Sabine Barbisch

„Ich mache Schubladen auf – und zwar von innen“

Mai 2015

Barbara Pachl-Eberhart hat ihren Mann und ihre beiden kleinen Kinder bei einem tragischen Unglück verloren. Warum sie mehr als ein „wunder Punkt“ und heute Autorin ist und wie sie sich aus der Schublade „trauernde Frau“ befreite, erzählt sie hier.

Querflöte an der Hochschule, Ausflüge in diverse Studienfächer, die Diplomprüfung für das Lehramt an Volksschulen, Clown bei den „Rote Nasen“-Clowndoctors, akademische Atempädagogin, Dialogprozessbegleiterin, Referentin in Bildungshäusern, Hospizvereinen und Unternehmen und schließlich Autorin – Barbara Pachl-Eberharts berufliche Stationen sind vielfältig. „Bei mir geht es sehr stark um das Herauskristallisieren von Schwerpunkten. Ich möchte alles tief machen, dazu muss man auch mal Sachen hinter sich lassen. Mein derzeitiger Fokus ist das Schreiben“, erzählt die in Wien geborene Pachl-Eberhart. Zum Schreiben ist sie durch einen schweren Schicksalsschlag gekommen: 2008 starben ihr Mann und ihre beiden Kinder bei einem tragischen Unfall, sie blieb zurück. Mit ihrem Erstlingswerk „Vier minus drei“ hat sie aus diesem Schicksal geschöpft. Sie versuchte mutig zu sein und beschreibt, wie sie es schaffte, den Tod ihrer Familie zu verwandeln – und schließlich auch sich selbst. Im Nachfolgewerk „Warum gerade du?“ wagt sie einen Blick zurück auf die Jahre der Veränderung seit dem Unfall und erkennt, dass Trauer mehr als eine Phase, mehr als ein Gefühl ist, und auch, „dass ich mehr bin als Schmerz und ein wunder Punkt“.

Das eigene Schicksal erzählen

Barbara Pachl-Eberhart macht viele Lesereisen und referiert zum Thema Trauer, jüngst war sie zu einem Vortrag in Mäder. Wie ist es, ständig und vor vielen Zuhörern über das eigene Schicksal zu sprechen? „Ich sehe das als meine Lebensaufgabe – das Geschehene zu kommunizieren. Ich bin Vorbild im ‚auf dem Weg sein‘, ich zeige den Menschen, dass es weitergeht.“ Das mache sie auch mit dem Publikum: „Ich hole die Leute ab, wo sie mich sehen, und nehme sie mit. Am Anfang war ich trotzig, verärgert, habe damit gehadert, heute sehe ich es als schöne Aufgabe – und zwar immer wieder. Ich mache Schubladen auf – und zwar von innen.“ Denn im Zuge der Veröffentlichung ihres Buchs und mit ihrer steigenden Bekanntheit wuchs auch die Kritik an ihrem unkonventionellen Weg, mit dem Verlust ihrer Familie umzugehen. „Es gab vor allem Kritik an meinem Trauerprozess – ich lernte bald einen neuen Partner kennen. Die völlig verkrustete Moral einiger Menschen kam zutage. Sie stellten eine einfache Rechenaufgabe auf: Wenn sie sich so schnell wieder verliebt, kann sie ihren verstorbenen Mann nicht sehr geliebt haben. Ich sage: Nur wenn man so geliebt hat, kann man auch Ja zu einer neuen Liebe sagen. Einen neuen Partner zu haben, heißt nicht, die Trauer zu vergessen. Vielmehr hätte ich vieles alleine gar nicht geschafft – zum Beispiel eine ganz tiefe Trauer zuzulassen.“

Außerdem wurde sie mit einem sehr „österreichischen Phänomen“ konfrontiert, wie sie sagt. Der Vorwurf lautete: Jetzt schlägt sie Kapital aus ihrem Schicksal. „Da steckt immer derselbe Denkfehler dahinter: Trauernde müssen arm und unglücklich sein – dafür bekommen sie Mitgefühl. Diesem Bild zu entsprechen, wird schwierig, wenn man einen Bestseller schreibt und erfolgreich und glücklich ist. Menschen werden unfair, wenn sie sich nicht auskennen. Ich versuche zu erklären, dass es kein Entweder-oder gibt.“

Grenzen und „Zugbrücken“

Vielleicht ist gerade das der Grund, warum so viele Menschen mit ihr in Kontakt treten möchten. „Wenn man das versucht zu erfüllen, sprengt das den Rahmen und es ist sehr erschöpfend für mich“, berichtet Pachl-Eberhart von den Schattenseiten ihrer Bekanntheit. Sie sagt aber auch: „Momentan gehört das zu meiner Aufgabe.“ Grenzen zu ziehen sei aber sehr wichtig, denn „wenn ich auf Lesereise bin, könnte ich jeden Abend mit Geschichten von 20 bis 30 Verstorbenen heimkommen, weil mir die Menschen so vieles erzählen. Dieser Rucksack ist mir aber zu schwer geworden.“ Deshalb kommuniziert sie bei ihren öffentlichen Auftritten ganz klar, dass sie das nicht möchte. Dann sei es auch leichter, die „Zugbrücke“ für Gespräche und Geschichten auch wieder mal runterzulassen.

Ein neues Leben – ohne Angst

Eine Quelle für ihren (Lebens-)Mut ist für Pachl-Eberhart, dass „ich das Schlimmste schon erlebt habe. Meine Grundnaivität wurde mit dem Unglück meiner Familie zerstört. Wenn man aber weiß, dass das Fürchterlichste schon passiert ist, kann das eine Quelle für Mut sein.“ Sie lebe jetzt angstfreier. Heute, sieben Jahre danach, zeichnet sich eine größere Veränderung ab: „Noch bis Ende 2015 werde ich ‚Trauer-Lesungen‘ abhalten. Aber ich bin mehr als eine Frau, die um ihren Mann und ihre Kinder trauert“, sagt Pachl-Eberhart. Als nächstes wird sie sich der Frage „Wozu werde ich hier gebraucht?“ widmen. Für sie gehe es darum, sich nicht von der Angst dominieren zu lassen und vor allem beherzt zu leben und mutig zu sein. Das Wort „Vitalcourage“, das sie in diesem Zusammenhang kreiert hat, ist der nächste Schwerpunkt, der sich in ihrem beruflichen und persönlichen Engagement herauskristallisiert.

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