Klaus Feldkircher

(geb. 1967) lehrt an der FH Vorarlberg, ist als freier Journalist tätig und betreibt das Kommunikationsbüro althaus7. Als Autor, Texter und Konzepter hat er bereits zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Weiters ist er in der Erwachsenenbildung tätig und lehrt Deutsch und Latein an der Schule Riedenburg/Bregenz.

Was tun, wenn’s kracht

Juni 2018

Das kennen wir doch alle: Meinungsverschiedenheiten mit Jugendlichen, die in ohrenbetäubendem Türknallen enden. Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern, die in Schreiduellen gipfeln.
Was aber können wir tun, um solche Situationen zu deeskalieren?

Eine Antwort auf diese Frage gibt uns Martin Fellacher vom Pädagogischen Institut für Neue Autorität („PINA“). Seine Strategie: der Einsatz der „Neuen Autorität“. „Neue Autorität“ – klingt zwar neu, ist es aber nicht. Denn dieses Konzept gibt es bereits seit über 20 Jahren und wird ständig – national und international – weiterentwickelt. Die Methode hat nicht nur in Schule und Freizeit, sondern auch in vielen anderen Bereichen – Militär, Forensik, Psychiatrie oder Management – Fuß gefasst. Fellacher beschäftigt sich nun schon seit vielen Jahren mit dieser Methode und hat beste Erfahrungen damit gemacht.

Martin Fellacher – ein klarer Weg

Nach Beendigung seiner Lehrzeit leistete der 1976 Geborene seinen Zivildienst. Parallel dazu legte er die Studienberechtigungsprüfung ab, um im Anschluss daran an der Sozialakademie in Bregenz zu studieren. Bereits während des Studiums war er in zahlreiche soziale Projekte involviert. Nach seiner Väterkarenz war er im „H.I.O.B.“, der Anlauf- und Beratungsstelle der Caritas für Drogenabhängige, beschäftigt.

Zwei Jahre später war Fellacher für „Horizont 3000“, eine österreichische Organisation für Entwicklungszusammenarbeit, in Papua-Neuguinea tätig. Nach weiteren zwei Jahren übernahm er 2006 nach seiner Rückkehr den Job als „Koordinator für stationäre Quartiere“ in der Flüchtlingshilfe. Als die Zahl der Flüchtlinge immer weiter anstieg, entstand ein eigener Fachbereich für Flüchtlingshilfe, dem er bis 2015 vorstand.

In dieser Zeit lernte Fellacher auf einem Kongress zur „Neuen Autorität“ in Berlin Professor Haim Omer kennen. Von der neuen Methode begeistert, organisierte er in Vorarl­berg eine Tagung mit dem israelischen Psychologen – seitdem sind die beiden freundschaftlich verbunden.

Nach einem Treffen in München trugen Fellacher und sein Team die „Neue Autorität“ in die Schulen, wo sie auf große Resonanz stieß. Nach Kooperationen mit der Stiftung Jupident und dem Vorarlberger Kinderdorf machte sich Fellacher 2017 mit PINA, dem Pädagogischen Institut für Neue Autorität, selbstständig.
Stärke statt Macht

An dieser Stelle stellt sich natürlich die Frage: Was ist die „Neue Autorität“ eigentlich? Grundsätzlich basiert dieses Instrument der Konfliktbewältigung nicht auf Macht, sondern auf Stärke. Das Konzept geht davon aus, dass wir nur uns selbst kontrollieren können, nicht aber unser Gegenüber. Und hier setzt die „Neue Autorität“ an und wird zur Haltungsfrage.
In der Kindererziehung beispielsweise erleben Eltern, Lehrer und Sozialpädagogen in der Ausübung ihrer Rolle oft große Unsicherheit und Ohnmacht. Dabei entsteht das Gefühl, keine brauchbaren Mittel beziehungsweise Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit destruktivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu haben. Auch Führungskräfte in Einrichtungen und Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, Autorität aus ihrer persönlichen Integrität zu entwickeln, Konflikte gemeinschaftlich zu lösen und die vorhandenen Netzwerke in ihre Arbeit einzubinden.

