

Der gute Lehrer
Über gewisse Mythen, richtige Haltungen – und Verbindlichkeit im Unterricht.
Wodurch sich ein erfolgreicher Lehrer auszeichnet
Über den Mythos Fachkompetenz und zehn wesentliche Punkte.
Von Klaus Zierer
Es zählt zu den hartnäckigsten Mythen in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion, dass ein erfolgreicher Lehrer der ist, der besonders viel Fachwissen besitzt. Die ganze universitäre Lehrerbildung basiert auf dieser Annahme und gibt dem Fachstudium dementsprechend den größten Raum. Und wann immer über Reformen in der Lehrerbildung diskutiert wird, hat der Ruf nach mehr Fachkompetenz einen festen Platz.Wie kann es aber sein, dass die Fachkompetenz in der Hattie-Studie fast einen Nulleffekt auf die Leistung der Schülerinnen und Schüler hat?
Kernaspekte pädagogischer Expertise
Geht man vom Unterricht als einer Interaktion zwischen Schülern und Lehrer aus, die sich im Stoff begegnen, ist eine Erklärung dafür schnell gefunden: Wir alle kennen Menschen, die ungeheuer viel wissen, es aber nicht erklären können. Ihnen fehlt es an didaktischer Kompetenz. Und wir alle kennen Menschen, die ungeheuer viel wissen, aber so unnahbar sind, dass sie keinen Bezug zum Gegenüber aufbauen können. Diesen mangelt es an pädagogischer Kompetenz. Insofern reicht Fachkompetenz alleine nicht aus, um erfolgreich Unterrichten zu können. Sie muss flankiert werden von didaktischer und pädagogischer Kompetenz – und erst in dieser Trias kann sie wirksam werden.
Und doch reicht diese Trias nicht aus, um erfolgreich zu unterrichten. Vielmehr wissen wir nicht erst seit heute, dass es gerade in pädagogischen Kontexten nicht so sehr darauf ankommt, was wir machen, sondern auch und vor allem darauf, wie und warum wir etwas machen. Insofern ist nicht die Kompetenz in Form von Wissen und Können ausschlaggebend, sondern die Haltung in Form von Wollen und Werten – und letztere bestimmt, ob erstere zum Einsatz kommt.
Haltungen erfolgreicher Lehrer
Aber welche Haltungen erweisen sich nun als hilfreich und wichtig, um ein erfolgreicher Lehrer zu sein und zu bleiben? Im Anschluss an John Hattie sind im Buch „Hattie für gestresste Lehrer“ zehn Haltungen ausgearbeitet:
1. Ich rede über Lernen, nicht über Lehren.
Eine Kernbotschaft ist, dass die Berücksichtigung des Vorwissens und der Vorerfahrungen wichtig für einen gelingenden Unterricht ist. Daraus folgt die Aufgabe, die Lernvoraussetzungen genau in den Blick zu nehmen und zu entscheiden: Auf welchem Leistungsniveau befinden sich die Lernenden? Ist die Selbstwirksamkeitsüberzeugung hoch und werden schwierige Aufgaben als Herausforderung gesehen? Oder ist sie niedrig und werden schwierige Aufgaben als Bedrohung gesehen? Motivieren sich die Lernenden selbst (intrinsisch) oder wird die Motivation durch äußere Faktoren verursacht (extrinsisch)?
2. Ich setze die Herausforderung.
Es ist mit Sicherheit eines der überraschendsten Ergebnisse der Forschungen zum Planungshandeln von Lehrern, dass sie sich über Ziele kaum Gedanken machen. Das Ergebnis wird häufig unterschiedlich bewertet: Bei erfahrenen Lehrern wird eine fehlende Auseinandersetzung mit Zielen weniger problematisch gesehen und damit zu erklären versucht, dass sie ausreichend Routine haben, weil sie ein und dieselbe Unterrichtsstunde vielleicht schon mehrfach gehalten haben. Aber: Unabhängig davon, ob man die Unterrichtsstunde schon mehrfach gehalten hat oder nicht, man hat es definitiv nicht schon einmal mit ein und denselben Lernenden gehalten. Bei Berufsanfängern wird demgegenüber eine fehlende Auseinandersetzung mit Zielen aufs Schärfste verurteilt, weil ohne ein Bewusstsein über die Unterrichtsziele auch der Erfolg des eigenen Lehrerhandelns nicht reflektiert werden kann, was zu einem professionellen Handeln aber dazugehört.
