Verena Lässer-Kemple

ist die Ökoprofit-Koordinatorin im Amt der Vorarlberger Landesregierung.

Beobachtungen eines Paradigmenwechsels

Juli 2024

Ideen für Vorarlberg – anlässlich der 100. Ausgabe von „Thema Vorarlberg“

Bei den Betriebsbesuchen im Rahmen der 220 Ökoprofit-Zertifizierungen zeigte sich heuer ein interessantes Bild: Aus der Unbekannten „CO2“ ist ein Selbstverständnis und auch ein wirtschaftlicher Parameter geworden. Als wir uns vor vier Jahren zum Ziel gesetzt hatten, Ökoprofit-Betriebe mögen ein Gefühl für CO2 bekommen, war letzteres für viele noch nicht greifbar. Heute rechnen sogar kleinste Handwerker in CO2 und große Betriebe verfolgen umfassende Weg-vom-Gas-Strategien. 
Vor ein paar Jahren noch unvorstellbar, senken sie Temperaturen in Produktionsprozessen und ersetzen Gas mit Wärmepumpen, die mittlerweile bereits 170 Grad schaffen. Das ist hocheffizient und wirtschaftlich sehr rentabel. Sichtbar sind zudem die umfassenden Investitionen in Photovoltaik und Elektromobilität. Nicht mehr ob ist die Frage, sondern nur noch wann die nächsten Investitionen erfolgen. Diese Protagonisten des Wandels sind keine Öko-Romantiker, sondern produzierende, energieintensive Vorarlberger Industriebetriebe: etwa Mondelez, Getzner, Zumtobel, Rupp Foods, Collini – um ein paar Namen zu nennen. Hier haben einzelne Maßnahmen mitunter das Potenzial, den Wärmebedarf von hunderten, gar tausenden Haushalten zu reduzieren. 
Während traditionell meist nur stark kostensenkende Maßnahmen genehmigt wurden, werden nun solche mit hohem CO2-Einsparungs-Potenzial priorisiert: CO2 hat sich als entscheidender Parameter etabliert. Das ist ein Paradigmenwechsel, ein neues Wirtschaftlichkeitsdenken, das gerade durchbricht: Wir befinden uns mitten in der ökologischen Transformation. Der erst im Dezember 2019 beschlossene EU-Green Deal zeigt seine Wirkung: die Dekarbonisierungsziele für 2030, 2040 und 2050 sind in den Unternehmens-Strategien angekommen. Die russische Aggression gegen die Ukraine und Lieferschwierigkeiten haben den Wunsch nach Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern verstärkt und die Wende ins post-fossile Zeitalter beschleunigt. 
Neben der ökologischen Transformation verlangen aber aktuell gleichzeitig auch die digitale Transformation und die Transformation hin zur Transparenz den Unternehmen Geduld ab. Aber man darf zuversichtlich sein, dass uns die Verschränkung dieser drei Herausforderungen gelingt und wir alle, unser Land und unsere Betriebe, in naher Zukunft besser dastehen werden: strategischer, unabhängiger, effizienter, kostengünstiger, mit vollen Auftragsbüchern und klimafreundlich.
Zu hoffen ist, dass der eindrückliche Drive bei der ökologischen Transformation in den Unternehmen in diesem Rekord-Wahljahr nicht durch politisches Hickhack gebremst wird. Klimaschutz sollte auch in der Politik zum Selbstverständnis werden, in den Unternehmen ist es das nämlich bereits. Die Geschwindigkeit ist aktuell enorm- beim technischen Fortschritt, als auch bei der Umsetzung in den Unternehmen: Was vor ein zwei, drei Jahren galt, ist teilweise mitunter schon überholt und wo die einen noch diskutieren, haben die anderen bereits umgesetzt. Agiert wird im Sinne einer chinesischen Weisheit: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“
Zuversicht, dass die ökologische Transformation gelingen wird, gibt gerade in Vorarlberg die riesige Investitionsbereitschaft unserer oft mit Pragmatismus, Unaufgeregtheit und Großzügigkeit familiengeführten Unternehmen, gepaart mit dem enormen Engagement der Menschen in unseren Betrieben. Dieser konstruktive Faktor Mensch, abseits von Politik und Hysterie in diversen Echokammern, in Kombination mit den aktuell bahnbrechenden technischen Möglichkeiten wird der größte Motor der Transformation sein. 

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