Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Von Feldkirch nach Santiago

Februar 2016

Ein Vorarlberger mit Schweizer Pass wandert nach Südamerika aus, und sowohl sein Sohn als auch sein Enkel werden Staatspräsidenten von Chile. Eine ungewöhnliche Geschichte,
die auch in den Sammlungen der Vorarlberger Landesbibliothek ihren Niederschlag findet. Zahlreiche Publikationen von und über Eduardo Frei-Montalva belegen dessen politische Bedeutung für Chile und die dortige christdemokratische Bewegung.

Der Vorarlberger Historiker Georg Sutterlüty schrieb im Rahmen seiner Dissertation 2010 über Eduardo Frei Montalva und dessen Herkunft aus Vorarlberg und lenkte damit die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf ein Vorarlberger Auswandererschicksal. Eigentlich handelte es sich bei der Familie Frei um eine alteingesessene Schweizer Familie, von der ein Zweig sich in Vorarlberg niederließ, der aber immer die Verbundenheit mit der Schweiz pflegte. So blieben sie im katholischen Vorarlberg stets dem evangelischen Glauben treu und behielten auch den Schweizer Pass. Eduard Frei, 1885 in Feldkirch geboren, wanderte 1909 nach Chile aus, wobei die Gründe für den Fortgang sowohl im persönlichen als auch im allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld zu suchen sind. Der 1872 gegründete Stickereibetrieb der Familie florierte zunächst prächtig, was ein bürgerliches Leben in mittelständischem Wohlstand erlaubte. Einen Einblick in das Leben der Familie Frei gibt Regina Lampert – die Schwabengängerin, die dort als Haushälterin beschäftigt war. Als der älteste Sohn Feldkirch Richtung Südamerika verließ und wenig später der Vater an Tuberkulose verstarb, begann der Zerfall der Familie in Feldkirch. 1909 folgte dann eben auch Eduard Frei seinem Bruder und ließ den alten Kontinent für immer hinter sich. Er arbeitete in Santiago de Chile als Buchhalter bei der Eisenbahn, heiratete bald die einheimische Victoria Montalves Martinez, erkrankte aber früh an Krebs und verstarb bereits 1935.

Sein Sohn Eduardo Frei Montalva (1911–1982) engagierte sich bereits als Student politisch und war 1957 an der Gründung der Christdemokratischen Partei Chiles (Partido Demócrata Cristiano de Chile) beteiligt, als deren Kandidat er 1964 zum Präsidenten Chiles gewählt wurde. Er zog damit die internationale Aufmerksamkeit auf sich, war doch sein Programm ein Gegenentwurf zu den Aktivitäten der aufstrebenden Linken in Südamerika. Am 4. September 1964 feierte Chile die Wahl des neuen Präsidenten Eduardo Frei Montalva, der sich gegen seinen Rivalen aus dem sozialistischen Lager, Salvador Allende, klar durchgesetzt hatte. Über 56 Prozent der am Urnengang teilnehmenden Chilenen stimmten für ihn und ermöglichten es damit erstmals einem Christdemokraten, sich an die Spitze eines lateinamerikanischen Staates zu setzen.

Sein christdemokratisches Projekt konnte die Erwartungen der Bevölkerung nicht erfüllen, und so folgte ihm 1970 Salvador Allende im Präsidentenamt nach, der dann seinerseits 1973 die Macht an die Militärs unter General Pinochet abgeben musste. Nachdem Frei sich 1982 einer eigentlich harmlosen Leistenoperation unterziehen musste, starb er kurz danach an den Folgen einer sich rapide verschlimmernden Infektion. Viele Jahre später erhärtete sich der Verdacht, dass er ermordet wurde, weil er Menschenrechtsverletzungen des Regimes öffentlich angeprangert hatte. 28 Jahre nach dem mysteriösen Tod des ehemaligen Staatspräsidenten wurden in Santiago de Chile sechs Verdächtige festgenommen, darunter vier behandelnde Ärzte sowie zwei Helfer, denen die Vergiftung des prominenten Patienten vorgeworfen wurde.

Mit dem Casa Museo Eduardo Frei Montalva wurde in Santiago de Chile sogar ein kleines Museum gegründet, das sich mit seinem Leben auseinandersetzt. Im dazugehörigen Online-Archiv finden sich zahlreiche Fotos von Frei, beginnend mit seiner Jugend bis hin zu seiner Präsidentschaft. Es finden sich dabei zahlreiche Bilder von seinen Auslandsreisen, etwa der Besuch bei Queen Elizabeth in London, oder jener bei Golda Meir in Israel.

Die Familie Frei blieb auch nach dem Tod von Eduardo Frei Montalva eine politisch mächtige Familie in Chile. Ein Sohn des Präsidenten – geboren 1942 – erhielt ebenfalls den Namen Eduardo und wurde nach der Militärdiktatur Pinochets zum politischen Oberhaupt des Landes gewählt (1994–2000). Eduardo Frei Ruiz-Tagle kandidierte dann 2009 erneut für die Präsidentschaft, musste sich dieses Mal jedoch seinem rechtsgerichteten Konkurrenten Sebastián Piñera knapp geschlagen geben.

www.casamuseoeduardofrei.cl

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