Insofern ist es unstrittig: Klarheit des Lehrers im Hinblick auf die Ziele gehört zu den wichtigsten Faktoren für einen erfolgreichen Unterricht und zu einem professionellen Handeln. Um Lernvoraussetzungen erreichen zu können, unterscheidet John Hattie zwischen einem Oberflächenverständnis und Tiefenverständnis.
3. Ich sehe Lernen als harte Arbeit.
Unabhängig davon, auf welchem Leistungsniveau sich Lernende befinden – Lernfortschritte erfordern Einsatz und Anstrengung von allen Beteiligten. Mit Blick auf die Lernenden zeigt sich dies an der Bedeutung des bewussten Übens. Für Bildungserfolg ist bewusstes Üben unerlässlich und es zeichnet sich durch Herausforderung, Regelmäßigkeit und Vielfalt aus.
In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden: Fehler gehören zum Lernen mit dazu. Es macht keinen Sinn, sie vermeiden zu wollen. Wichtiger ist, sie konstruktiv zu nutzen.
4. Ich entwickle positive Beziehungen.
Eine Fehlerkultur kann nur auf einer intakten „Lehrer-Schüler-Beziehung“ entstehen. Eine Atmosphäre des Vertrauens und Zutrauens, der Geborgenheit, der Fürsorge und des Wohlwollens ist unerlässlich für Bildung im Allgemeinen und das schulische Lernen im Besonderen. Damit sind die „schülerzentrierten“ und die „leidenschaftlichen“ Lehrer gesucht, denen es in erster Linie um die Lernenden geht und nicht um das eigene Wissen und Können. Die Lernenden werden somit zum Ausgangspunkt des Lehrens. Der Erfolg der Lernenden wird zum Erfolg der Lehrer. Es dominiert die Haltung, dass Unterricht ein Miteinander ist, in dem beide Seiten einander brauchen.
5. Ich benutze Dialog anstelle von Monolog.
Laut Forschungsstand erweisen sich kooperative Lernformen als besonders effektiv. Damit sind jedoch nicht jene Formen der Seminargestaltung gemeint, in der in einer Art Beschäftigungstherapie Lernende in der Gruppe das aufholen, was der Lehrer versäumt hat – der dann auch noch seine Mails liest, während Lernende versuchen, Klarheit zu gewinnen und Struktur zu erzeugen. Vielmehr sind kooperative Lernformen vor allem dann effektiv, wenn sie in Kombination mit einer direkten Instruktion ablaufen. In dieser kommt es zu einer Klarheit hinsichtlich der Ziele, Inhalte, Methoden und Medien auf Seiten der Lernenden führen – und dafür ist die Vorbereitung und das Engagement des Lehrers entscheidend.
6. Ich informiere alle über die Sprache des Lernens.
Es wäre eine Verkürzung, allein den Lehrer für den Lernerfolg der Lernenden verantwortlich zu machen. Denn Lernen ist nicht die Sache eines einzelnen, sondern erfordert einen engen Austausch zwischen allen Beteiligten. Dem Lehrer kommt hierbei als Experte für das Fach und die Schule sicherlich eine Schlüsselrolle zu. Denn es ist seine Aufgabe, die „Sprache des Faches“ und die „Sprache der Schule“ auf die „Sprache der Lernenden“ zu übertragen.
7. Ich bin ein Veränderungsagent.
John Hattie geht es, erstens, um die Fähigkeit auf Seiten der Lehrer, die Wirkung des eigenen Lehrerhandelns beurteilen zu können. Dafür sind empirische Daten im weitesten Sinn hilfreich. Zweitens ist für ihn entscheidend, dass es im Fall einer sich zeigenden Wirkungslosigkeit des Unterrichts nicht ausschließlich an den Lernenden liegt. Lehrer müssen ihre Rolle ebenfalls hinterfragen und ihre Methoden entsprechend ändern. Damit betont er die Fähigkeit des Lehrers, über ein breites und flexibles Methodenrepertoire zu verfügen.
