Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Prostitution, Zuhälterei, Menschenraub, Mord – der Kampf des Norbert Schwendinger

Juni 2021

Der Dornbirner Norbert Schwendinger hat nicht nur beruflich seinen Weg bei der Kriminalpolizei gemacht. Nein, er hat 2020 im ersten Jahr seines (Un)Ruhestands ein Buch über seine spektakulärsten Fälle publiziert: „Tatort Vorarlberg. Wahre Kriminalfälle.“ Was es damit auf sich hat und wie seine Karriere bei der Polizei verlaufen ist, darüber haben wir uns mit ihm unterhalten.

Nach der Matura im Gymnasium Dornbirn stand dem jungen Norbert nicht unbedingt der Sinn nach einem Studium. „Die Gendarmerie hat mich hingegen sehr gereizt“, blickt er zurück. Gesagt, getan, er absolvierte 16 Monate Ausbildung in Gisingen und wurde anschließend dem Posten Höchst zugeteilt.

Zuhälter und Prostituierte

„Wir waren voll im Geschehen“, erinnert er sich. Und beginnt zu erzählen: „Meine Dienstzeit ab 1979 fiel genau in die Blütezeit von illegaler Prostitution und Zuhälterkriegen.“ Und gibt rückblickend zu: „Das war nicht immer ungefährlich.“ So konnte es durchaus passieren, dass er und seine Kollegen abends nach Dienstschluss von einem Stoßtrupp dubioser Gestalten im Auto verfolgt wurden. „Natürlich war es unser Ziel, sie abzuschütteln. Sie sollten ja nicht wissen, wo wir wohnten.“ Es sei sogar vorgekommen, dass über das neue Auto eines Beamten Säure geschüttet wurde. Der Schaden? Auf dem blieb der Kollege sitzen.
Neben Schießereien mussten Gendarmerie und Kriminalabteilung auch einmal die Explosion einer Autobombe untersuchen, bei der ein Zuhälter samt seiner Tochter getötet wurde. Warum diese Zeit so drastisch war, wollen wir wissen. Schwendinger gibt als einen der Gründe die unmittelbare Grenznähe an. Ob bei ihm und seinen Kollegen auch Angst im Spiel war? Schwendinger verneint. Wichtig war, den Zuhältern Paroli zu bieten. Und so patrouillierten Polizei und Gendarmerie zu dieser Zeit in Uniform, aber auch in Zivil, sodass die Prostituierten nicht in gewohnter Manier ihrem Geschäft nachgehen konnten. „Zum Schluss hat sich gezeigt, wer am längeren Ast sitzt.“ Sie haben sich selbst dezimiert und Gefängnis, Attentate etc. taten das ihre. Übrigens: Der Großteil der Zuhälter seien Innerösterreicher gewesen.

Zahlreiche Überfälle

Anfang der 90er Jahre wurde Schwendinger für sieben Monate als Vizekommandant zum Posten Lochau versetzt, bevor er am 1. Jänner 1991 zur Kriminalpolizei, Abteilung Raub/Diebstahl wechselte. Durch seine Arbeit und die Kenntnisse des „Milieus“ habe sich dieser Wechsel ergeben, den er nie bereut hat. Noch heute schwärmt er von seinem Team und seinen Mitarbeitenden, obwohl die Arbeit nie ausging.
„Damals gab es zahlenmäßig viel mehr Raubüberfälle als heute. Banken, Würstelbuden, Tankstellen – überall gab es Delikte.“ Der Grund: Die Überwachung war damals viel schlechter als heute. „Wir mussten schon froh sein, wenn die Kamera ein halbwegs vernünftiges Foto lieferte.“ Damals waren hauptsächlich Einheimische am Werk, erzählt er. Man kannte vielfach die Handschrift der Kriminellen, sodass die Verbrechen oft zugewiesen werden konnten. Die Beweisführung war dann eine andere Sache. Heute treiben, so der Ex-Kripo-Mann, hauptsächlich reisende Täter ihr Unwesen.

