Kathrin Dünser
Einblick in das Atelier von Harald Gfader

52 Quadratmeter, 300 Euro warm

Mai 2016

Thesen zur Kunstproduktion in Vorarlberg

Was am 16. April mit einem Symposium in der Villa Claudia seinen Anfang nahm, bezeichnet nur den (offiziellen) Beginn eines mehrdimensionalen Formats, welches die Kunsthistorikerin Claudia Voit und der bildende Künstler Harald Gfader zusammen mit ihren Kooperationspartnern KunstVorarlberg und vorarlberg museum ins Leben gerufen haben. Ziel ist, die (Produktions-)Räume der Kunst und deren Nutzung zu erforschen, um so einen Status quo der Situation zu illustrieren. Aufbauend auf der Erforschung des Ist-Zustands wurden Ateliers besucht und fotografisch dokumentiert, ein Symposium mit internationalen Vortragenden organisiert und eine Ausstellung aufgebaut. In einer Publikation werden schließlich alle Ergebnisse zusammengefasst.

Die Grundidee fußt auf der Erkenntnis, dass die Wahrnehmung der jüngeren Generation in diametralem Gegensatz zu den Forderungen einer älteren, arrivierten Gruppe Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler steht: Wird von dieser seit den 1960er-Jahren immer wieder auf den Mangel an Repräsentationsorten hingewiesen und erschöpfend über den Sinn und Unsinn einer Landesgalerie diskutiert, verweist die jüngere Generation vor allem auf einen Mangel an Infrastruktur und Vernetzungsmöglichkeiten im Lande. Im Zuge dieser Überlegungen haben sich die Initiatoren aufgemacht, mit 13 Künstlern, alle stellvertretend für eine bestimmte Nutzungsform des Ateliers, ausführliche Interviews über deren Arbeitssituation zu führen. Dabei ging es nicht um die Frage, was in einem Atelier passiert, sondern für welche Produktionsbedingungen und dahinterstehende Philosophie diese konkretisierten Räume stehen. Vom Garagenumbau einer Christine Lingg und dem winzigen Wohnatelier eines Stoph Sauter über das Studierzimmer von Hubert Matt und das klassische Atelier des Bildhauers Albrecht Zauner bis hin zur Ateliergemeinschaft von Christine Lederer oder dem offenen Atelier am Beispiel des Druckwerks in Lustenau finden sich die unterschiedlichsten Lebensentwürfe in diesen Räumen manifestiert.

Auffallend ist, dass fast alle diese Ateliers noch viel eher der romantischen Vorstellung eines Ortes entsprechen, an dem Künstler „abgeschieden, aus sich selbst schöpfend der Kunst eine Form geben“, als das Jörn Schafaff, Kulturwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, in seinem Vortrag herausgearbeitet hat – seine Ausführungen bildeten das theoretische Gerüst für alle nachfolgenden Beiträge des Symposiums. Schafaff schloss sich dabei einer Fragestellung an, die bereits Professor Karlheinz Lüdeking (Universität der Künste Berlin) 2009 stellte: „Welche Auswirkungen haben flexible Organisationsformen, eine gesteigerte Mobilität und die allgegenwärtige Nutzung von Computern und Internet auf das künstlerische Arbeiten von heute?“

In Schafaffs Überlegungen zur „Post Studio Art“ markiert das Ende der 1960er-Jahre eine klare Zäsur in der Wahrnehmung vom Ort, an dem Kunst entsteht. Der Land-Art-Künstler Robert Smithson (1938–1973) sah 1968 im Atelier das Sinnbild einer Falle, deren Grenzen durchbrochen werden müssen. Das Empfinden von Kunst werde determiniert vom Ort, an dem sie produziert und ausgestellt wird. Smithson zog daraufhin in die Wüste und konstruierte seine Objekte direkt vor Ort. Auch andere Kunstrichtungen, wie jene der Minimal Art oder Conceptional Art, verlangten nicht mehr nach klassischen Ateliers, zumal die Objekte ausgelagert und von Fachkräften geschaffen wurden, der Künstler als Ingenieur, der von seinem Büro aus delegiert und organisiert. Eine andere Möglichkeit bot das Atelier in Verbindung mit dem privaten Wohnraum als sozialem Ort, als einem Ort des Austauschs. Die Entwicklung des Computers und seine Funktion als mobile Archiv-/Entwurfszentrale und Büro in einem glichen das Atelier des Künstlers in jüngster Zeit immer mehr dem Arbeitsplatz eines Managers an. Der aus dem Italienischen übernommene Begriff des Studios (lat. studium: Eifer, Arbeit, Mühe) komme, wie der Vortragende festhielt, diesem neuen Verständnis des Arbeitsraumes als Studierzimmer, also einem Ort intellektueller Interaktion, der im Grunde nichts mit Produktion zu tun hat, viel näher als jener des Ateliers.

Wie lassen sich nun die Produktionsräume Vorarlberger Kunstschaffender mit vorangegangenen Ausführungen in Einklang bringen? Insgesamt 214 Kunstschaffenden schickte Claudia Voit einen achtseitigen Fragebogen zu. Aus den 81 Rücksendungen können folgende Schlüsse gezogen werden: Das durchschnittliche Vorarlberger Atelier hat 52 Quadratmeter, die monatlichen Kosten dafür betragen circa 300 Euro. Bei über 60 Prozent der Befragten ist das Atelier im Wohnhaus integriert, bei 25 Prozent befindet es sich extern, sechs Prozent besitzen gar kein Atelier und weitere sechs Prozent sogar mehrere Produktionsräume. 23 Prozent geben an, dass die Kunstproduktion ihre Hauptbeschäftigung darstellt, 27 Prozent arbeiten nebenbei noch im Kunstbereich (bei dieser Gruppe wird am häufigsten von einer prekären Arbeitssituation gesprochen), weitere 37 Prozent üben nebenbei einen „Brotberuf“ aus und machen einen sehr deutlichen Schnitt zwischen einkommenssichernder und künstlerischer Tätigkeit. Nur 12 Prozent geben an, dass sie die Kunst als Hobby sehen. Ein erster Zwischenstand zeichnet ein überwiegend positives Bild: Die Hälfte aller Befragten ist mit der Situation grundsätzlich zufrieden – und hat sich unter großem Einsatz von privaten Netzwerken und finanziellen Ressourcen „eingerichtet“. Als größtes Manko wird allerdings immer wieder auf fehlende Vernetzung hingewiesen – sowohl bei der Beschaffung und Organisation von technischen und räumlichen Ressourcen als auch in Bezug auf einen diskursiven Austausch während des Produktionsprozesses. Die Meinungen darüber, an welchen Schrauben gedreht werden könnte, um diese Leerstelle zu füllen, gehen weit auseinander. Während die vom Land Vorarlberg vergebenen Atelierförderungen als große Hilfestellungen genannt und gleichzeitig mehr Engagement von den Künstlervereinigungen erwartet wird, wandten sich die Kunstschaffenden für diese Aufgabe nur selten oder gar nicht an Städte und Kommunen. Eigentlich schade.

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