8. Ich bin ein Evaluator.
Wie eben angedeutet wurde, ist die Frage der Wirkung und daran geknüpft die des Nachweises dieser Wirkung eine Schlüsselstelle für sichtbares Lernen und erfolgreiches Lehren. Entscheidend dabei ist das sogenannte „backward design“ – also das Rückwärtsgehen! Gemeint ist damit, dass eine Evaluation des Unterrichts vom Ende her gedacht werden muss: Nach dem Seminar ist vor dem Seminar! Nach der Vorlesung ist vor der Vorlesung! Das Ziel, das erreicht werden soll, muss der Ausgangspunkt sein.
9. Die Leistungen der Lernenden sind eine Rückmeldung für mich über mich.
Rückmeldung ist im Unterricht nicht einseitig zu verstehen, sondern geht in beide Richtungen: von den Lehrern zu den Lernenden, was meistens diskutiert wird. Aber auch von den Lernenden zu den Lehrern. Letzteres ist für sichtbares Lernen unabdingbar: Haben die Lernenden die Ziele erreicht? Haben sie die Inhalte verstanden? Konnten sie mit den Methoden arbeiten? Und waren die Medien handhabbar und passend? Erst wenn ein Lehrer diese Informationen hat, ist er in der Lage, die nächste Unterrichtsstunde zu planen. Ein reflektierter Blick in die Aufzeichnungen der Lernenden sowie ein kurzes Abfragen und Wiederholen des Gesagten kann manchmal schon ausreichen, um diese wichtigen Informationen zu erhalten.
Hat ein Lehrer diese Informationen nicht, läuft er Gefahr, über die Köpfe der Lernenden hinweg zu unterrichten und es dem Zufall zu überlassen, ob seine Planungen zu den Lernenden passen. Dass die eigene Einschätzung als Lehrer nicht ausreicht, liegt auf der Hand: Lernende haben (schon in der Schule) gelernt, im Unterricht zu funktionieren und das Spiel zu spielen. Sie machen mit, auch wenn sie nicht mitdenken. Der Grund ist einfach: Sie entgehen damit Sanktionen. Insofern kann ein Unterricht aus Sicht eines Lehrers hervorragend laufen. Aus Sicht der Lernenden herrschte Langeweile.
Hält man sich vor Augen, dass erfolgreiche Lehrer keine Einzelkämpfer sind, sondern mit anderen Lehrern zusammenarbeiten, so ist an dieser Stelle auf eine dritte Form der Rückmeldung einzugehen: Die Rückmeldung von Lehrer zu Lehrer. In Untersuchungen aus dem schulischen Kontext hat man festgestellt, dass Lehrpersonen in der Woche über alles mehr reden als über den eigenen Unterricht: über Lernende, über Eltern, über Kolleginnen und Kollegen, aber kaum über das eigene Unterrichten. Also: Das, was in der Forschung schon selbstverständlich ist, gilt es in der Lehre selbstverständlich zu machen!
10. Ich arbeite mit anderen Lehrenden zusammen.
Vieles gelingt nur, wenn Lehrer zusammenarbeiten. Lehrer sind auch Lernende und lernen in der Regel miteinander besser als alleine: Im Team lässt sich über die Planung, die Durchführung und die Evaluation des Unterrichts ins Gespräch kommen und diskutieren. Dass nicht jeder mit jedem kann und auch im Team Konflikte entstehen können, ist unbestritten. Aber keines der Vorurteile gegenüber der Teamarbeit, denen man in Kollegien häufig begegnet, ist deshalb berechtigt. Wichtig sind Teamsitzungen, die einem erfolgreichen Unterricht gleichen und damit durch Klarheit im Hinblick auf Ziele, Inhalte, Methoden und Medien gekennzeichnet sind.
