Thomas Zerlauth

1968 in Dornbirn, ist tiefenpsychologisch orientierter Markenstratege. Er hat 20 Jahre als Markenentwickler der Luxus-Hotellerie und Gesundheitsbranche gearbeitet. Seine Herangehensweise nennt er „MarkenSprint“. Darunter versteht man ein Strategie-Werkzeug, um Marken aus einer radikal neuen Perspektive zu betrachten und damit zu positionieren.
www.markensprint.com

Markenmagie – was uns vertrauen lässt und unbewusst Bedeutung vermittelt

September 2022

Marken werden zu oft mit statischen Regeln verwechselt, dabei verdienen sie eine viel lebendigere und magische Betrachtungsweise. Erst in der Marke beginnt ein an und für sich „stummes Etwas“ lebendig zu werden und sein ganzes Erfüllungs-Potenzial zu offenbaren. Sie ist daher wie eine magische Bedeutungshülle zu betrachten, die etwas „noch Leblosem“ eine anmutige Bedeutung vermittelt und den dadurch Berührten zu einer intensiveren Begegnung, Teilhabe und Anverwandlung einlädt.
Die Magie einer Marke ist aus der Sicht des Konsumenten nichts anderes, als unsere unbewusste Reaktion auf ein inneres Bauchgefühl und den unerklärbaren und meist unbewussten Zauber, den sie auf uns ausübt. Implizit, aber – und das ist wirklich entscheidend – bedeutungsvoll. Indem sie sich an Resonanzmöglichkeiten mit unserem Unbewussten orientiert und nicht (nur) vordergründige Ich-Begierden zu befriedigen sucht.

Marken sind also sinnvermittelnde Bedeutungsebenen und lebendige Geschichten, die uns vorwiegend unbewusst berühren, ergreifen und zur Teilhabe verführen. 
Sofern ihnen das wirklich gelingt, verkörpern und versehen wir sie mit einer individuellen Bedeutung. In der Essenz geht es bei allen guten Geschichten um spannend erzählte Veränderungen der Lebenssituation des Helden oder der Protagonisten. Immer. Und genau dieser – im Inneren und meist unbewusst stattfindende – Prozess ist das Geheimnis magischer Marken. Sie verändern unser subjektives Erleben auf eine bezaubernde Art und Weise. Vielleicht nicht für immer, aber – solange wir uns von ihrer Magie verzaubern lassen – immer wieder. Magie ist nicht mehr als der kommunikative Tanz mit dem Unbewussten – aber auch keinen Deut weniger.

Eine Marke ist die Instanz einer bestimmten Bedeutung
Marken kommt bereits heute eine viel spezifischere Rolle zu, weil Menschen auf ihrer Suche nach einem gangbaren Weg nicht nur glaubhafte Problemlöser, inspirierende Hoffnungsbilder und sinngeflutete Utopien benötigen, sondern insbesondere auch langfristig vertrauenswürdige Instanzen. 
Gerade in den deutlich spürbaren Umbruchphasen – und niemand wird widersprechen, dass sich die globale Gemeinschaft in einer solchen befindet – werden obsolet gewordene Vorstellungen durch zeitaktuellere und zukunftsfähige Geschichten ersetzt. Unternehmen, die sich in alter Manier vor ihren Verantwortungen drücken und die Welt mit unhaltbaren und auf die Dauer enttäuschenden Versprechen ködern, werden diese Zeitenwende nicht unbeschadet überleben. Sie werden vergessen, weil das Weitererzählen ihrer Geschichte einfach keine Chance auf Zukunft in sich trägt. 
Mythen sind die effizientesten Werkzeuge der Wirklichkeitsgestaltung und wer ihre innere Dynamik und Wichtigkeit übersieht, läuft Gefahr aus der Geschichte getilgt zu werden. Immer mehr Menschen werden sich auf den Weg machen und Dinge, Prozesse und Produkte hinterfragen beziehungsweise auf ihren ökologischen, gesellschaftlichen, sozialen, gemeinwohlorientierten Fußabdruck überprüfen. Marken werden sich an unangenehme Fragen einer wacher werdenden und vernetzten Mehrheit gewöhnen müssen und sind – oder werden – zeitnahe deklarations- und dokumentationspflichtig, was ihre Produktionsabläufe, Geschäftspraktiken und ihre soziale sowie ökologische Verantwortung anbelangt.

