Sabine Barbisch

„Ich bin kein Kreuzritter“

Februar 2016

Fotograf Christian Holzknecht im „Thema Vorarlberg“-Gespräch über die spezielle Magie beim Fotografieren, warum jeder Mensch nur ein schönes Bild von sich braucht und warum er keinen Kreuzzug gegen das Retuschieren von Fotos führt.

Was ich tue, ist ein Geschenk, eine Gnade – meine Berufung eben“, so beschreibt Christian Holzknecht seine fotografischen Aktivitäten. Das Credo „let the magic happen“ begleitet ihn dabei, seit er den Satz von einem Kollegen in den USA gehört hat. Diese Magie eines Bildes fasziniert ihn bis heute am Fotografieren. Der Schwarzacher erzählt aber auch, dass das nicht immer so war: „Ich ließ mir viel von diesem Gefühl nehmen, weil ich mit Leuten zu tun hatte, bei denen Geld, Gier, Neid und Missgunst eine viel größere Rolle spielten als das Magische an einem Bild.“ Bis zu dieser Erkenntnis war es allerdings ein längerer Weg: Nachdem er sein Fotostudio in Bregenz geschlossen hatte, lebte Christian Holzknecht viele Jahre im Ausland und lichtete die – rein äußerlich betrachtet – schönsten Menschen der Welt für renommierte Hochglanz-magazine, Kampagnen und Kalender ab. Er hatte großen Erfolg und erreichte hohe Bekannheit. „Aber ich hatte mit der Zeit ein schlechtes Gefühl beim Fotografieren. Mir fehlte es, mit meiner Arbeit die Menschen zu berühren.“ Die „emotionale Echtheit“ nahm immer weniger Raum ein. „Hätte ich so weitergemacht, wäre ich selbst ein schlechter Mensch geworden.“

Sehnsucht in der Abgeschiedenheit

Holzknecht zog die Konsequenzen und nahm sich eine mehr als achtjährige Auszeit vom Fotografieren. „In dieser Zeit bin ich unter anderem von Los Angeles nach Panama, von dort nach Alaska und wieder zurück zum Ausgangspunkt der Reise gefahren. In diesen zwei Jahren habe ich auf zwei Quadrat-metern gelebt.“ Er berichtet, dass er nicht mehr mit Lügen leben wollte: „Mein oberstes Prinzip ist immer der Wunsch des Kunden, aber das ging zu weit“. Er brauchte die Zeit im Dschungel, an Stränden, in der Wüste, um das schlechte Gefühl beim Fotografieren loszuwerden. „Während dieser Phase habe ich auch Containerschiffe auf dem Indischen Ozean bewacht. Es war wie eine Gefangenschaft auf hoher See: Sieben Tage die Woche, 24 Stunden vom monotonen Brummen des Schiffsmotors begleitet und in diesem absoluten Nichts auf dem Ozean – da gibt es keinerlei Ablenkung, ich war völlig zurückgezogen.“ Und genau in dieser Abgeschiedenheit kam sie nach acht Jahren wieder: die Sehnsucht nach dem Fotografieren.

Die höchste Form der Fotografie

Weil er es diesmal anders machen wollte und nicht mehr in das alte Muster und in die Gesellschaft von schlechten Menschen geraten wollte, „habe ich alles, was ich am Fotografieren liebe, in Komponenten zerlegt und so entschieden, welche Elemente mir wichtig sind und ich behalten möchte“. Christian Holzknecht geht es um Wertschätzung und Vertrauen: „Ich möchte Herzen berühren und Gefühle durch Erlebnisse sichtbar machen.“ Also nicht wie davor Gesichtsausdrücke durch perfekte Schauspielerei, sondern durch erlebte Situationen sichtbar machen. „Für mich sind das die ehrlichsten Bilder und die höchste Form der Fotografie.“ Und so hat er sein neues Unternehmen definiert. Seit April 2015 hat er ein Studio in Hohenems. „Ich will den Menschen beweisen, wie schön sie sind. Ich hatte schon Elfjährige im Studio, die über ihr Aussehen oder ihr Gewicht klagten.“ Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Ich sei allgemein groß, bei Frauen sei die Selbstkritik aber erschreckend. „Die meisten gefallen sich nicht, wie sie sind, und finden es nicht richtig, wie sie aussehen.“ Gegen Instrumente der Bildretusche führt Holzknecht nach eigenen Worten trotzdem „keinen Kreuzzug“, vielmehr sieht er darin Fluch und Freiheit zugleich: „Seit es so viele Möglichkeiten gibt, ein Bild nachträglich zu bearbeiten und vermeintlich zu verschönern, ist es mit den Ansprüchen schlimmer geworden. Andererseits habe ich schon Models erlebt, die vor dem Shooting Pizza gegessen haben und zu mir sagten: ‚Christian, du richtest das schon.‘“ Das Problem ist laut dem Fotografen, dass sich die Menschen auf Bildern, auf denen sie sich nicht so gut getroffen fühlen, regelrecht fixieren: „Sie schauen sich das hunderte Male an. Deshalb glaube ich, dass jeder Mensch nur ein tolles Foto von sich braucht, das er perfekt findet und sich damit schön fühlt.“

Ein „Emotions-Fetischist“

Das soll die „Marke Holzknecht“ erfüllen. Dieses Experiment, in das sich Christian Holzknecht in den vergangenen Monaten gestürzt hat, zieht immer weitere Kreise. „Es müssen die Emotionen stimmen, ich bin ein regelrechter Fetischist, was das betrifft.“ Auf den top-inszenierten Bildern, die er früher großteils machte, war das nicht nötig. „Wenn auf einem CD-Cover nur der Künstler zu sehen ist, spielen Emotionen allerdings die Hauptrolle.“ Mit diesem neuen Konzept hat der People-Fotograf ein ganz klares Ziel: „Ich will die Menschen im Herzen berühren – und zwar mit Fotografiertem, Geschriebenem und Gesagtem.“ Dazu hat er auch ein Coaching bei einem Psychologen in Anspruch genommen: Das erste Shooting mit dem Arbeitstitel „Vaterliebe“ spricht dazu ohne große Worte Bände. Aber auch eine Bilderserie von Freunden, die ohne künstliches Licht fotografiert und nicht wie frühere Produktionen aufwendig inszeniert wurde, spricht die neue Bildsprache von Christian Holzknecht. Ein mutiger Weg! 

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