Auf der Suche nach dem Verbrecher

1996 stieg Schwendinger zum Abteilungsleiter Diebstahl auf, wo er auch mit Spezialaufgaben wie Autoverschiebung betraut wurde. 2008 wechselte er dann als Leiter in den Bereich Leib/Leben, dem er bis zu seinem Ruhestand 2019 vorstand. „Die Königsdisziplin bei der Kripo.“ Warum das? Die kriminalistische Tätigkeit sei immer ganz ähnlich: Ob Eigentum oder Gewalt, es gehe immer um die Suche nach dem Täter. Und deshalb wurde auch die gruppenübergreifende Arbeit forciert.
Ob es nicht ein Unterschied sei, ob man einen Tatort mit einer Leiche untersuchen müsse. „Natürlich“, sagt Schwendinger. „Und ganz besonders, wenn es Kinder betrifft.“ Das nehme einen schon her. Daher wurden im Team solche Fälle nach Dienstschluss besprochen, um besser damit klarzukommen. Außerdem gibt es speziell geschulte Mitarbeitende, die bei der Aufarbeitung des Erlebten helfen, genannt Peer Support. Und bis zu einem gewissen Maße werde die Routine zu einem Stück Selbstschutz.

Überstunden Ende nie

Sein Arbeitstag? „Die Arbeitszeiten waren unterschiedlich, je nach Aktualität der Fälle. Grundsätzlich war um sieben Uhr morgens Arbeitsbeginn, der Job dauerte mitunter bis Mitternacht und länger. Der Anfang jeden Falles sei am intensivsten. Je länger es dauert, ihn zu lösen, desto schwieriger werde es. Der Grund: Bei der Befragung der Beteiligten komme es häufig zu Beeinflussungen, sodass das Bild mehr und mehr verfälscht werde.
Und so seien 50 Überstunden pro Monat der Normalfall gewesen, 100 und mehr Stunden auch keine Seltenheit.

Tatort Vorarlberg

Seit 2019 ist Schwendinger also im Ruhestand, 2020 erschien sein erstes Buch. Wie er zu diesem Projekt kam? „Ich war immer auf ein gutes Einvernehmen mit der Presse bemüht. Und so kam eines Tages eine bedeutende Vorarlberger Tageszeitung auf mich zu, um eine Serie mit spektakulären Kriminalfällen zu publizieren. Bereits nach dem Erscheinen des ersten Falles kam Nina Winkler vom Verlag Edition V auf mich zu, um ausgewählte Fälle in einem Buch zu veröffentlichen. Frei nach dem Motto „True Crime Story“. Und so ist der Band in einem Zeitraum von rund sechs Monaten entstanden.“ In seinem Werk hat Schwendinger 14 Fälle in zwölf Geschichten verarbeitet. Das Besondere daran: Die Storys weisen Lokalkolorit auf. „Über die meisten Fällen hat die Leserschaft bereits in den Medien gelesen. Und jetzt erfahren sie auch noch Hintergründe zu den Geschichten, die sie zum Teil selbst kennen.“

Amoklauf an Schule

Einer dieser Fälle, die im Buch beschrieben werden, betrifft einen angekündigten Amoklauf an einer Oberländer Schule, der glücklicherweise vereitelt werden konnte. Noch heute fühlt sich Schwendinger beim Gedanken an den jungen Mann unwohl. „Er hatte zwölf Morde angekündigt. Zum Glück konnten wir seine Identität aufklären.“ Im Gerichtsverfahren stellte sich heraus, dass der Mann hochgradig schizophren war. Ein Indiz für seine Krankheit war eine innere Stimme, die ihm befahl, mit zwei Messern bewaffnet den nächstbesten Passanten zu töten. Überhaupt seien viele derartige Täter psychisch krank, erwähnt Schwendinger. Deshalb seien Gutachten von Sachverständigen, wie beispielsweise von Primar Reinhard Haller von enormer Wichtigkeit. Heute genießt der ehemalige Beamte seinen Ruhestand. Zwei Kinder, drei Enkel und seine Lebensgefährtin sorgen dafür, dass ihm nicht langweilig wird. Und wenn doch, unterstützt er andere Autoren oder den Betreiber des Secret Rooms in Dornbirn bei der Entwicklung eines Spiels mit seiner Expertise. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja bald ein weiteres Buch von Norbert Schwendinger.

Weiterlesen! 

Norbert Schwendinger „Tatort Vorarlberg. Wahre Kriminalfälle“ 
Hardcover, edition V, Bregenz 2020

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