Auf der Suche nach dem Sinn und feinfühligen Geschichtenerzählern
Unternehmen werden hinkünftig noch viel genauer studieren müssen, mit welchen Bedeutungen sie ihre Marken assoziieren wollen und welche Bedeutungen Konsumenten ihren Marken explizit und implizit zuschreiben sollen. Vor allem die Erkenntnis, dass sich der Wert einer Marke aus ihren sozialen Bedeutungen und immer stärker auch aus ihren kollektiven Sinn-Zusammenhängen ableiten lässt, wird den Beruf des Markenverantwortlichen als „Sinn- und Bedeutungsmanager“ verändern und aufwerten.
Gefragt sind feinfühlige, tiefsinnige und weitblickende Geschichtenerzähler, die über ein größeres Weltverständnis verfügen und verstehen, dass wir es mit immer intelligenter werdenden Menschen zu tun haben, die sich zugleich aber immer weniger berühren lassen und vielen Welt-Ausschnitten kritisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen. Auf diese zunehmende und tatsächlich stattfindende Entfremdung und Weltverstummung – um mit den Worten des Soziologen und Resonanzforschers Hartmut Rosa zu sprechen – müssen Markenentwickler dringend ihre volle Aufmerksamkeit richten. In den Antworten auf dieses um sich greifende Weltverstummen liegen jedoch fantastische Potenziale.

Marken sind magische Instrumente
Marken, die sich bewusst mit ihrem schöpferischen und magisch transformierenden Potenzial (nach innen wie nach außen) auseinandersetzen, arbeiten viel mehr an der Inspiration und Magie des Produkts, an lebendigen Erfahrungsmomenten und an den „Mini-Transformationen“ ihrer Kunden. Sie fördern das Gefühl dazuzugehören und schaffen Beziehungsqualitäten, die im weitesten Sinne des Worte „Sinn und Gemeinsamkeit“ erzeugen. Der Begriff „Marken Magie“ umschreibt keine einseitigen, logisch-linearen oder manipulativen Selbst-Inszenierungs-Prozess, sondern eine zeitgemäße Einladung an das Lebendige, das Sinndurchdrungene, das Ganzheitliche, das Utopische und damit insgeheim auch an eine Welt jenseits der Ausbeutung und patriarchalen Dominanz. Entscheidend sind die Beziehungen zwischen Unternehmen, Marken, Menschen und der Welt. Sie beschreiben den vibrierenden Zwischenraum, der zwischen dem Jetzt und einer antizipierten Zukunft liegt. 
Eine „magische Marke“ lässt sich nicht einfach durch starre Regeln „produzieren“, strategisch an das Bestehende anheften oder im schlimmsten Falle unter der Nutzung archetypischer Symbole und Worte vorgaukeln – wenngleich dieser Weg von manchen Werbespezialisten vorgeschlagen wird. Sie lässt sich auch nicht beliebig herzaubern oder als stumpfe Suggestionsformel darstellen. In ihrer Essenz geht es immer um eine besondere Art des Zusammenführens, des Schauens, des tieferen Hin- und Zuhörens, des Vernetzens und wirklich In-Beziehung-Setzens. Dadurch kommt es zu einer Bewegung im Inneren, einer fühlbaren – wenngleich meist unbewussten – Veränderung.

 

Buch-Tipp 

Thomas Zerlauth
„marken magie“
Haufe Verlag, erscheint im Herbst 2022
ISBN: 978-3-648-16691-8
1. Auflage 2022
shop.haufe.de/prod/marken-magie

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