Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Miriam Feuersinger – Musik wie Vollkornbrot

Mai 2019

Anna Netrebko hat ihn. Cecilia Bartoli hat ihn. Nikolaus Harnoncourt hat ihn. Und – Miriam Feuersinger hat ihn.
Den „Echo Klassik“-Musikpreis. Seien Sie ehrlich, haben Sie das gewusst?

Warum stellen wir diese Frage? Ganz einfach, Miriam Feuersinger ist eine hochkarätige Sopranistin aus Bregenz, die sich in die weite Welt aufgemacht hat, um ihr Glück zu finden. Und die ihren Weg gemacht hat. Mit Höhen und Tiefen, dabei aber Mensch geblieben ist. Ein Mensch, der Kraft, Zuversicht und Freude ausstrahlt. Ein Mensch, der mitreißt. Wir durften uns davon im Gespräch überzeugen. 
2014 war also ein vorläufiger Höhepunkt ihrer Karriere mit dem Gewinn des „Echo Klassik“. „Dieser Preis hat mich mit großer Dankbarkeit erfüllt“, erzählt sie. „Er bestätigt meinen Weg, den ich nach Abschluss meines Studiums mit der Entscheidung für die geistliche Musik des Barock gegangen bin.“ Obwohl ihr prophezeit wurde, dass sie sich mit diesem Weg die berufliche Zukunft eventuell verbaue, hielt sie an ihrem Entschluss fest. Und ließ sich nicht beirren. Das Ergebnis: Ihre erste CD, die sie bei einem kleinen Label veröffentlichte, konnte 2014 beim „Echo“ reüssieren. „Der Preis freut mich ganz besonders, weil er von einer unabhängigen Jury vergeben wurde“, ist sie stolz auf den Weg, den sie gegangen ist. (Anmerkung: Christoph Graupner: „Himmlische Stunden, selige Zeiten.“ Miriam Feuersinger – Sopran, Capricornus Consort Basel. Christophorus-Verlag, 2013.)
Doch was war es für ein Weg, den Miriam Feuersinger beschritten, der sie oft auf verschlungenen Pfaden zum Ziel geführt hat, der mitunter steinig, aber nie hoffnungslos war? Miriam wurde 1978 in Bregenz geboren. „In meiner Karriere hat sich alles immer irgendwie gefügt“, erzählt sie. „Eigentlich bin ich eine ,Dahoamhockerin‘. Ich komme aus einer Familie, die nie Urlaub machte.“ Aber es sollte anders kommen.

Der orangefarbene Koffer

Nach einem langen Intermezzo in Basel und zahlreichen Konzertsälen der Welt lebt Miriam Feuersinger seit einem Jahr wieder in Bregenz. „Das Zurückkommen war nicht einfach für mich. Die Entscheidung, wieder hierherzuziehen, hatte auch mit der Krankheit meines Vaters zu tun. Ich wollte noch die gemeinsame Zeit nutzen, die uns blieb.“ Den Zweitwohnsitz in Basel hat sie allerdings behalten. „Ich bin etwa drei bis fünf Tage unterwegs, den Rest der Woche bin ich meist in Bregenz.“ Miriam lebt also die halbe Woche aus ihrem orangefarbenen Koffer. „Der ist mein Zuhause auf meinen zahlreichen Reisen, die sich zwangsläufig ergeben. Den finde ich immer wieder sofort“, meint sie lachend. Ihr Motto: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Frei nach Astrid Lindgrens Pippi Lang­strumpf. „Das ist eine Notwendigkeit, wenn ich so viel unterwegs bin“, sagt sie.
Aber wie wird man zu einer gefragten Bach-Interpretin, wollen wir wissen? „Ich bewege mich eigentlich immer zwischen zwei Polen: Zum einen möchte ich das erfüllen, was von mir erwartet wird, zum anderen muss ich meinen eigenen Weg gehen. Das war schon in der Schule so. Ich besuchte neun Jahre lang die Riedenburg in Bregenz. Eigentlich war ich immer eine Brave“, grinst sie. Aber? „Ich bin auch sehr lebendig. Und wenn diese Lebendigkeit aus mir herauswill, dann bricht sie eben aus. Mit allen Konsequenzen.“ Das sollte sich nach der Matura offenbaren.