Haltungen als Garant
Erfolgreiche Lehrer haben nicht nur eine Leidenschaft für das Fach, sondern auch für die Didaktik und die Pädagogik, für die Lernenden und ihren Beruf. Und diese Leidenschaft ist nicht nur wichtig, um ein erfolgreicher Lehrer zu werden. Sie ist auch wichtig, um ein Leben lang diesen herausfordernden Beruf auszuüben, also erfolgreicher Lehrer zu bleiben. Was demzufolge unstrittig erscheint: Haltungen sind ein Garant für Berufszufriedenheit und Motor guter Lehre. Wenn in der Lehrerbildung weiterhin der Fokus allein auf das Wissen und Können im Fach gelenkt wird, dann wird die personell zu verantwortende Synthese von Forschung und Lehre nur gestreift. Neben Wissen und Können zeichnen sich erfolgreiche Lehrer vor allem durch ihr Wollen und Werten aus – sowohl mit Blick auf die Forschung als auch mit Blick auf die Lehre.
Wider die Beliebigkeit!
Ein Plädoyer für mehr Verbindlichkeit in der Schule
Warum Unterrichtszeit wertvoll ist – und Bildung unser einziger Rohstoff.
Von Manfred Hämmerle
Am 22. Juni 2025 wurde in einer Zeitung über den „schlimmen Absturz“ und den „Aufbruch“ eines Schülers berichtet. In dieser Geschichte ist ein bemerkenswerter Satz zu lesen: „Wenn du einmal schwänzt und merkst, dass du damit durchkommst, dann fallen alle Hemmungen und es passiert immer wieder.“ Der Junge war zwölf Jahre alt und Schüler in einem Gymnasium, als er ausbrach. Mit 15 Jahren stand er ohne Schulabschluss da. Er fand Unterstützung für seinen Weg. Aber davon später.
In den 1960er und 1970er Jahren haben wir die Situation vollkommen anders erlebt. Der Junge hätte mit massiven Konsequenzen rechnen müssen. Das ging so weit, dass er in manchen Schulen sogar geschlagen worden wäre. Zumindest hätte es ein Nachsitzen gegeben. Der Schüler wäre „Tagesgespräch“ gewesen, weil das „Schwänzen“ damals als schwere Verfehlung galt. Auch die Erziehungsberechtigten wären massiv unter Druck gesetzt worden. Es wird wohl sehr wenige geben, die diese Zeiten der „Schwarzen Pädagogik“, die damals in so manchen Schulen Vorarlbergs vorzufinden war, zurückwünschen. In den vergangenen 50 Jahren hat das Pendel allerdings in die andere Richtung geschlagen und es wird beziehungsweise wurde zu viel toleriert, wie das erwähnte Beispiel zeigt. Es braucht wieder mehr Verbindlichkeit. Zumal sich die Rahmenbedingungen für Unterricht stark verändern. Beispielhaft seien hier die Künstliche Intelligenz (KI) und die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft genannt.
Bedeutung der Bildung
Österreich ist ein ressourcenarmes Land. Dazu kommt, dass die Produktion von Gütern und Dienstleistungen durch Standards, die wir erreicht haben, nicht billig ist. Aus diesem Grund sind es vor allem die Innovationen, die uns wettbewerbsfähig halten. Innovationen entstehen vor allem in „gebildeten Köpfen“. Es ist also unser größtes Interesse, Bildung zu fördern. Zusätzlich leben gebildete Menschen gesünder und länger. Das zeigen verschiedene Studien. Entscheidungsträgern ist dies alles bewusst. Über Maßnahmen gibt es allerdings seit Jahren Diskussionen. Dieser Text enthält Vorschläge zum Umgang mit den Veränderungen.
Verantwortung fördern
Während man in Zeiten der „Schwarzen Pädagogik“ Lehrpersonen gewähren ließ, geraten sie heute rasch unter Druck, wenn sie Leistung konsequent einfordern. Da wird sehr schnell von Überforderung und Stress gesprochen. Manche stellen gleich das „Schulsystem“ infrage. Sie liefern damit eine Begründung dafür, dass die Verantwortung nicht (auch) beim Lernenden und seinen Erziehungsberechtigten liegt. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Schüler vor allem deshalb überfordert sind, weil sie ein schlechtes Zeitmanagement haben, weil sie die Unterrichtssprache zu wenig beherrschen und weil sie durch „Soziale Medien“ abgelenkt sind.
