Angelika Schwarz

* 1975 in Feldkirch, ist Journalistin, studierte Germanistin und Anglistin, langjährige ORF-Redakteurin und -Moderatorin (Radio und Fernsehen). Angelika Schwarz arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Landeskrankenhäuser Vorarlberg.

Künstliches Hüftgelenk „to go“

November 2021

Morgens anreisen, vormittags OP, abends wieder zu Hause. Was bei ausgewiesenen tageschirurgischen Eingriffen wie Krampfadern und Leistenbrüchen bereits möglich ist, haben Spezialisten am LKH Feldkirch nun erstmals in Österreich auch auf einen größeren Eingriff übertragen: Ein Team der Abteilung „Orthopädie und Unfallchirurgie“ hat dem ehemaligen Leistungssportler Thomas Jochum ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt – und das unter ambulanten Bedingungen: Der Ringer und WM-Teilnehmer konnte wenige Stunden nach dem Eingriff das Spital wieder verlassen. „Herr Jochum war ein optimal geeigneter Patient, um erstmals dieses ambulante Verfahren anzuwenden, da er beste körperliche Voraussetzungen mitbringt“, erklärt Dr. Johannes Abel, der die Operation geleitet und durchgeführt hat. Der leitende Oberarzt steht dem Bereich „Endoprothetik“ unter Prim Dr. René El Attal vor. Der Eingriff selbst ist routinemäßig und ohne Probleme verlaufen.

Persönliche Entscheidung
zum ambulanten Eingriff 

Thomas Jochum hat erstmals bei der Vorbereitung zur Weltmeisterschaft 2013 „Beschwerden in der Leistengegend“ gespürt. Beim Arzt hat der heute 50-Jährige erfahren, dass die Schmerzen von Abnutzungserscheinungen im Hüftgelenk verursacht werden: „Bei Herrn Jochum lagen mechanisch ungünstige Verhältnisse vor“, erklärt Dr. Johannes Abel. „Durch einen breiten Oberschenkelhalsknochen kam es zu einem Anstoßen des Schenkelhalses am Becken, was zu einer frühen Arthrose führt. Zudem war er Ringer mit einem überdurchschnittlichen Anspruch an das Gelenk.“ Der Schaden war zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung zu fortgeschritten, um ihn gelenkserhaltend korrigieren zu können.
Eine längere Zeit ohne seinen geliebten Sport zu leben, war für Thomas Jochum zunächst undenkbar, die unvermeidbare Operation hat er deshalb noch ein paar Jahre hinausgeschoben. Die Möglichkeit, den Eingriff nun auch ambulant durchführen zu lassen, hat ihn sofort überzeugt: „Ich verbringe nicht gerne Zeit im Krankenhaus“, schmunzelt er. Die behandelnden Ärzte haben das Okay gegeben und Thomas Jochum ist damit als erstem Patientem im Land unter ambulanten Bedingungen ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden. „Da wir wirtschaftlich und medizinisch keinen Druck haben, Hüft-Patient:innen ambulant zu versorgen, ist es wichtig, dass die Betroffenen selbst von dem Verfahren überzeugt sind und der Wunsch danach von ihnen ausgeht“, hält Abel fest. Und Jochum bekräftigt: „Ich hatte die ganze Zeit über ein sehr gutes Gefühl.“

Gute interdisziplinäre Vorarbeit nötig
Hüftprothesen unter ambulanten Bedingungen einzusetzen, kennt man vor allem in den USA, in Kanada, Skandinavien und in den Niederlanden schon länger. „Dass man den Eingriff sicher durchführen kann, ist wissenschaftlich belegt“, erklärt Abel. „Die Langzeitergebnisse sind dieselben wie im stationären Setting, auch die Operationstechnik an sich bleibt gleich. Die Verfahren unterscheiden sich darin, dass der Patient erst am Morgen ins Spital kommt, am selben Tag operiert und wieder entlassen wird.“ 
Der Eingriff ist im Vorfeld sorgfältig geplant worden. Es ging laut Dr. Johannes Abel darum, einen reibungslosen Ablauf zu koordinieren und alle beteiligten Disziplinen mit ins Boot zu holen: „Zudem wurden Kriterien festgelegt, die postoperativ erfüllt sein mussten, damit Herr Jochum so früh entlassen werden konnte. Bei geringstem Zweifel – das war für alle ganz klar – hätte er stationär bleiben müssen.“ Seine Frau Carmen hat sich nach der Spitalentlassung um Thomas Jochum gekümmert. „Die erste Zeit war noch ungewohnt“, erzählt der Familienvater. „Ich habe erst nach und nach realisiert, dass wirklich alles geklappt hat.“ In die Planung sind auch Jochums behandelnde Ärzte aus dem niedergelassenen Bereich miteingebunden worden: „Alles in allem ist so ein Eingriff organisatorisch aufwändig, die Abklärungen und Untersuchungen müssen in kurzer Zeit untergebracht werden und eine adäquate Versorgung zu Hause gewährleistet sein“, fassen die Beteiligten zusammen. Thomas Jochum hat den Ablauf als „sehr gut organisiert“ empfunden: „Alle waren sehr freundlich und hilfsbereit.“ 

Sichere Grenzen ausloten
Die Frage, welche Patient:innen für derartige Verfahren überhaupt zugelassen werden können, ist noch nicht abschließend beantwortet. „Noch werden hier die Grenzen ausgelotet“, sagt Abel. „Deswegen kommen zunächst nur junge und körperlich fitte Patient:innen ohne relevante Vorerkrankungen in Frage. Keine Indikation sehe ich für ältere Patient:innen sowie für jene, die in ihrer Mobilisation eingeschränkt sind, relevante Nebenerkrankungen vorweisen oder keine gute Unterstützung daheim haben.“ Hüftprothesen werden am LKH Feldkirch daher nach wie vor mit stationärem Aufenthalt geplant, ambulante Eingriffe werden die Ausnahme bleiben. Aus rein medizinischer Sicht sieht der Fachmann nur wenige Vorteile. Aber: „Mögliche positive Auswirkungen in Bezug auf eine schnellere Erholung im vertrauten Umfeld sprechen für das ambulante Verfahren.“
Die medizinische Entwicklung – Operationstechnik, Implantate, Narkose und Betreuung – ist mittlerweile weit fortgeschritten und macht einen Eingriff im ambulanten Setting erst möglich: „Es ist mir ein Anliegen zu betonen, dass genau dieser medizinische Fortschritt allen Patient:innen am LKH Feldkirch zugutekommt und dies die eigentliche Errungenschaft ist“, bekräftigt Dr. Johannes Abel. „Dr. René El Attal hat mit Antritt seines Primariats das Rapid Recovery Programm eingeführt, durch das sämtliche Abläufe der endoprothetischen Eingriffe am LKH Feldkirch interdisziplinär definiert werden. Jetzt wissen wir, dass alles so gut funktioniert, wie wir angenommen haben.“
Thomas Jochum hat bereits mit der sechswöchigen Physiotherapie begonnen: „Ich trainiere drei Mal pro Woche“, ist er motiviert. Danach steht ein Kontrolltermin samt Röntgen an: „Sofern dann alles in Ordnung ist, braucht es keine weiteren Therapien und der Patient kann die Belastung steigern“, erklärt der Arzt. Thomas Jochum freut sich, „nach jahrelangen Schmerzen den Alltag ohne Einschränkungen leben zu können. Ich kann die häusliche Umgebung zur Heilung nur empfehlen.“

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.