Begründer Haim Omer

An dieser Stelle setzt das Modell der „Neuen Autorität“ von Professor Haim Omer von der Universität Tel Aviv an. Durch persönliche Präsenz und die wachsame Sorge der Erwachsenen wird ein Rahmen bereitgestellt, in dem erfolgreiche Entwicklungsprozesse und ein respektvolles Miteinander möglich werden. Als wichtigste Ressource gilt die Fähigkeit zur konstruktiven Beziehungsgestaltung mit einer wertschätzenden Grundhaltung. Die Verantwortlichen lassen sich nicht in Machtkämpfe hineinziehen und handeln so eskalationsvorbeugend. Problematischem Verhalten wird dabei nicht mit Vergeltungsmaßnahmen und Strafen, sondern durch Protest und beharrlichen gewaltlosen Widerstand begegnet. Damit sollen Veränderungsprozesse und Lösungsschritte in Gang gesetzt werden.

Acht Grundlagen

Die „Neue Autorität“ stützt sich auf acht Grundlagen: Demnach entsteht Autorität durch Präsenz und Beziehung, geht von Selbstkontrolle statt Kontrolle des Gegenübers aus, trennt zwischen Verhalten und Person und setzt auf verzögerte Reaktion und Beharrlichkeit. Die Wiedergutmachung wird als wirksames Mittel statt Strafe und Sanktion eingesetzt. Autorität wird nicht an der Person festgemacht, sondern ergibt sich aus einem Netzwerk mit Unterstützern. Diese arbeiten in größtmöglicher Transparenz und verpflichten sich zu Protest und gewaltfreiem Widerstand, wenn Verhalten für die Gemeinschaft nicht tolerierbar ist.

Dass die „Neue Autorität“ ein probates Mittel in der Konfliktbewältigung ist, hat die Praxis schon vielfach gezeigt. Aber wo wird sie konkret eingesetzt? „Für die ,Neue Autorität‘ sind die Einsatzmöglichkeiten beinahe unbegrenzt“, erklärt Martin Fellacher. „Sie beschränkt sich nicht nur auf die Schule und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“, weiß er zu berichten. Sein Institut arbeitet mit Kommunen im Projekt „Couragierte Gemeinden“ zusammen, aber auch Führungskräfte profitieren in hohem Maße von der „Neuen Autorität“. „Führung ist vor allem eine Frage der Beziehungsgestaltung. Autorität ist dabei ein zentrales Element, um Führung in Beziehungen zu entwickeln“ erklärt Fellacher. Und weiter: „Doch was hilft es, ,Neue Autorität‘ als Führungshaltung zu haben, wenn die Führungskraft über autoritäre Kontroll- und Belohnungssysteme verführt wird, sich doch wieder autoritär zu verhalten, aber bitte mit kooperativer Attitüde? Oder wenn die Führungskultur geprägt ist von Konkurrenz und Intransparenz?“

„Neue Autorität“ für Führungskräfte

Damit „Neue Autorität“ in der Führung wirksam werden könne, brauche es auf der individuellen, strukturellen und kulturellen Ebene in Organisationen einen Wandel. Gerade im Bereich des Generationenwechsels und des Change-Managements sieht Fellacher Handlungsbedarf: „Oft ist es doch so, dass die Nachfolgegeneration in Betrieben oft andere Ideen und Ziele verfolgt als ihre Vorgänger. Dabei erlebe ich immer wieder, dass die alten Vorstellungen, die übernommen werden, mit den neuen Ansätzen nicht kompatibel sind. So entsteht eine große Unsicherheit im Betrieb, eine gewisse Hilflosigkeit ist das Ergebnis“, bringt Fellacher seine Erfahrungen auf den Punkt. Um hier Abhilfe zu schaffen, bietet Fellachers Pädagogisches Institut für Neue Autorität Workshops für Führungskräfte an.

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