Ohne die oben geschilderte Situation im Detail zu kennen, lässt sich doch die These formulieren, dass rasches und konsequentes Einschreiten der Lehrperson und/oder der Direktion erfolgreich gewesen wäre. Die jüngste Diskussion zum Thema Sanktionen oder Gespräche beim Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern kann eigentlich nur mit einem „Sowohl als auch“ beantwortet werden, weil die Erfahrungen zeigen, dass bei manchen Schülern als auch bei manchen Eltern Gespräche keinen Erfolg erzielen, wenn es darum geht, die Anwesenheitsquote zu erhöhen. Da wirken dann vielleicht Sanktionen.
Schließlich geht es um die Zukunft eines jungen Menschen. Die frühe Selektion mit zehn Jahren erhöht den Druck auf Schüler, Eltern und Lehrpersonen, weil scheinbar nur ein Platz im Gymnasium die Zukunft sichert. Unter der derzeitigen politischen Situation ist die Einführung einer gemeinsamen Schule für 10- bis 14-Jährige (leider) nicht zu erwarten. Um den Druck zu verringern, ist die Kommunikation darüber, dass viele Karrieren auch nach der Absolvierung der Mittelschule erreicht werden, wichtig. Dies auch deshalb, weil den jungen Menschen mit 14 Jahren im differenzierten Schulsystem Österreichs (AHS, BMHS, Lehre) alle Wege offenstehen.
Unterrichtszeit ist wertvoll
Seit vielen Jahren ist leider ein lockerer Umgang mit der Unterrichtszeit zu beobachten. Es wurden Unterrichtsstunden gestrichen „um das Budget zu sanieren“. Seit einigen Jahren wird die früher so lernintensive Zeit durch „Herbstferien“ unterbrochen. Besonders problematisch waren die (zu) langen Schulschließungen während der Zeit der Pandemie. Dazu kommt die alltägliche Reduktion der Unterrichtszeit durch Unterrichtsentfall, unentschuldigte Abwesenheit, Störungen des Unterrichts, Zu-Spät-Kommen usw. Ein neues Phänomen hat sich in jüngster Zeit „eingeschlichen“. Immer mehr Eltern wünschen sich eine Ferienverlängerung mit der verwegenen Begründung, dass Flüge außerhalb der Ferien billiger sind. Viele Studien zeigen die große Bedeutung „echter Lernzeit“. Sie ist ein zentraler Faktor für den Lernerfolg. Die Lernenden sollen erkennen, dass der einzelnen Lehrperson, der Schule, aber auch dem Staat Unterrichtszeit wichtig ist.
Mit Maß und Ziel
Die Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI) bringen neue Möglichkeiten in die Schule. ChatGPT formuliert schöne Texte oder löst mathematische Aufgaben, DeepL.com übersetzt Englisch fast perfekt ins Deutsche und umgekehrt, Google „erforscht“ die Weiten des Netzes mittels KI oder entwickelt künstliche Dialoge; es gibt viele weitere Beispiele. Dem kann nur in zweierlei Hinsicht begegnet werden. Einerseits und je nach Alter braucht es die „Verbannung“ elektronischer Geräte aus der Klasse und andererseits die bewusste Nutzung der Möglichkeiten auf einem höheren Niveau, wie beispielsweise die strukturierte Bewertung der Informationen, die die KI hervorbringt. Die Abschaffung der Pflicht, eine „Vorwissenschaftliche Arbeit“ zu schreiben, kann in diesem Zusammenhang nur als fatales Signal und schweren Fehler bezeichnet werden. (Siehe April 2024, in diesem Medium.) Die Begründung, dass schwer kontrollierbar sei, was die Leistung des Schülers sei, kann aufgrund der neuen Möglichkeiten praktisch für jede selbstständige Arbeit angewendet werden.
