Andrea Marosi-Kuster

Andrea Marosi-Kuster (45) leitet die Unternehmenskommunikation der Vorarlberger Landeskrankenhäuser. Sie ist studierte Biologin und gebürtige Burgenländerin.

(Foto: © Matthias Weissengruber)

Eine Handvoll Leben mit starkem Willen

Oktober 2015

Wenn es schon am Beginn ums Überleben geht, sind alle Beteiligten – angefangen vom Neugeborenen über die Eltern bis zu den Medizinern, dem Pflegepersonal und den Hebammen – sehr gefordert. Eine Frühgeburt ist immer eine Stresssituation. „Insgesamt sind es in Vorarlberg rund 50 bis 60 Neugeborene pro Jahr, die mit einem Gewicht unter 1500 Gramm zur Welt kommen. Mehr als 90 Prozent unserer Patienten überleben“, berichtet Prim. Prof. Simma, Leiter der Kinderabteilung am Landeskrankenhaus Feldkirch.

Der Begriff „Frühchen“ klingt banal und verharmlosend, dabei muss gerade in diesem medizinischen Bereich das medizinische und pflegerische Wissen hoch sein. Zudem sind die Nachtdienste lang und anstrengend, die Kontrollen aufwendig und der Stress meist groß. Nicht nur Glück und der vorhandene Überlebenswille sind essenziell, um einem Frühgeborenen gut ins Leben zu helfen: Vor allem eine optimale Zusammenarbeit von Geburtshilfe- und Kinder-Team, wenn es besonders schnell gehen und alles vorbereitet sein muss, ist ausschlaggebend.

„Die Versorgung des Kindes beginnt bereits im Kreißsaal ab Minute null“, betont Prof. Simma. In dieser Akutsituation muss es schnell gehen: 30 Minuten nach der Geburt werden die Frühgeborenen in die Neonatologie verlegt, dort stehen für ihre optimale Betreuung sechs Intensivbehandlungsplätze zur Verfügung. „Zuerst müssen wir die Atmung sichern, den Kreislauf stabilisieren sowie einen venösen Zugang und eine Magensonde für die künftige Ernährung legen“, beschreibt Prof. Simma die Aufgaben der ersten Minuten bzw. Wochen. Auch die Ernährung muss genau gesteuert sein: Frühgeborene müssen ab dem ersten Lebenstag wohldosiert ernährt werden – es ist „nur“ acht Mal täglich ein Milliliter spezielle Säuglingsnahrung, im besten Fall Muttermilch, den sie bekommen.

Eltern stark eingebunden

Die Aufregung ist groß, umso wesentlicher ist es, einen kurzen Moment des Bondings (Kontakt zwischen Mutter und Kind direkt nach der Geburt) zu ermöglichen.

Eltern sollen ihr Kind sehen und spüren können, denn natürlich stellt eine Frühgeburt besonders auch für sie eine emotionale Herausforderung dar. Die Natur überrumpelt die Eltern, eine Schwangerschaft und eine Geburt werden grundsätzlich nicht mit Risiko und Krankheit verbunden. Sie haben die Möglichkeit der psychologischen Betreuung und einer großzügigen Besuchszeit im Spital. Die Mütter werden mitaufgenommen, so können sie uneingeschränkt mit ihrem Kind beisammen sein. Die Babys bleiben lange, meist bis zum errechneten Geburtstermin, in der Neonatologie.

Mit großer Kompetenz und viel Fingerspitzengefühl

Sich in guten Händen zu wissen, hilft enorm. Am neonatologischen Kompetenzzentrum am LKH Feldkirch stehen den Frühgeborenen fünf Fachärzte mit intensivmedizinischer Zusatzausbildung für Kinder sowie speziell geschulte Pflegefachkräfte zur Seite, um den Kampf ums Überleben zu gewinnen. Hier werden Neugeborene ab der 24. Schwangerschaftswoche versorgt. Die bisher kleinste Patientin Vorarlbergs kam 2013 in der 25. Schwangerschaftswoche zur Welt, sie wog gerade einmal 500 Gramm, der jüngste Patient wurde in der 23. Schwangerschaftswoche geboren. Beide Kinder haben es geschafft und sind heute gesund. „Unsere Neonatologie hat hier am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch den Versorgungsauftrag für Vorarlberg und auch die strukturellen Voraussetzungen, Frühgeburten an der Grenze der Lebensfähigkeit zu betreuen. Dabei geht es nicht nur um die medizinischen Möglichkeiten, sondern auch um die menschliche Zuwendung“, erklärt Prof. Simma. Zumal es in der Kinder-Intensivmedizin vor allem um das Erkennen winzigster Veränderungen am kleinen Patienten geht, die korrekt interpretiert werden müssen, um richtig behandeln zu können. Die Frühgeborenen werden rund um die Uhr überwacht und kontrolliert. Manchmal sind auch schon Operationen notwendig, die speziell ausgebildete Kinderchirurgen durchführen. „Die Zusammenarbeit aller Disziplinen ist ein wichtiges Überlebenskriterium für Frühgeborene“, unterstreicht Prof. Simma.

Neonatologie am LKH Feldkirch: State of the art

Über 90 Prozent der Kinder, die zu früh das Licht der Welt erblicken, überleben. In der Folge brauchen sie auf alle Fälle erhöhte Zuwendung. Mit dem vollendeten zweiten Lebensjahr ist eine verpflichtende standardisierte Nachuntersuchung im LKH Feldkirch vorgesehen. Zwischenzeitlich werden die Frühgeborenen zusätzlich von den niedergelassenen Kinderärzten und dem aks Vorarlberg untersucht. Um immer auf dem Laufenden zu sein, macht die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Feldkirch bei internationalen Studien mit und beteiligt sich an einer internationalen Datenbank. So wird die eigene Arbeit vergleichbar. Hier wird alles getan, um den Frühgeborenen eine faire Chance zu bieten.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.