Johannes Moser

Mitgründer Plattform für Digitale Initiativen

Foto: © Nina Bröll

Eine Idee für Vorarlberg:
Echte Startup-Kultur

Juli 2024

Der Kopf muss rauchen und die Konfettis müssen fliegen.

Erst kürzlich hat sich die Organisation zur Förderung von Startups mit der Startup Vorarlberg GmbH neu erfunden. Die von außen schmerzhaft zu beobachtende Geburt und den potenziellen Schaden, der durch zwischenzeitlichen Leerlauf entstanden ist, möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren (aber zumindest erwähnen). „Startup“, der oft glorifizierte und inflationär verwendete Begriff, ist zum Teil zum Lifestyle-Begriff oder Fashion-Item verkommen.
Im Grunde geht es darum, eine skalierbare Geschäftsidee – ungeachtet von den zur Verfügung stehenden Ressourcen – zu verfolgen. Die eine Perspektive darauf ist: Es ist eine große Wette. Die andere: Es wird neben großer Mühe auch Risiko in Kauf genommen, um entsprechend große Probleme anzugehen.
Was braucht Vorarlberg, um zum „Startupland“ zu werden?

Eine klare Vision
In Vorarlberg wettern Weltmarktführer und Hidden Champions um die Talente. Mit den dafür optimierten Bildungseinrichtungen – wie FHV und HTL – und der etablierten, dualen Bildung sind Startups hier institutionalisiert benachteiligte Konkurrenz. Braucht es eine „Startup-Kultur“ in Vorarlberg und welche Rolle soll diese einnehmen? Das Geschäft um Kunststoffverpackungen, Wegwerf-Möbel, Zuckerwasser, Logistik, Tourismus und ungezügelte Baukultur wird sich ob der globalen Entwicklungen stark verändern. Auch wenn sich schon etablierte Industrieunternehmen bemühen, sich in diese Richtung zu orientieren, schreiben wir in Vorarlberg noch viel zu wenig Code und verbrauchen zu viele Ressourcen für unseren Erfolg. Also ja, wir brauchen den Innovationsmotor „Startup“, denn wir werden uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren neu erfinden müssen.
Perspektive für unsere Talente
Berufe in Startups müssen auch als „ghörig“ und somit erstrebenswert gelten. Wir müssen ernsthaft einen Bildungsweg anbieten, in dem die Lernenden nicht permanent dem Druck ausgesetzt sind, zur etablierten Industrie zu wechseln. Viele wissen gar nicht, wie risikoarm, nur mit Zeit- und Schweiss-Einsatz, und relativ leicht man einen ernsthaften, geförderten Versuch in die Start-up-Welt unternehmen kann.

Fehlerkultur
Im Schnitt scheitern neun von zehn Startups. Das hat nicht mit schlechter Planung oder Wirtschaft zu tun, sondern mit der Schwere des Problems und dem eingegangenen Risiko. Diese Geisteshaltung müssen wir an den Tag legen. Als Mitarbeiter eines Startups fällt man weich, weil diese Erfahrung auch in etablierten Unternehmen gefragt ist.

Innovation abseits des Bestehenden
In Vorarlberg sind Förderwesen und Innovationsberatung auf die Industrie optimiert. Bedürfnisse und Anforderungen von Startups sind andere. Der Start-up Vorarlberg GmbH bleibt zu wünschen, dass sie sich von den Trägerorganisationen deutlich emanzipieren kann, um dort Impact zu haben, wo der Name es verspricht.

Globale Vernetzung
Die Startup Community in Vorarlberg ist recht überschaubar und das wird sie aufgrund der Größe unserer Region auch in Zukunft sein. Deshalb müssen wir uns an eine überregionale Community andocken, um unseren Gründern und Gründerinnen einen sinnvollen Austausch zu bieten.

Kapital
Wir brauchen echtes Risikokapital in Vorarlberg für Vorarlberg. Von dem wirklich sehr vielen Kapital vor Ort wird wenig regional und noch weniger als echtes Risikokapital investiert. Zu sehr stehen risikoarme, kleinere Renditen und oft Immobilien im Vordergrund. Gerade für das sogenannte „first money in“ – also Pre-Seed- und Seed-Finanzierungen – ist das relevant und hebelt dann spätere größere Investments

Mut
Wir brauchen den Mut, eine globale Geisteshaltung einzunehmen. Für Startups ist nicht nur Vorarlberg, sondern auch ganz Österreich als Markt meist zu klein. Wir brauchen hier global denkende und agierende Gründerinnen und Gründer.

Ein klein wenig LinkedIn-Mafia
Nicht zuletzt würden uns mehrere ordentliche Exits, von denen ganze Teams, und nicht nur jeweils ein oder zwei Personen profitieren, gut tun. Diese Unternehmer:innen würden als Vorbilder agieren und – sofern nicht der Großteil in Immobilien investiert wird – Risikokapital, Erfahrung, Netzwerk und Geisteshaltung zur Verfügung stellen.
Peter Parker meint: „Mit Privileg kommt Verantwortung.“ Wir sind hier sehr privilegiert. Deshalb: Lasst uns ein neues Selbstverständnis an den Tag legen, groß denken, demütig bleiben. Undlasst es zu, dass sich zumindest ein Teil unserer Talente den großen Themen widmen kann. Wir werden das brauchen.

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