Ein Weg mit Hindernissen

Miriam ist romantisch veranlagt. Sagt sie. „Mir war klar, meinen ersten Freund will ich heiraten.“ Was sie dann auch tat. Doch die Ehe ging schief, sie war noch nicht bereit für Kinder. Feuersinger studierte zu dieser Zeit Gesang am Konservatorium in Feldkirch. „Meine Liebe zum Singen wurde dort nicht unbedingt gefördert. Ich hatte das Gefühl, von meiner Gesangslehrerin kleingehalten zu werden. Sie prophezeite mir bestenfalls eine Zukunft als Gesangslehrerin in einer Musikschule des Landes. Bezeichnenderweise hatte ich nie den Mut, an einer anderen Institution vorzusingen.“
Um diesen Mut zu bekommen, bedurfte es des Drucks von außen. Sie lernte Prof. Kurt Widmer bei einem Meisterkurs in Liechtenstein kennen. „Beim Vorsingen fragte er mich, ob ich mir der natürlichen Schönheit meiner Stimme bewusst sei. Er sprach mit mir ganz normal im Dialekt. Mit seiner unkomplizierten, offenen Art brach er in mir etwas auf, das die Zeit im Konservatorium verkapselt hatte.“
Widmer riet ihr, nach Basel zu kommen, was sie dann auch tat. „Ich spürte, dass ich das machen muss.“ Es war wie eine Art Berufung, die die damals 21-Jährige aufkommen fühlte. Und so verließ sie gegen zahlreiche Widerstände den Heimathafen Vorarlberg, um in Basel ihr Glück zu finden.

Zuversicht und Gottvertrauen

„Ich glaube nicht, dass mein Weg ein Zufall ist“, gibt sich Feuersinger nachdenklich. Sie glaubt an eine höhere Macht, an einen Gott, der über sie wacht. „Ich stelle mir natürlich die Frage nach der Finalität meines Singens“, erklärt sie weiter. „Es ist nicht die Selbstverwirklichung, die mich antreibt. Daher singe ich auch keine Opern. Das ist mir zu flach. Wer das will, möge das gerne tun. Ich fühle mich danach leer, daher habe ich mich für die geistliche Musik entschieden.“
Und hier vor allem für Johann Sebastian Bach. Warum Bach? „Seine Musik ist für mich wie Vollkornbrot: Sie hat unglaubliche Tiefe und Spannung. Bach zu singen ist wie Spitzensport: Seine Musik ist eine Hochgebirgswanderung, kein leichter Spaziergang am See. Sie fordert mich sowohl in der Körperspannung als auch in der Stimmgestaltung. Beim Singen empfinde ich den Schmerz, die Zuversicht und das Vertrauen, das Bach gefühlt haben muss. Und in diese Musik packe ich ebenfalls meine Sehnsüchte und Lebensträume.“ Auch aus diesem Grund hat Miriam Feuersinger die Veranstaltungsreihe „Bachkantaten in Vorarlberg“ ins Leben gerufen. 
Was das Singen für sie bedeutet? „Meine Beschäftigung mit geistlicher Musik ist für mich eine Art von Gebetszeit. Mein Gegenüber beim Singen ist der, an den ich glaube. Gott.“ Ihr Glaube ist das, was sie aufrecht erhält trotz mancher Fehlentscheidungen in ihrem Leben, wie sie unumwunden zugibt.

Raum für Persönlichkeit und Stimme

Heute sieht sie sich – wieder einmal – an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Neben ihrer regen Tätigkeit als Sopranistin hat sie eine individualpsychologische Ausbildung in der Schweiz abgeschlossen. „Mir schwebt ein Raum für Persönlichkeit und Stimme vor“, erzählt sie von ihren Zukunftsplänen. Neben Stimmcoaching und Sprechtraining soll in diesem Raum das Erkennen und Stärken der eigenen Persönlichkeit perfektioniert werden. „Ich coache gerne Menschen. Dabei begleite ich sie ein Stück auf ihrem Lebensweg, um sie dann wieder ziehen zu lassen. Ich schicke sie sozusagen in ihr Leben zurück. Und wer weiß, vielleicht kommen sie wieder, wenn sie mich brauchen“, erklärt Feuersinger ihre Motivation.
Eine weitere Richtung, die sich die erfolgreiche Sängerin vorstellen kann, ist das Lehren an einer Hochschule. „Doch das sind noch ungelegte Eier“, grinst sie vielsagend. Aber egal was, Miriam Feuersinger wird mit ihrer Art eine Bereicherung für die Menschen, die mit ihr zu tun haben, sein.

www.miriam-feuersinger.info
www.bachkantaten.at

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