
Von Bregenz an den „Tatort“
Sieghardt Rupp aus Bregenz war ein unglaublich vielseitiger Schauspieler, der im Film und auf der Bühne internationale Berühmtheit erlangte. Er brillierte am Theater an der Josefstadt, in Heimatfilmen, als Bösewicht im Karl-May-Western, als Kommissar im Tatort, und sogar in einer Seeaufführung der Bregenzer Festspiele war er in einer Hauptrolle zu sehen.
Im Jahr 1970 entstand mit dem „Tatort“ beim Westdeutschen Rundfunk eine neue Krimireihe, die zunächst als Produktion des Deutschen Fernsehens geplant war, sich später dann zu einer Gemeinschaftsproduktion von ARD, ORF und SRG entwickelte. Mittlerweile bei Folge 1305 angekommen, zählt der Dauerbrenner zu einer der ältesten und erfolgreichsten Fernsehserien im deutschsprachigen Raum. Mit dem Schauspieler Sieghardt Rupp, gebürtig in Bregenz, war ein Vorarlberger ein absoluter Pionier der Serie, der 1971 als Kommissar Kressin bereits in Folge 3 das Krimiparkett betrat und es dann 1973 mit seinem siebten Auftritt in Folge 31 auch schon wieder verließ.
Kommissar Kressin, den Sieghardt Rupp verkörpern durfte, war nicht irgendein Ermittler, sondern eine Ausnahmeerscheinung, die sich deutlich von den anderen Kriminalisten abhob. Waren die anderen hauptsächlich besonnene, kultivierte ältere Herren, wie etwa Fritz Eckhardt als der Wiener Oberinspektor Marek, widersetzte sich Kressin – der Mann blieb bis zu seinem Verschwinden ohne Vornamen – ohne jegliche Konventionen. Er war der vorweggenommene Schimanski und erinnerte in manchen Szenen sogar an James Bond. Der bei der Bundespolizei und dort beim Zoll angestellte Kressin verkörperte den coolen Einzelgänger, der Dienstvorschriften ignorierte und anstatt detektivischen Gespürs auch gerne mal die Fäuste sprechen ließ.
Er eroberte reihenweise schöne Frauen, die den adretten Fahnder mit dem Gel im Haar verehrten. Zu seinem Lebensstil gehörten schnelle Autos, jede Menge Alkohol sowie auch permanente Geldknappheit und Schulden. In der Wikipedia haben sich Tatort-Fans die Mühe gemacht, alle Folgen im Detail zu beschreiben und so lässt ein Auszug zu „Kressin stoppt den Nordexpress“ die Stimmung inhalieren: „Lässig schlendert Zollfahnder Kressin durch das sonnengeflutete Kopenhagen, im Dienst auf den Spuren von Pornoschmuggel, in Wirklichkeit mehr an seiner dänischen Freundin Birgit interessiert als an seinem eigentlichen Auftrag. Ruppig und mit unverhohlener Verärgerung wird er von seinem Vorgesetzten zurück nach Köln beordert – per Bahn, da kurzfristig keine Flüge verfügbar sind. Doch Kressin, stets auf der Jagd nach weiblicher Gesellschaft, entdeckt im Reisebüro eine attraktive Blonde mit einem schweren Koffer und entscheidet spontan, diese Reise könnte doch unterhaltsamer werden als gedacht.“
Die Rolle von Kressin, die Sieghardt Rupp so authentisch verkörperte, war ein derart großer Publikumserfolg, dass es in diesen Jahren einen deutlichen Anstieg an Bewerbungen bei der Zollfahndung gegeben haben soll. Dem coolen Kommissar war allerdings nur eine kurze Zeit beim Tatort beschieden; nach sieben Folgen bei der Bundespolizei kamen nur noch drei Folgen mit Kressin als Gastermittler zur Ausstrahlung. Der genaue Grund für das schnelle Ende sei entweder bei internen Querelen im WDR zu suchen, oder aber bei Rupp selbst, dessen wahre Liebe dem Theater gehörte, dem er sich dann wieder vermehrt widmete. Verständlich, denn Rupp hatte eine solide Ausbildung an einer renommierten Schauspielschule genossen. Als Sohn des Bregenzer Schuldirektors Bartle Rupp sollte er zunächst Welthandel studieren, wechselte aber dann rasch ans Wiener Max-Reinhardt-Seminar, das er schon 1953 erfolgreich abschließen konnte. Der erste öffentlich bekannte Auftritt Rupps erfolgte bereits 1953 im Rahmen der Ausbildung, wo Rupp die Hauptrolle in Goethes Egmont verkörperte und in der „Presse“ mit Lob überhäuft wurde: „In Sieghardt Rupp stand ein haltungsvoller, durchdachter, stilerfüllter Egmont auf der Bühne.“ 1954 feierte er den nächsten Erfolg: Ihm wurde für eine Rolle in einem Hoffmansthal-Stück der „Preis der Akademie für Musik und darstellende Kunst für die beste schauspielerische Leistung des Jahres“ verliehen, was ihm dann auch ein Engagement als jugendlicher Charakterdarsteller am Stadttheater Klagenfurt einbrachte. Eine heimische Zeitung jubelte und gratulierte „herzlich zu diesen Erfolgen, die dem Ruf unseres ‚Ländle‘ nur Ehre machen“. Klagenfurt war allerdings bei weitem nicht die Endstation für den äußerst vielseitigen Schauspieler.
Mit Clint Eastwood
Er verkörperte Rollen wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Die Auflistung seiner Engagements und seiner Filmpartner liest sich wie das „Who is Who“ der nationalen und internationalen Theater- und Filmszene. Beginnend mit den typischen österreichischen Heimatfilmen an der Seite von Peter Weck und Paul Hörbiger folgten dann internationale Erfolge, mit dem Höhepunkt „Für eine Handvoll Dollar“ an der Seite von Clint Eastwood. Noch vor dem „Tatort“ zog es Rupp ein weiteres Mal in den „Wilden Westen“, mit Kollegen wie Stewart Granger, Lex Barker und dem damals noch unter seinem ursprünglichen Namen auftretenden Mario Girotti alias Terence Hill in der Karl-May-Verfilmung „Unter Geiern“. Weitere Klassiker in seiner Filmographie sind „Der Bockerer“ 1981 und „Steiner – Das Eiserne Kreuz“ 1983. Seine Liebe galt aber dem Theater, zuletzt am Theater an der Josefstadt, aber auch mehrfach in Produktionen der Bregenzer Festspiele.
Sein Tod war sogar der deutschen „Bild“ einen Artikel wert, da man sein Ableben mysteriöser nicht hätte inszenieren können. Denn erst als das Filmarchiv Austria zu seinem 85. Geburtstag eine Retrospektive veranstalten wollte, wurde bekannt, dass Sieghardt Rupp schon seit zehn Monaten tot war. In typischer „BILD“-Manier zieht der dortige Reporter sein Resumee: „Deutschland liebte und hasste ihn – weil er so undeutsch war. Frauen schwärmten, Männer stöhnten – aber neidisch. Auch ich wollte immer wie Kressin sein (ich traf ihn mal auf einer Party in München: cool, elegant, sehr wienerisch). Die Tragik seines Lebens: Rupp war ruppig, aber er hasste ,Kressin‘: „Er war ein einsamer Wolf mit der Seele eines Lamms.“
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