Sabine Barbisch

Von der Demystifizierung des vermeintlich Anderen

November 2020

Maximilian Hirn hat Vorarlberg gleich nach der Matura verlassen: Seit 17 Jahren lebt er nun im Ausland, während des Studiums in Großbritannien, danach in den USA und später in verschiedenen afrikanischen Staaten, 2017 kehrte er nach Washington DC zurück. In „Thema Vorarlberg“ spricht er über die faszinierenden wie auch herausfordernden Aspekte seines Lebens im Ausland.

Die Weltbank ist eine öffentliche, internationale Institution, deren Hauptaufgabe die Vergabe von Krediten und Beihilfen an Entwicklungsländer ist. Als Ziel ist ganz klar die Reduktion von Armut und nicht der Profit definiert. Der gebürtige Feldkircher Maximilian Hirn arbeitet seit elf Jahren für die globale Organisation: „Meine Hauptaufgabe ist, in Zusammenarbeit mit den Regierungen der jeweiligen Länder und mit unseren internen Spezialisten sinnvolle Projekte auszuwählen, zu entwickeln, zu finanzieren und die Implementierung zu begleiten.“ So hat er mit seinem Team in der Hauptstadt von Liberia zum Beispiel die Finanzierung der Rehabilitierung und Ausweitung des Wassernetzwerks ermöglicht: „Das Ziel ist, damit 80.000 Menschen den Zugang zu sauberem, fließendem Wasser zu ermöglichen.“
Der Fokus seiner Arbeit als Weltbank-Ökonom liegt generell im Wasser- und Sanitätsbereich, konkret bei Projekten, die den Ausbau einer sicheren Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung ermöglichen. „Ein wichtiger Aspekt für unser Team ist auch die Sicherung des Weiterbestands der neuen Infrastruktur, nachdem der Bau abgeschlossen ist; denn es hat ja keinen Zweck, moderne Wasseraufbereitungsanlagen zu bauen, wenn diese dann wegen fehlender Wartung nach fünf Jahren wieder zerfallen“, gibt er zu bedenken. In Ländern wie Afghanistan oder Liberia, in denen die Einnahmen und Kapazitäten öffentlicher Versorger eingeschränkt sind, ist es laut Hirn besonders wichtig, die Nachhaltigkeit öffentlicher Investitionen gut zu durchdenken. 
Seit März diesen Jahres hat sich sein Arbeitsalltag bedingt durch die Corona-Pandemie stark verändert: „Ich arbeite seit dem Frühjahr ausschließlich zu Hause und auch die sonst häufigen Arbeitsreisen wurden komplett eingestellt; stattdessen findet alles übers Internet und über Videokonferenzen statt.“ Nicht jeden Tag ins Büro zu müssen oder auf wochenlange Dienstreisen zu verzichten bedeutet für den 38-Jährigen durchaus eine Entlastung. „Mittel- und langfristig ist es so aber natürlich schwieriger, neue Projekte zu entwickeln, denn Besichtigungen vor Ort sind nicht möglich und wir können durch die fehlenden Treffen mit Regierungskunden keine persönlichen Beziehungen aufbauen.“ Einen positiven Aspekt haben Homeoffice und -schooling aber auf persönlicher Ebene für Maximilian Hirn, seine Frau und die gemeinsamen Kinder Satou und Xavi: „Normalerweise besuchen wir meine Familie in Vorarlberg einmal im Jahr. Heuer ist es uns wegen Corona sogar möglich, mehrere Monate hier zu verbringen: Die Kinder machen ihre Online-Schule in den USA einfach von hier aus.“ In dieser Zeit schätzt Familie Hirn die „unschlagbare Lebensqualität in Vorarlberg – und wir würden gerne hier leben; nur ist mein Beruf mittlerweile so auf internationale Entwicklungsbanken ausgerichtet, dass es schwierig ist sich vorzustellen, wie man den Weg zurückfinden könnte.“

