Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Das Misstrauen ist sicher da“

Januar 2025

Einigen sich Blau und Schwarz auf eine Bundesregierung? Politologe Peter Hajek im Interview über eine sich abzeichnende Zwangsheirat – und ein Argument, „das einfach nicht stimmt“.

Herr Hayek, wir führen dieses Gespräch Ende Jänner. Was zeichnet sich ab: Einigen sich Blau-Schwarz? Oder kommt es zu Neuwahlen?
Das kann Ihnen in Wirklichkeit niemand sagen, weil auch sehr wenig nach außen dringt. Aber angesichts der Situation und der geringen Alternativen, insbesondere der ÖVP, ist davon auszugehen, dass man eine Einigung schaffen wird. Zumal die freiheitliche Partei den Bundeskanzler nicht mehr auslassen kann und darf. Neuwahlen, die nicht der Weisheit letzter Schluss sind, brächten in der Gesamtgemengelage keine Veränderungen. Die FPÖ bliebe Erste mit – Stand heute – deutlich über 30 Prozent, bräuchte aber nach wie vor einen Koalitionspartner.
 
Es ist trotzdem eine offenkundig labile Sache. Die beiden Parteien sind sich nicht grün.
Das Misstrauen ist sicher da, da ist in der Vergangenheit viel passiert. Die Regierung wäre, wenn man so will, eine Zwangsheirat, keine Liebesheirat. Ich habe immer bezweifelt, dass es die großen Überschneidungen zwischen Blau und Schwarz gibt. Es ist ein Unterschied, ob man in Schlagworten und Überschriften miteinander spricht, der Teufel liegt im Detail.
 
In der FPÖ nahm man zuletzt die Aussage der ÖVP, die Blauen müssten vom rechten Rand in die Mitte rücken, mit großem Unmut auf …
 Aus Sicht der Blauen ist der Unmut natürlich verständlich. Koalitionsverhandlungen sollten vertrauensvoll geführt werden, da ist dieser Rüffel nicht angenehm. Die ÖVP hat das auch deshalb ventiliert, um den Kritikern Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie sagt: ‚Wir schauen schon darauf, dass alles ordentlich und rechtsstaatlich abläuft.‘ In Wirklichkeit bleibt das eine Fußnote in diesen Verhandlungen.
 
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung, was sagt der Meinungsforscher?
 Diese Regierungskoalition wird sicher nicht massiv unterstützt, sie hat aber auch keine Gegnerschaft in ausgesprochenem Übermaß. Ich würde von einem Unentschieden sprechen. Auch etwa die Hälfte der ÖVP-Wähler folgt dem Motto: Jetzt machen wir das halt, weil wir keine andere Möglichkeit haben.
 
Sie sagten zuvor, Neuwahlen seien nicht der Weisheit letzter Schluss. Warum?
 Warum? Weil es noch andere Möglichkeiten gibt. Scheitern die Regierungsverhandlungen, wäre wieder der Bundespräsident am Zug. Van der Bellen hätte dann die Möglichkeit, eine Expertenregierung für zumindest ein Jahr einzusetzen, die er durch den Nationalrat stützen ließe. Vier Parteien würden zustimmen, lediglich die Blauen wären dagegen. Aber das Allerwichtigste ist folgendes: Neuwahlen gibt es nur dann, wenn der Nationalrat sich selbst auflöst. Und wer außer den Freiheitlichen hätte daran Interesse? Niemand. Ich finde es recht belustigend, dass das immer so dargestellt wird: Blau-Schwarz einigt sich nicht. Und dann kommen Neuwahlen! Das stimmt einfach nicht.
 
Vielen Dank für das Gespräch!

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