Conrad Amber
„Bosco verticale“, 15-stöckiges Hochhaus in Mailand mit etwa 1000 Gehölzen, darunter auch Hochstammbäume. Seit zwei Jahren sind die Wohnblöcke in Betrieb und bewohnt.

Warum sich Grüngebäude wirtschaftlich auszahlen

Juni 2017

Nein, ich vertrete weder eine politische Partei noch eine wirtschaftliche Lobby, obwohl sich diese Aussage so deuten ließe. Es ist das Ergebnis einer zweijährigen Recherche und vieler Reisen quer durch Europa auf der Suche nach den Antworten für unsere Zukunft. Für eine verantwortungsvolle Zukunft mit einem gesunden Leben und in einem funktionierenden Wirtschaftsraum. Wenngleich sich manchmal Wirtschaft und Natur im Wege stehen, löst sich der gordische Knoten in diesem Beispiel überzeugend auf. Es geht um Flachdachbegrünungen und um grüne Fassaden. Es handelt sich um Biodiversität in einem bislang unbekannten Ausmaß auf und an unseren Gebäuden, Industriehallen, Freizeitanlagen und Wohnblöcken. Es geht um das Verbinden zwischen Architektur und Natur, um eine neue, naturnahe Haltung mit ökonomischer Wirkung. Und der Grund für meinen Optimismus sind die zahlreichen Projekte, die ich überall in Europa, vornehmlich in den großen Städten, besuchen und dokumentieren durfte. Gerade in den Ballungszentren wird uns vielfach vorgelebt, wie der Weg zurück zur Natur aussehen muss. Mit Brennnessel-Straßenrändern statt Kurzrasenschnitt, mit Alleen statt zugepflasterten Straßen, mit Naturparks mitten im urbanen Umfeld statt totgepflegten Hecken und kaputtgemähten Rasen. Und mit grünen Gebäuden.

In den Sommermonaten heizt es auf den riesigen Kiesflachdächern gehörig ein, bis zu 80 Grad Celsius herrschen da oben, auch über Nacht kühlt sich die Fläche nur langsam ab. Bei Starkregen werden 80 Prozent des Wassers bereits nach zwei Stunden in die Kanalsysteme abgeleitet.

Beides Lösungen, die unserer Umwelt dramatisch schaden. Mit einem Substrataufbau ab 15 Zentimetern und Begrünung mit geeigneten Pflanzen ändert sich das mit sofortiger Wirkung. Auf einer blühenden Sommerwiese sind maximal 35 Grad möglich, das Niederschlagswasser bleibt am Dach und verdunstet mit Kühleffekt langsam. Bei höheren Böden gedeihen blühende Büsche und Kleingehölze für die Bienenzucht und Honigproduktion oder für einen bequemen Ackerbau für Gemüse, Kräuter und Salate. Und, wo es statisch möglich ist (und das ist fast überall der Fall), können sogar hochstämmige Bäume in Baumquartiere gepflanzt werden, in deren Schatten das Ausruhen und der Freizeitgenuss zum Naturerlebnis der Extraklasse wird. Natürlich werden Baum­anpflanzungen von Profis – die es in unserem Land seit Längerem gibt – mit Wurzelgittern für die feste Verankerung und Windsicherungs-Seilen ausgeführt. Das ist längst keine Utopie mehr: Auf den Flachdächern der Wohnblöcke wird ein grüner Erholungsbereich für Mieter angeboten. Auf Industriehallen können die Mitarbeiter ihr eigenes Gemüse anbauen, auf Schwimmbädern und Parkhäusern gibt es öffentliche Grünparks mit höchstem Erholungswert. Bei entsprechender Substratstärke werden im Gebäude selbst erheblich Energiekosten eingespart. Kühlung im Sommer und Isolierung im Winter mit durchschnittlich bis vier Grad. Am meisten erstaunt dies: Die Dachhaut hält wesentlich länger, weil Frost, hohe Temperaturunterschiede und die aggressive UV-Strahlung keinen Schaden anrichten kann. Damit wird die Lebensdauer der Dachhaut verdoppelt! Was für ein finanzieller Vorteil! Und dabei schaffen sie neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere und Freizeitflächen in ungeahnten Ausmaßen! Beginnen wir am besten jetzt!

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