Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Fast schon ein Kulturkampf“

Juli 2023

Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Unternehmensgründer Fried Große-Dunker sprach im Rahmen des Business Summits an der FH Vorarlberg über New Work. Und sagte dabei mit Blick auf die Unternehmerschaft unter anderem: „Die Prozessfähigkeit, sich neu zu erfinden, ist der neue Wettbewerbsvorteil.“

Ist das Thema „New Work“ nur ein Hype? Oder doch die Zukunft? Wer sich da rasch festlegt, kann auch irren. „Denn so einfach“, sagte der deutsche Unternehmensgründer Fried Große- Dunker vor kurzem an der Fachhochschule Vorarlberg, „lässt sich das nicht beantworten.“
Denn vordergründig kann man dem Referenten zufolge beides sehen: Einen Hype angesichts diverser Co-Working-Spaces, etwa in Berlin, die ihren Mitarbeitern alle Extravaganzen anbieten. Oder wenn in Medien und Studien von „arroganten jungen Arbeitnehmern“ zu lesen ist und davon, dass Angehörige der Generation Z schlichtweg „die illoyalsten Jobber aller Zeiten“ seien: „Um diese Fragen ist fast schon ein Kulturkampf entbrannt.“
Die Zukunft wiederum sieht man laut Große-Dunker, wenn von positiven Elementen der neuen Arbeitsformen die Sprache ist, etwa von niedrigeren Bürokosten und einem Performance-Plus bei den Mitarbeitern. Doch wer nur an den Fußballtisch im Großraumbüro denkt, an eingebildete junge Menschen oder an Home-Office, der sieht laut dem Berliner: „Nur die Spitze des Eisbergs.“ Und übersieht: „Zwei grundlegende Veränderungen.“ 

Henry Ford, zynisch
Veränderung Nummer eins? „Die Arbeit und mit ihr die Arbeitskräfte haben sich im Laufe der Zeit massiv gewandelt, wissensbasiertes Arbeiten hat rein produzierendes Arbeiten vielfach abgelöst. Und doch gestalten wir unsere Organisationen oftmals wie vor einhundert Jahren.“ 
Wie zu der Zeit also, als Henry Ford noch gesagt hatte: „Wie kommt es, dass man mir, wenn ich ein Paar Hände will, jedes Mal auch ein Gehirn mitbringt?“
Doch die Zeiten, in denen nur die Hände gefragt waren und nicht der mitdenkende Mitarbeiter, die sind vorbei. Und damit auch das hierarchische Management von einst. Dem Deutschen zufolge treiben heute drei Faktoren die Menschen in ihren Berufen an: „Autonomie. Profession. Zugehörigkeit.“ Und das sei „im Kern das, was New Work versucht: Die Organisation so umzugestalten, dass wir mit neuen Motivationsfaktoren und nicht mehr mit den alten Organisationsformen arbeiten.“
„Wir sind nicht faul“
Große-Dunker zitierte an dieser Stelle aus einer aktuellen Studie zur Generation Z und daraus den Satz junger Menschen: „Wir sind nicht faul. Wir wollen nur anders arbeiten.“ Demnach gehe es der jungen Generation weder um Faulheit noch um Illoyalität: „Es geht nur um die Suche nach Arbeitsplätzen, die motivierend und menschenzentriert sind. Mit einem streng hierarchischen Organigramm funktioniert das nicht.“
Und wie funktioniert es? Der Berliner verwies auf mehrere Beispiele, etwa auf ein brasilianisches Maschinenbau-Unternehmen namens Semco. Dort werden auf Initiative des Firmenchefs bereits seit den 1970ern Mitarbeiter in Unternehmensentscheidungen und in Gehaltsverhandlungen eingebunden, Führungskräfte werden nicht von oben bestimmt, sondern von unten gewählt. Der Erfolg gibt den Brasilianern recht: „Das Unternehmen hat im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre eine Wachstumsrate von 46 Prozent und eine Fluktuationsrate von zwei Prozent.“ Ein weiteres Beispiel? Ist das niederländische Pflegeunternehmen „Buurtzorg“, das auf jegliche Hierarchie verzichtet, dabei aber höchst erfolgreich ist: Das Unternehmen wirtschaftet zu einem Drittel der marktüblichen Kosten und hat „die höchste Mitarbeiterzufriedenheit in den Niederlanden“. Und das in dieser notorisch unzufriedenen Branche! Ein Beispiel für Vorarlberg?

