Elias Riedmann

Othmar Motter - Grafikdesign-Pionier und Meister der Extrabold

Februar 2018

Tektura, Ombra, Corpus und Femina. Während diese Schriften weltweit bekannt sind, ist der Mann dahinter, Othmar Motter, nur wenigen ein Begriff. Motter war Vorarlberger Grafikdesign-Pionier, leidenschaftlicher Schriftgestalter und Mitbegründer des Ateliers „Vorarlberger Graphik“ in Hard, welches als Vorreiter des modernen Coworking-Space gesehen werden kann. Seine Motter Tektura prägte über lange Zeit das Markenbild von Apple und Reebok.

Am 3. November 1927 wurde Othmar Motter in Hard geboren. Er genoss eine unbeschwerte Jugend in der Zwischenkriegszeit und entwickelte bereits während der Schulzeit großes Interesse am Zeichnen und Entwerfen von Schriftzügen. Auf Rat des Gymnasiumdirektors nahm er im Wintersemester 1943/44 an der „Graphischen“ in Wien sein Studium auf, um den in Vorarl­berg noch weitestgehend unbekannten Beruf des Grafikers zu erlernen.

Nach nur zwei Semestern Studienzeit wurde er zum Reichsarbeitsdienst nach Polen eingezogen, nahm trotz widriger Bedingungen 1947 sein Studium wieder auf und schloss 1949 mit Auszeichnung ab. Anschließend wurde er für den Posten des künstlerischen Werbeleiters der Firma Eumig, Hersteller von Film- und Tongeräten, empfohlen.
Obwohl ihm der Job sicher war, entschloss er sich dazu, in seine Heimat zurückzukehren, um mit seinem Wiener Studienkollegen Sylvester Licka ein eigenes Atelier zu gründen. Nach frühen Wettbewerbserfolgen rückte die Ateliergemeinschaft in den Fokus der industriellen Textilgrößen des Landes. Bald kam personeller Nachschub von der „Graphischen“, namentlich Hans Kaiser, später sollten weitere folgen.

Der aus grafischer Sicht „luftleere Raum“ Vorarlberg hatte in der von Improvisation geprägten Nachkriegszeit den großen Vorteil, dass sich die „Vor­arlberger Graphik“ (VG) frei entwickeln konnte. Bemerkenswert war die innovative Organisationsstrukur der VG, nach deren Modell alle Mitglieder als freie Grafikdesigner geführt wurden – die Blaupause des modernen Coworking-Space. Es gab weder Angestellte noch Verträge, sondern nur mündlich festgelegte Zusammenarbeit.

Für junge Grafiker war das Kollektiv im Westen ein vielversprechendes Sprungbrett in eine erfolgreiche Karriere, wodurch es gelang, verheißungsvolle Talente von der Graphischen an den Bodensee zu lotsen. Es kam auch vor, dass der VG Personal abgeworben wurde, da viele Firmen während der 1950er-Jahre „Inhouse“-Grafiker für ihre Werbeabteilungen suchten. Als Licka 1956 bei der Textilfirma F. M. Hämmerle eine solche Stelle antrat, sprang Kaiser in die Bresche und avancierte zu Motters Atelierpartner. Kaiser beteiligte sich am Bau des neuen Atelier- und Wohngebäudes, welches 1967 fertiggestellt wurde. In den 1960ern folgte eine gewisse Umstrukturierung, bedingt durch die aufkommenden Werbeagenturen, die sich in die Prozesse mischten, und die sich immer stärker etablierende Fotografie.

Allerdings überstand das Kollektiv diesen Wandel größtenteils unversehrt. Primäres Bestreben der Vorarlberger Graphik war es, Arbeiten von maximaler Qualität zu liefern, um sich einen Namen zu machen. Dies hatte oft einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand zur Folge, jedoch sollte die steigende Reputation Honorare ermöglichen, bei denen sich die Grafiker Zeit lassen konnten für hochwertige Erzeugnisse. Außerdem wurden viele der Arbeiten prämiert und durch das entsprechende Medienecho konnten neue Aufträge akquiriert werden.

Dennoch intensivierte Motter seine Bemühungen in der Logo- und Schriftentwicklung. Im Gegensatz zu den Logos, die im Zuge von Corporate-Design-Projekten gestaltet wurden, war die Schriftentwicklung nie ein ernsthaftes Thema für Werbeagenturen – aufgrund des unökonomischen Arbeitsaufwands und der Tatsache, dass schon damals zu viele Raubkopien gemacht wurden. Selbst für jemanden wie Motter, der enorm viel Zeit in die Gestaltung von Schriften investierte, wäre es nicht möglich gewesen, allein von dieser Tätigkeit zu leben.

Obwohl Firmen wie Apple oder Reebok seine „Motter Tektura“ als Logotype verwendeten, verdiente er dabei nur am Verkauf eines weiteren Letraset-Bogens. Den Zenit seiner Karriere als Schriftgestalter markierte die Veröffentlichung der „Motter Corpus“ bei der „International Typeface Corporation“, kurz ITC, in New York. Neben Motters Schriften prägen heute zahlreiche seiner Logos das Vorarlberger Straßenbild.

Die Lehre des Schweizer Typo­grafen Adrian Frutiger war neben der von Günter Gerhard Lange eine wichtige Quelle für seine Arbeit. Letzterer sagte einmal zu Motter, es sei eine kreative Verschwendung, dass er alle Buchstaben selber reinzeichnen würde … Doch viel eher ist die eigenhändige Ausarbeitung als Qualitätsmerkmal zu sehen. Othmar Motter
war stets bescheiden und arbeitete am liebsten nachts, wenn das hektische Treiben der blühenden Wirtschaft ruhte.

Seinen rund 20 Schriftentwürfen stehen mehr als 700 Signets gegenüber, die er ebenso wie jede einzelne Letter in Reinzeichenqualität auf zwei Millimeter starkem Zeichenkarton mit Feder und Tusche ausführte. Nachdem sich Motter Mitte der 1990er-Jahre in den Ruhestand begab, entwarf er weiterhin Schriften und Logos und blieb bis ins hohe Alter aktiv. Sein letztes Signet gestaltete er mit 80 Jahren für die Babyklappe in Bregenz. Othmar Motter starb am 17. Dezember 2010, im Alter von 83 Jahren, in seinem Geburtsort Hard.

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