Johannes Moser

Mitgründer Plattform für Digitale Initiativen

Foto: © Nina Bröll

Heidi Kalb-Vogel

* in Dornbirn, ist Unternehmerin in der Kommunikationsbranche, Gründerin eines Start-ups für Sensory Travels. Sie ist Member bei der „Plattform für Digitale Initiativen“ und wohnt vorwiegend in Dornbirn.

 

Die Kraft der gemeinsam Sache

April 2025

Die Plattform für digitale Initiativen wurde im Dezember 2024 in der Kategorie Innovation mit dem ersten Platz beim „Österreichischen Staatspreis für freiwilliges Engagement“ für ihr Projekt „Umma Hüsla Hackathon“ ausgezeichnet. 

Wir, zwei Member der digitalen Initiativen, gehen den Fragen nach, warum sich Menschen ohne Bezahlung engagieren und ob Pioniere, Vorbilder oder Rebellen vielleicht doch etwas bewegen können – oder auch nicht.  

Der Begriff „Umma Hüsla“ stammt aus dem Vorarlberger Dialekt und lässt sich in etwa mit „herumwerkeln“, „basteln“ oder „tüfteln“ übersetzen. Beim Format „Hackathon“ kommen Menschen zusammen, um 26 Stunden an einer Idee zu tüfteln und etwas auszuprobieren. Bereits seit zehn Jahren organisiert die Plattform für digitale Initiativen den „Umma Hüsla Hackathon“ in Form von Freiwilligenarbeit. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten Bodenseeraum folgten der Einladung auch an infrastruktur-herausfordernde, aber umso inspirierendere Orte wie beispielsweise auf ein Bodenseeschiff oder an eher abgelegene Orte wie Vandans im Montafon. Der letztjährige, mit dem Staatspreis ausgezeichnete UH24, fand in leerstehenden Industriehallen in Dornbirn statt. Das ehrenamtlich tätige Kernteam des Umma Hüsla Hackathons setzt sich jedes Jahr neu zusammen, um unterschiedliche Ideen einfließen zu lassen. 

Zukunftsweisende Kultur (vor)leben
Die Teilnehmenden kommen aus unterschiedlichen Bereichen und sind verschiedenen Alters, manche Teams nehmen jährlich erneut teil, andere formieren sich erst kurz vorher oder spontan. Aus dem einen oder anderen Projekt wurde schon ein erfolgreiches Start-up. Die Plattform für digitale Initiativen sieht aber als viel wichtigeren Beitrag für die Region, dass mit dem Umma Hüsla Hackathon visionär digitale Kultur (vor)gelebt wird. 
Der Innovationsgrad einer Region hängt stark von den Denkmustern, Arbeitsweisen und Haltungen ab und der Bereitschaft, den Mythos vom einsamen Erfinder aufzugeben. Innovationen im 21. Jahrhundert entstehen äußerst selten als Einzelleistung. Denkmuster, Arbeitsweisen und Haltungen entstehen durch Tun und Erleben. Der Umma Hüsla Hackathon bietet dafür eine einzigartige Plattform.
In Vorarlberg sind Unternehmen in der alten Welt verhaftet, nicht nur, was das Bilden von Netzwerken und Kollaborationen betrifft. Dies ergab eine qualitative Befragung in verschiedenen Interessensgruppen in der Region, die von den digitalen Initiativen 2023 durchgeführt wurden. In den 25 Interview-Gesprächen mit Akteurinnen und Akteuren in und außerhalb der Plattform ergab sich folgendes Bild: Oft überwiegen Ängste vor dem Verlust der Arbeitskraft durch den möglichen Wechsel zu einem anderen Unternehmen oder vor dem Verlust des Betriebsgeheimnisses, anstatt sich zu öffnen und aktiv Kollaborationen zu suchen, die neue Erkenntnisse, Geschäftszweige und Wachstum ermöglichen. Dieses Bild spiegelt sich auch bei den Teilnehmenden des Umma Hüsla Hackathons wider: Selten schicken Unternehmen ihre Teams zum Hackathon, aus Angst vor Einblicken in Projekte des Unternehmens. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Organisationen kommen als Einzelpersonen oder als Team, arbeiten aber an einem privaten Projekt.
Diese Haltung verhindert mögliche Innovation und die schon lange fällige Neuorientierung der lokalen Wirtschaft: Weg von der Industrie hin zu Software und Code. Die ganze Welt erkennt langsam, dass altes Denken keine langfristige Zukunftsperspektive bildet. Wie lange werden wir in Vorarlberg daran festhalten? Bis wir daran untergehen?