68 Jahre. Drei Tage.
Veränderung Nummer zwei? „Alles wird alles schneller“, sagte Große- Dunker, „die Flugzeugbranche brauchte 68 Jahre, um 50 Millionen Kunden zu bekommen. Das Internet sieben Jahre. Und Chat GPT? Drei Tage.“ Was also muss ein Unternehmen, was muss eine Organisation tun, um in dieser rasanten Welt zu überleben? Antwort des Deutschen: „Wir brauchen Transformation. Doch 75 Prozent aller Transformationen scheitern.“ Und das unter anderem, weil Unternehmen vielfach mit einer falschen Metapher falsche Ziele anstreben: „Unternehmen sagen, wir brauchen einen neuen Nordstern, wir machen uns auf die Reise. Doch die Reisemetapher hat zwei Probleme.“ Problem Nummer eins? Wer nur auf das Ziel schaut, schaut nicht, ob er selbiges mit seinem Unternehmen überhaupt erreichen kann: „Ist das Unternehmen ein schwerfälliger Tanker, kann der Tanker das Problem sein.“ Problem Nummer zwei? Sich nur ein Ziel zu setzen, kann auch kontraproduktiv sein: „In der sich immer schneller ändernden Welt müssen wir uns ständig neue Ziele setzen.“

Chaos oder Stillstand
Wobei ein Unternehmen, das sich neu erfinden will, laut Große-Dunker bestimmte Fähigkeiten haben muss. Es muss beispielsweise innovationsfähig sein: „Man braucht Erfinder und Innovatoren.“ Es muss aber auch veränderungsfähig sein: „Man braucht eine Belegschaft, die das Neue auch annimmt und groß und erfolgreich machen will.“ Und es muss diese beiden Fähigkeiten auch vereinen können: „Ansonsten gibt es entweder Chaos oder Stillstand.“ In der Veränderung, in der Adaption des Neuen, aber ist Tempo geboten. Denn laut dem US-amerikanischen Management-Vordenker Peter Senge zufolge sei „der einzige nachhaltige Wettbewerbsvorteil die Fähigkeit einer Organisation, schneller als die Mitbewerber zu lernen.“ Die Prozessfähigkeit, sich neu zu erfinden, ist laut Große-Dunker der neue Wettbewerbsvorteil. 
Mit alten Hierarchieformen geht das nicht. New Work heißt also auch: So viel Dezentralität wie möglich. Kein Reißbrett-Masterplan. Nicht behaupten, man habe die Magie auf Vorstandsebene und nur dort den großen Plan. New Work heißt: Menschenzentrierte, motivierende, sinnstiftende Arbeitsplätze.
„Ob New Work nun Hype oder Zukunft ist“, sagte Große-Dunker, „ist eine Frage, die sich in unseren Köpfen an der Art und Weise entscheidet, wie wir Organisation gestalten.“ Anders formuliert: „Wollen wir tatsächlich Kapitän eines schwerfälligen Tankers sein? Es ist unsere Haltung, die entscheidet.“

Die Welt im Wandel 

Anzahl der Jahre, um auf 50 Millionen Nutzer zu kommen:
Flugzeug 68 Jahre
Auto 62 Jahre
Telefon 50 Jahre
Strom 46 Jahre
Kreditkarte 28 Jahre
Fernsehen 22 Jahre
Bankomat 18 Jahre
Handy 12 Jahre
Internet 7 Jahre
YouTube 4 Jahre
Facebook 3 Jahre
Twitter 2 Jahre
Chat GPT 3 Tage
 
Angaben von „Dark Horse Innovations“, Berlin

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