Es geht darum, mit der Situation umzugehen und neue Aufgabenstellungen zu formulieren, die nicht mit KI gelöst werden können. Das wird dann auch zwangsläufig dazu führen, dass der Bewertung der mündlichen Schülerleistung mehr Gewicht zukommen wird, indem beispielsweise überprüft wird, ob das, was ChatGPT „sagt“, verstanden wurde und richtig ist. Dazu kommt, dass teilweise wieder dazu übergegangen wird, Aufgaben handschriftlich zu lösen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Leistung eigenständig erbracht wird. Wichtigste Aufgabe in diesem Zusammenhang ist die Förderung der Unterrichtssprache Deutsch. Die Möglichkeit, die Schüler auch mit KI mehr zu fordern, besteht jedenfalls. Unsere Erfahrungen zeigen: Schüler, die gefordert werden, sind spätestens nach dem Eintritt ins Berufsleben dankbar.
Übrigens: „Unser Schüler“ hat seinen Weg gefunden. Nach der Absolvierung einer Lehre ist er heute beruflich und privat erfolgreich. Das ist ganz in seinem Sinne und im Sinne der Gesellschaft. Schließlich gibt es bei uns eine Ausbildungspflicht bis 18, die hoffentlich konsequent eingefordert wird.
WirHochVier
Vorarlberger Pilotprojekt implementiert Erkenntnisse der Positiven Psychologie in insgesamt acht Schulen. Mehr Freude am Lernen soll bessere Ergebnisse bringen.
Von Gudrun Petz-Bechter
Die Initiative WirHochVier, die auf Erkenntnisse der Positiven Psychologie setzt und damit sowohl schulische Leistungen als auch das Wohlbefinden der Schüler und Schülerinnen gleichermaßen fördern will, ist Anfang November mit dem ersten von insgesamt neun Modulen gestartet. In dieser Initiative bündeln die Wirtschaftskammer Vorarlberg, die seit 2013 mit dem Bildungsforum die Lehrerschaft vernetzt, die Bildungsdirektion, die Pädagogische Hochschule und die Akademie für Positive Psychologie ihre Kompetenzen.
Ziel ist ein nachhaltiges, wirkungsvolles Schulprogramm. Im Fokus stehen dabei die Stärkung von Schulleitungen und Teams, schulautonome Freiräume, wirkungsorientiertes Handeln und Zusammenarbeit über Schulgrenzen hinweg. Die Initiative soll Vorarlberg als Bildungsstandort stärken und Impulse über das Land hinaus setzen.
Acht Schulen beteiligen sich am Pilotprogramm 2025–2027: Volksschulen, Mittelschulen, Polytechnische Schulen und Berufsschulen. Die Leitungsteams, bestehend aus dem jeweiligen Direktor oder der Direktorin plus zwei Mitglieder der Lehrerschaft, nehmen an einem Hochschullehrgang in Positiver Psychologie & Positive Leadership teil, der eng mit den Schulentwicklungsplänen verzahnt ist. Gleichzeitig arbeiten Lehrer und Lehrerinnen in sogenannten Wirkstätten an der praktischen Umsetzung. Begleitende Wirkungsforschung erfasst Veränderungen und Fortschritte in den Schulen. Offene Dialogformate ermöglichen Vernetzung und neue Kooperationen zwischen Bildung, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Auch werden Lernreisen zu inspirierenden Schulen stattfinden. Der Bedarf ist gegeben. Denn das Rückmeldeinstrument V-Feedback zeigt für Vorarlberger Volksschulen in den Jahren 2021 bis 2025 zwar auf, dass die Schulkinder und ihre Eltern durchaus zufrieden sind. Die V-Feedback-Daten belegen aber auch, dass Lernfreude die Basis für den Bildungserfolg ist, dass Unterricht und Verhalten der Lehrperson Freude und Erfolg fördern und dass es ein gutes Klassenklima zu bewahren gilt. WirHochVier stützt diese und weitere wichtige Entwicklungsfelder, indem diese Initiative Erkenntnisse der Positiven Psychologie in das Schulsystem implementiert, und damit auch die Leistungen der Schüler und Schülerinnen verbessern wird. Wer mit Freude bei der Sache ist, lernt leichter.











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