J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Ein Lithiumerz ist österreichisches Mineral des Jahres

Juli 2022

Wir sind mobil. Und wir sind individuell. Wir können jederzeit fahren, wohin auch immer wir wollen. Wir sind unabhängig von den Fahrplänen und Strecken des öffentlichen Verkehrs. All dies hat seinen Preis: Ein nicht geringer Teil des geförderten Erdöls wird zu denjenigen Treibstoffen verarbeitet, denen wir unsere Mobilität verdanken. Seit Jahrzehnten vernehmen wir den Unkenruf, dass die Erdölquellen innerhalb der nächsten zehn Jahre versiegen werden. Aber erst die Klimakrise und nicht zuletzt die aktuelle geopolitische Lage zwingen uns dazu, neue Antriebsaggregate für unsere Individualautomobile zu suchen. Elektroautos sollen die herbeigesehnte Rettung von Klima und Wirtschaft bewirken. Die Frage nach der Herkunft des Stroms müssen wir uns nicht stellen – der kommt aus der Steckdose. Aber wie gelangt er von dort ins Auto? Bei schienengebundenen Fahrzeugen ist das vergleichsweise einfach. Lokomotiven sind über Stromabnehmer und Oberleitung beziehungsweise Stromschiene permanent mit dem Stromnetz verbunden. Im Individualverkehr aber ist dies undenkbar. Und so muss der Strom zwischen Steckdose und Elektromotor zwischengespeichert werden. Wir wissen nicht, welche Innovationen in der Stromspeicherung die nächsten Jahrzehnte bringen werden. Bis Neues kommt, sind wir auf Lithium-Ionen-Akkumulatoren als effizientestes Speichermedium angewiesen. Wie immer machen wir uns wenig Gedanken über die Herkunft ihrer Bestandteile.

Stehen auch mehrere Varianten dieser Akkus zur Verfügung – ein Bestandteil ist ihnen allen gemein: Das Leichtmetall Lithium. Dessen bekannteste Quelle sind Salzseen in Chile. Weniger bekannt ist, dass Australien derzeit doppelt so viel Lithium produziert – davon rund zwei Drittel im bergmännischen Abbau lithiumhaltiger Gesteine. Das Leichtmetall ist in unterschiedlichen Mineralen gebunden. Das aus österreichischer Sicht bedeutendste unter ihnen ist der Spodumen, Mineral des Jahres 2022.

In seiner reinen Form besteht das Kettensilikat Spodumen (mit Betonung auf der Endsilbe) aus Lithium, Aluminium, Silizium und Sauerstoff. Letztere bilden Tetraeder, die zu langen Ketten zusammengeschlossen sind. Lithium und Aluminium sorgen für den Zusammenhalt der Ketten im Kristallgitter. Reiner Spodumen ist farblos. Doch chemische Verunreinigungen lassen ihn die Farbe wechseln. Einige Varianten tragen eigene, aber in der mineralogischen Systematik nicht anerkannte Namen. Hiddenit wird durch Chrom und Eisen grünlich gefärbt. Mangan verleiht dem Kunzit seine rosa bis violette Farbe. Farblose bis gelbliche Varianten sind als Triphan bekannt.

Spodumen ist ein magmatisches Mineral. Kühlt Magma im Erdinneren langsam ab, so kristallisieren zuerst die schwersten Minerale. Sie sinken zum Grunde der Magmakammer. Der Hauptteil der Gesteinsschmelze erstarrt später zu Granit. Leichte Elemente – und damit auch das Lithium – werden in einer Restschmelze angereichert. Diese ist sehr mobil und kann leicht in Spalten eindringen. Das aus ihr kristallisierte Gestein wird Pegmatit genannt. Es ist in der Regel sehr hell und zeigt auffallend große Kristalle. Als gesteinsbildender Bestandteil ist Spodumen meist unansehnlich grau. Aber manchmal sorgen entweichende Gase für Hohlräume innerhalb des Pegmatits. Die Gase kondensieren bei Abkühlung zu mineralhaltigen Lösungen. In den Hohlräumen haben die Minerale Platz und Zeit, um große, reine Kristalle zu bilden. Manche der beliebtesten Schmucksteine stammen aus solchen Miarolen. So auch die Spodumen-Varietäten Kunzit und Hiddenit. Und die sind wirklich groß. Die mit bis zu 40 Zentimeter längsten Kunzit-Kristalle wurden in Afghanistan gefunden, und Bergwerke in Minas Gerais (Brasilien) lieferten bis zu 25 Zentimeter lange Hiddenite. Doch all das ist gar nichts gegen die bis zu 14 Meter langen und 66 Tonnen schweren Riesenristelle aus der „Etta Mine“ in South Dakota (USA). Österreich kann da nicht mithalten.

Dennoch: Durch den erhöhten Bedarf an Lithium für die Fabrikation von Akkus und damit verbunden den Anstieg der Preise am Weltmarkt wird der Lithium-Bergbau auch für Österreich wieder interessant. Denn die Pegmatite der Kor­alpe zwischen der Steiermark und Kärnten beinhalten eine der größten Spodumen-Lagerstätten Europas. Entdeckt wurde sie bald nach dem Zweiten Weltkrieg, als noch niemand an Lithium interessiert war. Trotzdem gibt es zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen über das Vorkommen: Damit die vorsorglich gesicherten Schürfrechte nicht verfielen, mussten Erkundungsaktivitäten nachgewiesen werden. Dies führte schließlich dazu, dass 1985 ein Versuchsbergbau aufgefahren wurde. Neben dem 1,4 Kilometer langen Stollen wurden 35 Schürfgräben ausgehoben und 64 Kernbohrungen mit einer Gesamtlänge von 16 Kilometer niedergebracht. Doch damals überschwemmte Billig-Lithium aus Chile den Weltmarkt. Die Arbeiten auf der Koralpe wurden 1988 eingestellt. Seither haben die Schürfrechte mehrfach den Besitzer gewechselt. Der heutige Betreiber, die „European Lithium Limited“ mit Sitz in Großbritannien, wollte bis 2021 mit dem Abbau beginnen. Das Projekt wird als umweltfreundlich dargestellt: Die gesamte Infrastruktur soll sich im Berg befinden, und mit dem Abraum sollen die ausgebeuteten Stollen verfüllt werden. Lediglich die Aufbereitung muss in einem Werk im Tal erfolgen. Manche geben den Managern die Schuld, aber wer Österreich kennt, weiß, dass der Mix aus Bürokratie und Anrainerprotesten der effizienteste Verzögerungsfaktor für solch ein Projekt ist. Derzeit wird Ende 2024 für den Beginn des Bergbaus angepeilt, doch schon jetzt ist fraglich, ob dieser Termin halten kann.

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