Severin Holzknecht

* 1987 in Lustenau, Historiker, Mitarbeiter der Vorarlbergensien-­Abteilung in der Vor­arl­berger Landesbibliothek.

Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Margret Dünser „Ich habe nie gehasst“

Juni 2022

Und dabei hätte sie doch allen Grund gehabt zu hassen! Denn Margret, damals noch Grete Dünser aus Dornbirn, wurde 1955 rücksichtslos aus ihrem Beruf beim ORF gemobbt, kriminalisiert und verließ daraufhin fast notgedrungen Vorarlberg. Im Rückblick konnte sie dieser Tatsache sogar noch Positives abgewinnen, denn ohne den Zwist mit ihrem Arbeitgeber wäre die spektakuläre Karriere im Ausland vermutlich nicht in dieser Form möglich gewesen.
In den meisten Biografien über Dünser heißt es nur, dass ihr in jungen Jahren Veruntreuung vorgeworfen wurde und sie dafür sogar kurzfristig ins Gefängnis musste. Wenn man anhand der ausführlichen Berichterstattung in den „Vorarl­berger Nachrichten“ versucht den Fall nachzuvollziehen, immer der subjektiven Einschätzung der Zeitung bewusst, erhält die Causa schnell eine größere politische Dimension. Grete Dünser leitete mit erst 28 Jahren zunächst die Literatursparte und dann ab 1. Juni 1954 die Programmabteilung der Sendergruppe West-Tirol/Vorarlberg in Lauterach. Ihr wurde großes journalistisches Talent bescheinigt und es wird berichtet, dass sie fließend Englisch, Französisch und Italienisch sprach. Nach der Übernahme des Senders im Dezember 1954 durch den ORF nahm ihr Aufstieg ein jähes Ende, da sie 1955 vom Dienst suspendiert wurde, mit dem Vorwurf, Honorare falsch abgerechnet zu haben. Insgesamt belief sich der Streitwert auf insgesamt 2700 Schilling. Die Suspendierung war äußerst umstritten, so vermuteten die Vorarlberger Nachrichten hinter den Aktivitäten einen „sozialistischen Querschuß“ aus Wien. Die Zeitung lobte Dünsers Fleiß und ihre „kulturell-föderalistische Haltung“, versicherte sie zudem der Sympathien tausender Zuhörerinnen und Zuhörer. Erich Müller, der Leiter des aktuellen Dienstes in Vorarlberg wurde von den VN als ihr Hauptwiderpart bezeichnet und da dieser aus einer „alten Bregenzer Familie“ stammte – bezeichnete die Zeitung sein Verhalten als „Vergehen gegen sein Heimatland Vorarlberg“.
Grete Dünser ging in den auf ihre Suspendierung folgenden Tagen in die Offensive und beantragte ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst. Vertreten durch den bekannten Völkerrechtler Theodor Veiter aus Feldkirch, gab das Arbeitsgericht in Feldkirch der Beklagten bereits am 25. Jänner 1956 zumindest in Teilen recht. Als Grete Dünser am Tag darauf an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollte, wurde ihr der Dienstantritt jedoch verweigert und die neuerliche Suspendierung mitgeteilt. Die VN berichtete schließlich am 3. Februar 1956 über die fristlose Entlassung Dünsers und kam zum Schluss, dass durch diese Kündigung „menschliche Grundrechte schwerstens verletzt“ worden wären.
