
Leerstand als Chance – Wie Bregenz Innenstadt neu denkt
Leerstände in Innenstädten sind vielerorts sichtbare Zeichen des Strukturwandels im Handel. Auch in Bregenz gibt es ungenutzte Flächen, doch die Stadt begegnet dem Thema mit strategischer Konsequenz – und einer Haltung, die nicht auf Rückzug, sondern auf Erneuerung setzt. Von Klaus Feldkircher
Bregenz war früh dran. Gezwungenermaßen. Schon vor Jahren musste man sich systematisch mit dem Thema Leerstand auseinandersetzen. Deshalb wurden Abläufe definiert, externe Berater eingebunden und Pilotprojekte gestartet. Heute ist das Management von Leerflächen kein Ausnahmefall, sondern Teil des täglichen Stadtmarketings, wie Leiter Robert S. Salant erklärt. Der regelmäßige Austausch mit vergleichbaren Organisationen im deutschsprachigen Raum sorge zudem für die Weiterentwicklung von Best-Practice-Modellen.
Strukturiertes Vorgehen statt Aktionismus
Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt in der gezielten Ansprache von Eigentümern – ein Bereich, der sich als besonders herausfordernd erwiesen hat. Viele Eigentümer wohnen nicht vor Ort und nehmen Leerstände in Kauf, statt Mieten anzupassen. Oft fehlt der wirtschaftliche Druck, Flächen rasch weiterzuvermieten. Daher setzt die Stadt auf persönliche Gespräche, auf Sensibilisierung und auf faktenbasierte Argumentation. Der jährlich erscheinende Immobilienpreisspiegel dient als Benchmark, um realistische Mietniveaus aufzuzeigen. Aktuell schwanken diese zwischen 14 und 25 Euro. „Leerstände schaden allen – Eigentümern, der Stadt und den Passanten“, betont Salant. Das Bregenzer Modell sieht das Stadtmarketing als Vermittler, nicht als Makler. Es bringt Eigentümer und potenzielle Mieter zusammen, zeigt Branchenpotenziale auf und unterstützt, wo Hürden bestehen. Ziel ist es, neue Nutzungskonzepte zu ermöglichen. Aktuell verzeichnet die Innenstadt sechs „verfügbare“ Leerstände, davon fünf im Handel und einer in der Gastronomie, berichtet Niklas Keller, Leiter des Wirtschaftsservice. Und: „Weitere Leerstände haben entweder bereits Nachfolgelösungen gefunden, oder kommen aufgrund des jeweiligen Gebäudezustands derzeit nicht als Option für Neuvermietungen in Betracht.“
Signal aus der Kaiserstraße
Besonderes Augenmerk bei der Neuvermietung gilt eigentümergeführten, jungen und regionalen Unternehmen. Statt auf internationale Ketten zu setzen, will die Stadt authentische, charakterstarke Betriebe fördern – Geschäfte, die zur Identität der Stadt beitragen. Erfolgreiche Beispiele sind etwa der Weltladen oder Panto Outdoor. Für Geschäftsführer Pascal Sonnleithner ist die Rückkehr nach Bregenz ein symbolischer Schritt: „Es fühlt sich richtig cool an, wieder hier zu sein“, sagt er. Auf rund 270 Quadratmetern entsteht derzeit ein zweigeschossiger Standort, der Mitte November eröffnet werden soll.
Wirtschaftsstadtrat Robert Vögel sieht darin ein wichtiges Signal: „Wir haben vom Leerstand erfahren und die Firma Panto direkt kontaktiert. Der Leerstand ist vorhanden, aber wir reagieren schnell, wenn sich Möglichkeiten ergeben.“ Für ihn zeigt das Beispiel, dass in Bregenz nicht Stillstand herrscht, sondern Bewegung. Leerstand wird nicht als Makel betrachtet, sondern als Raum für neue Ideen.
Tatsächlich ist die Flächenverfügbarkeit in der Bregenzer Innenstadt begrenzt. Große Filialkonzepte mit 400 bis 600 Quadratmetern sind kaum umsetzbar. Stattdessen möchte man auf kleinere Formate, flexible Showrooms und temporäre Nutzungsmöglichkeiten setzen.
Die Analyse von Frequenzmessungen, Nächtigungszahlen und Gästeströmen liefert die Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen. Diese Daten werden auch genutzt, um überhöhten Mietforderungen mit Fakten zu begegnen. Gegenüber der Konkurrenz von Onlinehandel und Einkaufszentren wie dem Messepark oder dem Lindaupark positioniert sich Bregenz mit anderen Stärken: persönlicher Beratung, regionaler Identität und individuellen Einkaufserlebnissen. Dazu braucht es einen ausgewogenen Branchenmix – Frequenzbringer wie Lebensmittelmärkte oder Parkhauszugänge auf der einen Seite, erlebnisorientierte Einzelhandelskonzepte auf der anderen. Ergänzt wird das Ganze durch die hohe Aufenthaltsqualität der Stadt: der See, der Pfänder, die neu gestalteten Fußgängerzonen.
Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor
Erfolg im Stadtmarketing ist selten das Resultat einzelner Maßnahmen, sondern das Produkt funktionierender Kooperationen. In Bregenz arbeiten Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammen. Die Entscheidungswege seien kurz, der Austausch pragmatisch und lösungsorientiert, erklärt Stadtmarketing-Geschäftsführer Robert S. Salant. Diese Haltung habe sich bewährt – auch im Umgang mit öffentlicher Kritik.
Denn nicht immer sei die mediale Darstellung der Innenstadtentwicklung ausgewogen. Unprofessionelle Social-Media-Formate, die nachts spontane Interviews verbreiten, verzerren bisweilen das Bild und schaden dem Standort. Umso wichtiger sei eine transparente Kommunikation: Zahlen zu Leerstand, Neueröffnungen und Frequenzen müssen belastbar und nachvollziehbar sein.
Der Einzelhandel in Bregenz steht vor denselben Herausforderungen wie viele Innenstädte, aber er zeigt auch bemerkenswerte Dynamik. Auf einzelne Schließungen folgen immer wieder Neueröffnungen.
Allein im letzten Jahr waren es 18, sagt Robert Vögel. Das zeige, dass sich der Markt bewege, dass Fluktuation nicht gleich Stillstand bedeute. Unter den „Neuen“, die für einen bunten Branchenmix sorgen, sind Gastronomiebetriebe wie der Adler auf der Fluh, der Küchentanz, der im ehemaligen Weiss Einzug hält, das Café zum Koffer sowie das Zeigerle, das seine Pforten wieder geöffnet hat, und viele mehr. Zu den Shops, die Bregenz wieder bunter machen, zählen unter anderem Panto Outdoor, Velomore, die Königstöchter und weitere.
Blick nach vorn
Leerstand bleibt also nach wie vor eine Herausforderung. In Bregenz aber wird er zur Chance. Durch vernetztes Handeln, gezielte Eigentümeransprache, datenbasierte Strategien und den Mut zu neuen Konzepten entsteht eine Innenstadt, die sich ständig weiterentwickelt. Das Beispiel Panto zeigt: Rückkehr kann auch Aufbruch bedeuten. Und vielleicht ist genau das das Erfolgsrezept dieser Stadt – Probleme nicht zu verdrängen, sondern sie zum Ausgangspunkt für Neues zu machen.
Leerstand bleibt eine Herausforderung.








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