J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Frühlingsboten

April 2015

Pflanzen und Tiere zeigen die Jahreszeit.

Seit 20. März ist Frühling – zumindest im astronomischen Sinn: Am 20. März waren Tag und Nacht gleich lang. Der Frühling wird bis zum 21. Juni dauern. Dann hat die Sonne ihren scheinbar nördlichsten Punkt erreicht, und danach wird die Tageslänge wieder abnehmen. Tagundnachtgleiche (Äquinoktium) und Sonnenwende (Solstitium) sind die markantesten Zeitpunkte im astronomischen Jahresverlauf, und es ist nur verständlich, dass sich die Gliederung des Jahres nach diesen Fixpunkten richtet. Doch ein Blick aus dem Fenster lässt erkennen, dass die Lebewelt draußen sich nicht an diese vom Menschen erstellte Definition hält. Sobald der Schnee verschwunden ist, sobald es wieder wärmer wird, beginnen die Pflanzen zu blühen, kriechen die Insekten aus ihren Verstecken, kehren die Zugvögel aus den Winterquartieren im Süden zurück.

Am einfachsten zu beobachten sind Pflanzen. Sie sind leicht zu bestimmen, und vor allem: Sie sind ortsgebunden und verstecken sich nicht. Ein täglicher kurzer Blick genügt, um das erste Blühen im Kalender vermerken zu können. Blüte und Reife ausgewählter Pflanzen sind daher jene im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Erscheinungen, welche die phänologischen Jahreszeiten bestimmen. Frühling, Sommer und Herbst sind hier in drei Perioden geteilt, nur der Winter wird nicht weiter gegliedert.

Mit der ersten Blüte von Haselnuss, Schneeglöckchen, Schwarz-Erle und Salweide beginnt der Vorfrühling. Ihm folgt der Erstfrühling mit Forsythie, Stachel- und Johannisbeere, später mit Kirsche, Zwetschke und Birne sowie Schlehdorn und Ahorn. Der Vollfrühling startet mit der Blüte von (Kultur-)Apfel und Flieder. Der phänologische Kalender kennt kein fixes Datum: Von Jahr zu Jahr verschieben sich die Jahreszeiten, und auch vom Standort selbst sind sie abhängig: Weiter im Norden, höher am Berg bleibt es länger kalt als im Süden oder in Tallagen. Diese klimatisch gesteuerten Phänomene bestimmen letztendlich auch Jahresverlauf und Tätigkeiten des Landwirts.

Fehlen die charakteristischen Zeigerpflanzen, so schließen Tiere die Lücke. Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge und Zi­tronenfalter gehören zu jenen Schmetterlingen, die als erwachsenes Tier überwintern. Glycerin, Sorbit und Eiweißstoffe senken den Gefrierpunkt ihrer Körperflüssigkeiten so sehr, dass sie auch Temperaturen von bis zu minus 20 Grad schadlos überstehen. Gewinnt die Sonne wieder Kraft, werden sie fliegende Frühlingsboten. Nach dem Nicht-Winter 2013/14 wurden im Vorjahr bereits Mitte Februar die ersten Falter gesichtet. Heuer mussten sich Schmetterlingsfreunde (wie in „normalen“ Jahren) einen Monat länger gedulden. Der Admiral hingegen gilt als klassischer Wanderfalter: Noch in den 1980er-Jahren wanderten die Tiere alljährlich im Frühjahr aus dem Mittelmeerraum nach Norden. Inzwischen aber ist diese Art in Mitteleuropa weitaus häufiger anzutreffen als südlich der Alpen. Der Admiral überwintert als Ei, als Raupe und vereinzelt als Puppe. Im Februar 2014 gelang erstmals der Nachweis, dass selbst adulte Falter einen milden Winter in Vorarlberg pro­blemlos überstehen können. Auch heuer war er unter den ersten Frühlingsboten zu finden.

„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ – nicht alle Vögel einer Art kehren gleichzeitig heim. Dennoch richten sich die verschiedenen Arten nach einem klaren Zeitplan. Ende Februar gehören Star und Kiebitz zu den ersten Rückkehrern. Der Weißstorch folgt Mitte März, und zu diesem Zeitpunkt machte heuer ein Trupp von 20 Tieren beim Müllberg in Lustenau Rast. Erst im April kommen die Schwalben. Gartengrasmücke, Grauschnäpper und Neuntöter gehören zu jenen Vogelarten, die sich gar bis in den Mai hinein Zeit lassen.

Das Naturdokumentationszentrum der inatura registriert auch phänologische Daten. Denn wir leben in einer spannenden Zeit: Ob Verschiebungen wie beim Admiral vom Klimawandel verursacht sind oder andere Gründe haben, möchten und können wir nicht beurteilen. Aber die von der inatura dokumentierten Beobachtungen sind wichtige Steine in einem Gesamtbild. Erst durch sie wird der Wandel fassbar.

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