Danach verlagerte sich der Fokus in der Berichterstattung über diese Angelegenheit vollends weg von Grete Dünser hin zu einer in jenen Jahren von den VN stark befeuerten und polemisch betriebenen Föderalismusdiskussion. Der Fall Dünser wurde nun sogar im österreichischen Nationalrat thematisiert, denn Abgeordnete des VdU (Verband der Unabhängigen und Vorgängerpartei der FPÖ) richteten eine Anfrage an den zuständigen Verkehrsminister Karl Waldbrunner von der SPÖ, in der sie – einen weiten Bogen spannend – die Rechtmäßigkeit der Einhebung von Rundfunkgebühren in Frage stellten. Grete Dünser wurde derweil zu einer Art Vorarlberger Jeanne d’Arc hochstilisiert. Sie wäre „die festeste Säule der Vorarlberger Interessen, die in Wien für unser kleines und bescheidenes Studio und dessen Existenz stets gerungen hätte, nun aber „beseitigt“ worden wäre, „um eine zentralistische Lawine auslösen zu können.“
Schließlich stellten sich alle Vorwürfe als haltlos heraus, ein Arbeitsgericht entschied zu ihren Gunsten und erklärte die fristlose Entlassung für null und nichtig. Am Vorabend ihres neuerlichen Dienstantritts an ihrem alten Arbeitsplatz dann die ultimative Eskalation. Da Dünser von Seiten des ORF nun plötzlich beschuldigt wurde, Millionenbeträge veruntreut zu haben, da sie Spesen- und Reiseabrechnungen gefälscht habe, erfolgte in ihrem Elternhaus eine Hausdurchsuchung und ihre Inhaftierung im damals berüchtigten Frauengefängnis von Feldkirch. Insgesamt sollte die junge Frau dort fast sechs Wochen in Haft bleiben, bevor sich die Vorwürfe wieder als unbegründet herausstellten. Die Haft scheint Dünser massiv getroffen zu haben, denn in ihrer Biographie behandelt sie 23 Jahre später kaum ein Thema so ausführlich wie eben diese schreckliche Zeit: „Die ersten Tage in Einzelhaft waren vielleicht die schlimmsten meines Lebens: das Alleinsein, mit niemanden sprechen zu können, die sich dahinschleppenden Minuten, Stunden. Ich betete. Seit meiner Kindheit hatte ich nicht mehr gebetet. Manchmal lachte ich, wie eine Idiotin.“
Vollständig rehabilitiert zog es Grete Dünser dennoch vor das Land zu verlassen und in Stuttgart beim Süddeutschen Rundfunk (SDR) eine Stelle anzunehmen. 1963 wechselte sie als Redakteurin und Moderatorin nach Wiesbaden zum gerade gegründeten ZDF. In ihren Sendungen „Rom aktuell“, „London aktuell“ sowie „Paris aktuell“ berichtete sie unterhaltsam aus den Modemetropolen Europas, und erhielt für diese Sendung 1968 die „Goldene Kamera“ verliehen.
Als 1969 Jeans und unkomplizierte Fertigkleidung begannen die Kreationen der Haute Couturiers zu verdrängen, begann Margret Dünser, wie sie sich inzwischen nannte, über ein neues Format nachzudenken. Der Programmdirektor des ZDF konnte davon überzeugt werden und ein Arbeitstitel war schnell geboren: die Entwicklung der „V.I.P.-Schaukel“ nahm ihren Lauf. In ihren Memoiren „Highlife“ beschreibt Dünser die Idee der neuen Sendereihe: „Es sollte eine Abfolge von Star-Miniporträts werden. Mit wenigen Ausnahmen verwetteten die Experten keine Mark, daß unsere Show mehr als ein Jahr überstehen, geschweige denn erfolgreich sein würde.“

