtig sein: Die leeren Gehäuse von Schnecken und Muscheln können leicht von Meeresströmungen verfrachtet werden. Seine Farbe aber verdankt der Sandstein dem Mineral Glaukonit. Dieses kann nur im Meer entstehen, wenn gleichzeitig fast kein anderes Material abgelagert wird – ein klarer Hinweis auf Strömungen, die alles, was ins Meeresbecken eingebracht wurde, umgehend weiter transportierten.

Noch auffallender aber ist ein etwa 50 Millionen Jahre alter Kalkstein. Er besteht aus den Gehäusen gar nicht so kleiner, einzelliger Lebewesen. Sie zeigen sich uns als flache Scheiben, die nach ihrem Aussehen Nummuliten („Münzsteine“) genannt werden. Obwohl die Tiere nur aus einer einzigen Zelle bestanden, erreichten sie Größen von mehreren Zentimetern. Für die nötige Stabilität aber sorgte ein Kalkskelett. Nummuliten lebten im Flachwasser auf weichem Meeresboden. Um ihr Kalkgehäuse bauen zu können, waren sie auf zusätzliche Energielieferanten angewiesen. Gleich wie die Korallen nahmen sie Algen als Symbionten in ihren Körper auf. Deren Photosynthese lieferte ihnen die nötige Energie. Dadurch aber war der mögliche Lebensraum stark eingeschränkt: Der optimale Bereich lag zwischen zehn und 15 Metern Wassertiefe. Trübes Wasser verkleinerte diese Zone. Weitere Grundbedingungen waren normales Meerwasser und ein subtropisches bis tropisches Klima mit mittleren Wassertemperaturen von mindestens 20 Grad Celsius. Damit ist zwar der Lebensraum definiert, nicht aber der Ablagerungsraum. Auch im Nummulitenkalk finden wir Hinweise auf Meeresströmungen. Kalkschlamm wurde oft weggespült, und in manchen Lagen sind die Nummuliten dachziegelartig angeordnet. Wir dürfen annehmen, dass Strömung und Stürme die (toten) Tiere aus ihrem Lebensraum in einen schwerer zu fassenden Ablagerungsraum verfrachtet haben.

Es ist dieser Nummulitenkalk, in dem wir die Eisen-Vererzung von Haslach zu suchen haben. Eisen ist im Meerwasser immer vorhanden. In einer gleich alten Lagerstätte in Bayern liegt es als Hydroxid-Kügelchen vor – durch Tonminerale und Kalk gebundener Rost. So wird es auch im Haslach gewesen sein. Doch als das Gestein während der Gebirgsbildung in die Störungszone eingeschuppt wurde, wurde es auch erhitzt. Dabei wandelte sich das leicht verhüttbare Eisenhydroxid zu schwer schmelzbarem Hämatit. Er ist wolkig im Kalkstein verteilt. Nur wo das Gestein zerbrochen ist, wurde das Erzmineral an den Bruchflächen angereichert. Diese dunkelrot gefärbten Partien waren das Hauptziel des Bergbaus. Und sie verhalfen der ehemaligen Abbaustelle „Rötelstein“ zu ihrem Namen.

Wer weiß, wo zu suchen ist, kann noch heute spärliche Zeugen des ehemaligen Bergbaus entdecken. Der Nummulitenkalk aber liegt im Wald nahe dem Schlipfbach. Mit etwas Glück kann man dort neben den Einzellern auch Muscheln, Schnecken, Seeigel oder gar einen Haizahn finden. Und natürlich das Erzmineral Hämatit.

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