
Verners und das Montafoner Steinschaf
Eine Herzensangelegenheit auf dem Bartholomäberg.
Auf rund 1070 Metern, hoch über dem Montafon, arbeiten und wohnen Doris und Harald Bitschnau auf ihrem Hof „Verners“ mit Herz, Bodenständigkeit und großer Leidenschaft – vor allem für das Montafoner Steinschaf. In einem Gespräch schildern sie, wie ihre Lebenseinstellung, ihre Wertvorstellungen und ihr nachhaltiges Wirtschaften untrennbar mit dieser alten Schafrasse verbunden sind.
Lebensleidenschaft
Dass ihr Weg sie zu den Montafoner Steinschafen führte, war kein Zufall. „Wir wollten etwas Sinnvolles auf dem Hof unserer Vorfahren machen“, erzählen die Bitschnaus. Bei Freunden im Bregenzerwald lernten sie diese Tiere kennen und lieben. Für sie steht das Montafoner Steinschaf für Eigenschaften, die auch auf ihrem Hof zuhause sind: unkompliziert, zutraulich, ursprünglich und geländegängig. Eigentlich ideal für die steilen Hänge in Bartholomäberg. Ihr Arbeitsalltag ist geprägt von der Nähe zu den Tieren: Sie sind weder nur Hobby noch schmückendes Beiwerk, sondern Mittelpunkt eines ganzheitlichen Wirtschaftens. Die Bitschnaus verfolgen einen „nose-to-tail“-Ansatz: Das Fleisch landet in der Hofküche beziehungsweise im Tourismus, die Wolle wird zu Produkten verarbeitet, und Veranstaltungen mit Gästen verbinden Naturerlebnis und Wissensaustausch.
Ein Stück Heimat bewahren
Das Montafoner Steinschaf ist mehr als nur ein Nutztier, es ist ein lebendiges Symbol der regionalen Kulturlandschaft. Die kompakte Schafrasse hält die steilen Hänge offen, beweidet Naturschutz- und Magerwiesen und trägt so aktiv zum Erhalt der alpinen Vegetation bei. Gerade in steilem Gelände, wie dort, wo das „Verners“ steht, ist das von unschätzbarem Wert. Auf den Webseiten von Montafon Tourismus heißt es, dass das Steinschaf mit rund 70 Zentimetern Höhe äußerst genügsam sei, mit wenig Futter zurechtkomme und sogar raues Wetter gut ertrage. Seine zierliche Statur, das glänzende Fell und seine robuste Natur spiegeln die bescheidenen, aber stolzen Montafoner Werte wider. Ein eindeutiges Merkmal ist der leichte Knick im Schwanz des Schafes.
Trotz dieser Bedeutung ist das Montafoner Steinschaf weiterhin eine stark gefährdete Rasse. In den vergangenen Jahrzehnten konnte der Bestand dank engagierter Züchter aus gerade einmal 40 Tieren (2010) auf mittlerweile etwa 600 bis 700 in Vorarlberg wachsen. Für Doris und Harald bedeutet das: nicht nur züchten, sondern sichtbar sein. Ihre Arbeit mit Gästen, Führungen zu den Schafen, Erklärungen und Geschichten sollen das Bewusstsein für diese Rasse stärken. Damit sich Menschen weiterhin dafür begeistern und neue Züchter dazukommen.
Die Hofweihnacht
Ein besonders herzerwärmendes Beispiel dieser Verbindung ist ihre „Hofweihnacht“ am 27. Dezember: Wenn in der besinnlichen Winterzeit die Lämmer das Licht der Welt erblicken, lädt „Verners“ ein. Während rund 50 bis 60 Lämmer im Stall umhertollen, kann es passieren, dass Besucher eine Geburt live miterleben. Wobei sich die Steinschafe im Gehege um das gebärende Tier stellen, um es vor den Blicken von außen zu schützen. Gäste dürfen aber beim Tränken helfen, Lämmer streicheln oder einfach beobachten – ganz ohne Verkaufsgedanken. In der Hofküche trifft man sich bei hausgemachten Speisen, einfacher Weihnachtsbeleuchtung und gemütlichem Beisammensein.
Für die Bitschnaus ist das ein bewusstes Innehalten, eine Einladung zur Entschleunigung und ein Gegenpol zum Konsumstress. Auf die Frage wie Familie Bitschnau es schafft, den „Konsumstress wegzulassen“, antwortet Doris Bitschnau: „Ich glaube in der Einfachheit, es geht um die Lämmer, und dass man sich Zeit nimmt, um zu beobachten. Das heißt, es gibt eine Weihnachtsbeleuchtung – aber dezent, es gibt Essen und Trinken – aber nur was wir selber machen können, es gibt Service – aber nur, was wir mit Familie und Freunden schaffen.“
Zukunft mit Weitblick
Blickt man nach vorn, ist klar: „Verners“ ist kein statisches Projekt, es ist in Bewegung, reflektiert laufend, passt sich an. Doris und Harald möchten Bildungsangebote weiter ausbauen. Von Kräuterwanderungen über Teamevents bis zu Kursen rund um Wolle und Schafhaltung. Sie sehen sich als Teil einer Generation, die historische Kenntnisse wieder neu belebt: Was haben die Vorfahren bewirkt? Wovon haben sie gelebt? Wie können regionale Ressourcen wieder neu genutzt werden? Dabei ist ihnen das Miteinander wichtig – mit der Natur, den Tieren, den Nachbarn und den Gästen. Am „Verners“-Hof verschmelzen viele Welten: Landwirtschaft, Selbstversorgung, traditionelle Handwerkskunst und Naturerlebnis. Das alles wird getragen von Wertschätzung für die Tiere und ihre Herkunft. Das Montafoner Steinschaf ist dabei kein Anhängsel, sondern Kernstück dieser Philosophie. In Zeiten, in denen heimische Rassen ebenso wie kulturelle Vielfalt bedroht sind, zeigen Doris und Harald Bitschnau, wie man durch authentisches Wirtschaften, gelebte Werte und Gemeinschaft das Beste aus zwei Welten verbindet: die Bewahrung des Ursprünglichen und die Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft. „Verners“ steht für mehr als nur einen Bio-Hof am Berg. Es ist ein Ort, an dem das Montafoner Steinschaf nicht nur erhalten, sondern gefeiert wird: Als Teil einer lebendigen Tradition, als Quelle für altes Wissen und als Brücke zwischen Natur, Handwerk und Kultur.









Kommentare