J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Konstruktiver Naturschutz beruht auf Fakten

Oktober 2014

Seien Sie ehrlich: Wie lange müssen Sie suchen, bis Sie eine bunte Blumenwiese finden, eine Wiese, auf der eine Unzahl von Tieren ihr Zuhause haben? Unsere Landschaft ist eintönig geworden. Die Wiesen, auf denen ich als Kind im Spiel die Faszination Natur kennengelernt habe, sind verschwunden. Sie wurden verbaut oder mussten einer langweilig grün-gelben Agrarwüste weichen. Ebenfalls verloren gegangen ist Zeit – Zeit, die man braucht, um sich selbst die Schönheit der Mitwelt zu erschließen. Viele Menschen haben den Bezug zur Natur verloren. Für sie steht „Naturschutz“ für „Verhinderung“, denn „zuerst kommt der Mensch“, und die schützenswerten Lebewesen „hat noch nie jemand gesehen“. Man beruft sich auf einen religiösen Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, und vergisst dabei zu fragen, welche Rolle man einnehmen möchte: die eines zerstörerischen Tyranns oder die eines verantwortungsbewussten, weisen Verwalters. Dem einsichtigen Regenten ist klar: Zerstört er die Natur, zerstört er letztendlich, was unser Leben lebenswert macht.

Tatsächlich basierte Naturschutz früher auf Mutmaßungen. Der Lebensraum ließ erahnen, welche seltenen Tier- und Pflanzenarten dort leben könnten. Doch auf die Dokumentation unserer Mitwelt wurde verzichtet. Moderner Naturschutz hingegen baut auf harte Fakten. Natürlich gibt es Menschen, die auch die seltenen Tiere und Pflanzen gesehen haben. Forschungsprojekte vermehren unser Wissen ebenso wie Amtsgutachten, aber auch zufällige Beobachtungen durch Laien. In der Biodiversitäts-Datenbank der inatura, dem Dokumentationszentrum der Natur Vorarlbergs, fließt all dieses Wissen zusammen. Was als wissenschaftliche Dokumentation begann, ist heute ein unverzichtbares Instrument zum Schutz unserer Heimat geworden.

Naturschutz soll nicht wie eine Käseglocke über Vorarlberg gestülpt werden. An die Stelle der Verhinderung ist der
Dialog getreten. Die Amtssachverständigen bringen sich ebenso in die Planung ein wie die Naturschutzanwaltschaft. Und auch Naturschutzvereine sind eingeladen, sich an den Gesprächen konstruktiv zu beteiligen. Das gemeinsame Ziel, die verborgene Schönheit unseres Landes zu erhalten, sollte vor jedem Vereinslobbyismus an vorderster Stelle stehen. Das bei der inatura gespeicherte Wissen steht dabei allen Beteiligten zur Verfügung. Im Geografischen Informationssystem (GIS) können die Nachweise jeder beliebigen Tierart am Bildschirm dargestellt werden. Der Vergleich mit ähnlichen Lebensräumen erlaubt Rückschlüsse auf das in Diskussion stehende Gebiet. Und nicht zuletzt werden die Gutachter vom Wetter und von der Jahreszeit unabhängig: Im Winter den ökologischen Wert einer Wiese zu beurteilen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Bei der inatura aber ist gespeichert, was übers Jahr dort kreucht und fleucht.

Dank diesem Wissen können im Dialog neue Lösungen gesucht werden. Denn bei manchen Projekten bewirken bereits kleine Änderungen signifikante Verbesserungen. Das gemeinsame Gespräch im Vorfeld jedes Projekts hilft, unserer Mitwelt jene Bedeutung zu schenken, die sie verdient.

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