Ich weiß es zu schätzen, dass meine Sendung den Stempel der Unterhaltung trägt.

Neben der glamourösen Welt der Promis bedeutet die „V.I.P.-Schaukel“ auch viel handwerkliches Geschick und unendlichen Fleiß, besonders wenn es darum ging die Interviews in eine ausstrahlungsreife Sendung zu gießen: „Das bedeutet für jede Sendung vier arbeitsreiche Wochen in Wiesbaden. Zunächst täglich zehn Stunden und mehr im Schneideraum … In den Nächten schrecke ich auf aus unbekannten Träumen. Meine Glieder sind gefühllos. Der Streß wird mich noch umbringen.“
Margret Dünser gelang es in den folgenden Jahren in unnachahmlicher Weise die prominentesten Vertreter:innen aus Politik, Film, Literatur und Wirtschaft in der „V.I.P.-Schaukel“ zu porträtieren. In einer treffenden Analyse werden die Merkmale der Sendung beschrieben: „Sie besuchte die Stars meistens zu Hause, stellte sich auf sie und ihr Umfeld ein, war immer höflich aber hartnäckig, ging bei den Gesprächen in die Tiefe und erreichte auf diese Weise, dass die Stars sich ihr öffneten, den PR-Text vergaßen und von ihren Ängsten und Träumen redeten. Bis heute gilt die „V.I.P.-Schaukel“ als nie wieder erreichter Standard des TV-Klatsches.“
Das neue Format wurde später sogar Inhalt von mediengeschichtlichen Untersuchungen in denen die Sendung von manchen „als Klatsch und Tratsch gesehen wird, als billige Chance für die Repräsentanten des ,Highlife‘, sich in selbstbeweihräucherndem Geschwätz zu ergehen“. Von der Qualität der eigenen Sendung überzeugt widersprach Margret Dünser solcher Kritik in ihrer Autobiographie energisch: „Die Kritiker der Unterhaltung, die Zerpflücker jedes Sentiments, sind nur so streng, weil sie selbst unfähig sind, sich betören zu lassen, weil ihre Phantasie nur in Zerstörerischem, Häßlichem wühlt. In Wahrheit sind sie armseliger und verklemmter als die Anbeter von Schein und Machwerk. Ich weiß es zu schätzen, daß meine Sendung den Stempel der Unterhaltung trägt.“ Zudem bezeichnete sie ihre Art mit den Prominenten umzugehen nur als Trick: „Wenn ich gleich kritisierend ins Haus falle, erfahre ich doch kein Wort.“
Beim Publikum jedenfalls kam die Sendung gut an und erzielte konstant hohe Einschaltquoten. So entstanden dann insgesamt 36 Folgen, die zwischen 1971 und 1980 gedreht wurden. Die Liste der porträtierten Personen ist lange und erstreckt sich von Politik (Bruno Kreisky, Robert Kennedy, Kurt Waldheim, Ronald Reagan, Richard Nixon,…) über Schauspiel (Gina Lollobrigida, Peter Sellers, Gunter Sachs, Klaus Kinsky, Anthony Perkins, Orson Welles, Raquel Welch, Henry Fonda, Roger Moore, John Wayne, Gregory Peck, Telly Savallas, Peter Falk, Woody Allen…), über Musik (Ringo Starr, Harry Belafonte, Dean Martin,…) und über Königshäuser (Queen Elizabeth II., Begum Aga Khan, Anne-Marie von Dänemark,…) bis hin zu anderen Berühmtheiten (Salvador Dali, Mark Spitz, Sir Edmund Hillary,…)
Am 9. Mai 1980 lief im Programm des ZDF die letzte Folge der „VIP-Schaukel“ in der Robert Redford, Dustin Hofmann und Paul Ehrlichman, der als Nixon-Berater tief in den Watergate-Skandal verwickelt war, porträtiert wurden. Die Bearbeitung der Sendung erledigte Margret Dünser schon aus dem Krankenhaus, wo sie nach langer Krankheit am 5. Juni 1980 in Basel erst 54 Jahre alt ihrem Krebsleiden erlag. Obwohl die Sendung regelmäßig ein Millionenpublikum verzeichnen konnte, entschied der damalige Programmdirektor des ZDF, dass die Sendung nicht weitergeführt werden soll. Als Begründung wurde angeführt, dass Dünser mit ihrem journalistischen Spürsinn und ihrer Fairness unnachahmlich sei und das Format ohne sie keinen Sinn mehr mache. Ihre letzte Ruhestätte fand Dünser schließlich in ihrer Heimatstadt Dornbirn, der sie ein Leben lang verbunden blieb. So ist auch der Nachlass von Grete Dünser, der 33 dicke Ordner umfasst, wohlgeordnet im Stadtarchiv Dornbirn verwahrt. Dort finden sich nicht nur zahlreiche Artikel über sie und von ihr, sondern auch Materialien, Manuskripte und Notizen über ihre prominenten Interviewpartner. Viele Ordner werden durch die mehrfach überarbeiteten und korrigierten Texte für die Sendungen gefüllt, wie etwa die Einleitung für den amerikanischen Schauspieler und Regisseur Orson Welles.

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