Welche Perspektive haben wir?
Für den unabhängigen Beobachter ist nicht schwer zu erkennen, dass die regelmäßige Alarmierung, wie zum Beispiel bei der Jahreshauptversammlung der Industriellenvereinigung (IV), hauptsächlich genutzt wird, um das System noch mehr in Richtung existierender Strukturen zu optimieren. Hier drei Beispiele aus jüngster Vergangenheit: 
›› Das Land bringt das Institut einer renommierten Universität nach Vorarlberg, doch schon bei der Vorstellung wird von den Projektinitiatoren klargestellt, dass die Industrie beliefert werden muss. 
›› Über Jahre hinweg wird das zarte Pflänzchen einer Startup-Kultur in Vorarlberg etabliert, es wird aber mit dem Bulldozer durchgefahren, sobald das Pflänzchen zu unabhängig wird. 
›› Seit einem Jahrzehnt bringen die Digitalen Initiativen regelmäßig Kinder und auch Randgruppen mit digitalen Themen in Kontakt. Neulich wurde dies als gute Idee anerkannt und wir müssen weichen. Wir können ja als Helfer im Hintergrund durchaus freiwillig mitwirken.
Lange haben die digitalen Initiativen geglaubt, wir könnten Vorarlberg „vom Menschen aus“ in eine zukunftsweisende, offene Richtung lenken. Nun müssen wir erkennen, dass die selbsterhaltenden Mechanismen des existierenden Systems stärker sind. Welche Hoffnung bleibt? Dass die absehbare Krise (die nicht nur unser Land betrifft) schnell genug kommt, sodass noch genug Innovationskraft und Engagement im Lande ist, um uns und unsere Wirtschaft neu zu erfinden. Bis dahin werden die Festhalter an den veralteten Strukturen sich wohl weiterhin im eigenen Saft suhlen und auf den Lorbeeren der vergangenen Jahrzehnte ausruhen, statt aktiv mit Pionieren nach Lösungen zu suchen und „zusammen etwas zu machen“. 

Ziel erreicht?
Der Drang, etwas zu verändern und Menschen zu inspirieren, hat die Aktiven im Verein der Digitalen Initiativen immer geeint. Die ehrenamtlich organisierten Umma Hüsla Hackathons sind der Inbegriff für eine neue Kultur, Kreativität, Machen und Co-Kreation. 
In den vergangenen Jahren sind in Vorarlberg weitere, unabhängige Hackathons entstanden, zum Beispiel an den HTL-Schulen. Ein Zeichen für „Ziel erreicht“ für die Plattform für digitale Initiativen. Neben dem Umma Hüsla Hackathon werden ehrenamtlich noch 16 weitere Initiativen von Engagierten unter dem Dach der Plattform geführt. 
Es gibt auch sonst viele Beispiele, bei denen wir zumindest als Inspirationsquelle agiert haben. Lange haben wir geglaubt, dass wenn wir kopiert werden, wir unser Ziel erreicht haben. Mittlerweile sind wir uns unsicher, ob das genug ist.

Ohne Bezahlung, ohne Boni 
In der Verhaltensökonomie wird der Begriff der intrinsischen Motivation verwendet, um menschliches Verhalten zu erklären, das nicht nur durch äußere Anreize (zum Beispiel Geld oder Belohnungen), sondern auch durch innere Werte, Überzeugungen und Zufriedenheit erklärt wird. Welche Bedingungen müssen geschaffen werden, dass sich Menschen freiwillig und mit großer Energie engagieren? Ulrich Schnabel, Wissenschaftsredakteur von „Die Zeit“, spricht in seinem Buch „Zusammen“ von der Kraft einer gemeinsamen Sache: „Gemeinsames Handeln kann nicht nur bessere Ideen hervorbringen, als einzelne Köpfe sich auszudenken in der Lage sind. Es kann auch jene besondere Art von sozialer Energie erzeugen, die das Individuum zu Dingen befähigt, zu denen es allein nicht fähig wäre.“
Beim Hackathon kann man dies besonders gut beobachten: In den Teams kommt es zu jener Energie, die es braucht, um 26 Stunden an einem Projekt dranzubleiben. Es kommt zu neuen Ideen, zu Lösungen, wenn man gerade „festhängt“ und nicht weiterkommt. Manchmal kommen die Lösungen auch von jemandem, der gar nicht zum eigenen Team gehört, der nur einen Blick von außen darauf wirft. Netzwerkforscher haben herausgefunden, dass starke Kontakte wie Angehörige und Freunde so eng miteinander verknüpft sind, dass innerhalb dieses Netzwerks im Prinzip jeder und jede dieselben Informationen besitzt. Deshalb sind die schwachen Bindungen, die Begegnungen mit Menschen, die nicht zum engsten Freundeskreis gehören, von großem Wert und oft überraschend inspirierend (Mark Granovetter: „Die Stärke der schwachen Bindungen“).
Da der Umma Hüsla Hackathon schon zum zehnten Mal erfolgreich durchgeführt wird, also ein Erfolgsmodell zu sein scheint, lohnt es sich, einen Blick auf die Rahmenbedingungen zu werfen: Ein für alle offener, kreativer „Spielplatz wird von der Plattform für digitale Initiativen zur Verfügung gestellt, Mitspieler und Mitspielerinnen sind ausreichend vorhanden, im Mittelpunkt stehen der Spaß und die Möglichkeit, etwas zu machen. Nach Abschluss eines Hackathon-Projekts lösen sich die Teams wieder auf oder finden neue Formen. So ist der gesamte Verein auch organisiert: Eher amöbenartig als in einer fixen Struktur.
Das Schöne an freiwilliger Arbeit ist, dass es sich auch leicht außerhalb der Sichtweite des eigenen Kirchturms denken und agieren lässt.

Mehr Infos: www.digitaleinitiativen.

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