Eine internationale Karriere – von Anfang an

Denn die internationale Ausrichtung von Maximilian Hirns Leben zeichnete sich bereits ab der Matura am Bundesgymnasium Feldkirch ab: Er studierte an renommierten Universitäten in Großbritannien Geschichte, Literatur, Ökonomie und öffentliche Gesundheit; und für ein Semester auch Medizin. „Diese Abwechslung ist interessant, leider ist im Leben nicht genug Zeit, um allen Interessen zu folgen. Irgendwann muss man sich festlegen. Für meinen Bachelor bin ich drei Jahre an der Uni Oxford gewesen, danach noch für zwei Master in London. Das hat vor allem mein Englisch perfektioniert.“
Und er sagt, es sei hilfreich gewesen, zu sehen, dass überall nur mit Wasser gekocht wird. „Die Studienzeit in Oxford war anstrengend, aber sehr atmosphärisch. London habe ich vom Angebot, der Verschulung der Unis und dem Preisniveau eher als attraktive Stadt für Berufstätige empfunden – als Student lebt es sich anderswo vielleicht angenehmer und freier.“ 
Gleich nach dem Studienabschluss hat Maximilian Hirn von 2007 bis 2008 als Kurzzeit-Konsulent bei der Weltbank angefangen. Zu seinen ersten Aufgaben zählten die Datenverarbeitung und die Bewertung von Finanzierungsanträgen. „Ein Vorteil der Weltbank ist ihre Größe, so dass es immer relativ viele Möglichkeiten gibt, den Ort oder die Aufgabe zu wechseln. Über einige Umwege habe ich dann die Chance bekommen, für die Bank im Wassersektor in Kenia zu arbeiten.“ 
Seine Tätigkeit bei der Weltbank hat Hirn in den vergangenen Jahren oft nach Afrika geführt, er lebte von 2009 bis 2011 und von 2014 bis 2017 in Nairobi (Kenia) und von 2011 bis 2014 in Dakar (Senegal). „Die zentralen Aspekte des Lebens sind ja überall dieselben: Die Demystifizierung des vermeintlich Anderen war für mich eine Haupterfahrung meiner längeren Auslandsaufenthalte. Allerdings ist die Kulisse natürlich eine andere und macht das ganze sehr interessant; die Kultur, das Essen, die Lage am Meer wie zum Beispiel in Dakar, aber auch die Gesellschaftsstruktur.“ Seit drei Jahren lebt Hirn mit seiner Frau und den beiden Kindern in Bethesda, einem Vor­ort von Washington DC in Maryland.
Insgesamt lebt der 38-jährige Ökonom damit seit rund 17 Jahren im Ausland: „Die größere Herausforderung als der Aufenthalt ist eigentlich der Wechsel; zum Beispiel, dass man sich nach jedem Umzug neu orientieren muss: Wo findet man einen verlässlichen Arzt? Wie fährt man am besten zur Arbeit? Wo in der Stadt soll man wohnen? Wo gehen die Kinder in die Schule? Und viele Fragen mehr. Es dauert oft ein ganzes Jahr, bis man sich vollständig eingelebt hat und es wird mit jedem Mal anstrengender, wieder von vorne anzufangen.“ 
Momentan verbringt die weit gereiste Familie diese außergewöhnliche Zeit bei den Verwandten in Vorarlberg, da kommen bei Maximilian Hirn auch Erinnerungen an die eigene Kindheit hoch: „Ich bin in Feldkirch geboren und aufgewachsen und hatte hier eine sehr schöne und beschützte Zeit. Die Kindheitserinnerungen verblassen mittlerweile, aber vom Schi-Bus nach Brand/Laterns, dem Himbeerpflücken mit Oma, „Krampusfuechseln“, dem VEU-Euroliga-Finale oder den Baggerlöchern ist genug dabei, um sentimental zu werden.“ Er erinnert sich, dass er als Kind spätestens seit dem Kinderbuch „Hatschi-Bratschi“ den starken Impuls verspürte, andere Länder zu sehen. Und das ist ihm eindrucksvoll gelungen!

Lebenslauf

Der Feldkircher Maximilian Hirn wurde am 5. September 1982 geboren und hat nach dem Bundesgymnasium Feldkirch an der Universität Oxford an der London School of Economics, am University College und an der London School of Hygiene and Tropical Medicine studiert. Bereits von 2007 bis 2008 lebte er in Washington und arbeitet seitdem für die Weltbank. Weitere Auslandsaufenthalte in Nairobi, Kenia (2009 bis 2011 und 2014 bis 2017) und in Dakar, Senegal (2011 bis 2014) folgten, seit drei Jahren ist Hirn zurück in Washington DC und arbeitet als Ökonom und Projektleiter für Investitionsprojekte der Weltbank in Süd­-
asien (Afghanistan, Pakistan, Indien).
Maximilian Hirn ist verheiratet und Vater von Satou (7) und Xavi (10). 

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